Nationalbibliothek speichert Online-Medien
Österreichische Online-Medien sollen künftig genauso wie ihre "Printgeschwister" zur Abgabe eines "Pflichtexemplars" an die Österreichische Nationalbibliothek [ÖNB] verpflichtet werden. Eine entsprechende Novelle zum Mediengesetz ist bereits in Begutachtung und soll noch vor dem Sommer beschlossen werden.
Die ÖNB soll laut dem Entwurf der Novelle, der am Donnerstag in Begutachtung ging, künftig berechtigt sein, viermal jährlich automatisch alle öffentlich zugänglichen Online-Medien zu sammeln und zu speichern, wenn diese eine .at-Domain oder inhaltlichem Bezug zu Österreich aufweisen, hieß es aus dem im Bundeskanzleramt angesiedelten Medienministerium.
Nach gegenseitiger Absprache kann bei ausgewählten Medien auch öfter gesammelt werden. So könnte etwa von ausgesuchten Online-Medien einmal am Tag ein "repräsentativer Snapshot" angefertigt werden, hieß es aus der Nationalbibliothek.
Ablieferungspflicht
Eine aktive Bringschuld besitzen hingegen Medieninhaber, wenn ihre Inhalte mit einer Zugangskontrolle [Passwort, Bezahlpflicht] versehen sind oder wenn die automatische Abspeicherung durch die ÖNB aus technischen Gründen nicht möglich ist.
Die Ablieferungspflicht entsteht durch eine schriftliche Aufforderung der ÖNB. Ihr muss innerhalb eines Monats nachgekommen werden, heißt es im Medienministerium. Die ÖNB geht von rund 1.500 Aufforderungen zur Ablieferung innerhalb von fünf Jahren aus.
Wenn die Inhalte bereits in einer anderen Form abgegeben wurden [etwa als Buch oder Zeitschrift], besteht keine Ablieferungspflicht. Auch wer überwiegend Ton oder Laufbilder anbietet, erspart sich die Ablieferung, genauso wie rein private Medien [etwa persönliche Websites], die die öffentliche Meinungsbildung nicht beeinflussen.
Keine Exemplare verlangt die Novelle außerdem von Medieninhalten, an denen kein wissenschaftliches, kulturelles oder sonstiges öffentliches Interesse besteht.
Sperrfrist für kostenpflichtige Angebote
Einen Schutz soll die Neuerung im Gesetz den kostenpflichtigen periodischen Angebote bieten, die ja vom Verkauf und der Exklusivität ihrer Informationen leben: So können etwa wissenschaftliche Online-Publikationen von Fachverlagen oder Tageszeitungsarchive die Benützung ihrer Medieninhalte durch Bibliotheksbenutzer bis zu ein Jahr ausschließen.
Nach der Sperrfrist dürfen die Bibliotheken diese Medieninhalte ihren Benutzern nur in den Bibliotheksräumlichkeiten an einer Zugriffsstation zugänglich machen. Ausdrucke dieser Medieninhalte werden zugelassen, nicht aber elektronische Kopien.
Der Novellenentwurf des Medienministeriums ist am Donnerstag in Begutachtung gegangen. Die Begutachtungsfrist endet nach sechs Wochen. Eine Beschlussfassung im Nationalrat ist noch vor dem Sommer geplant. Der Entwurf sei mit Vertretern von Bibliotheken, Interessensvertretungen der Medieninhaber, Internet-Anbietern sowie dem Justiz- und dem Kulturministerium, akkordiert worden, hieß es im Büro der zuständigen Ministerin Doris Bures [SPÖ]. Der Novellenentwurf sollte demnächst auf den Seiten des österreichischen Parlaments veröffentlicht werden.
"Gefahr von Sammellücken"
Obwohl immer mehr sammelwürdige Medien nur noch online erscheinen, gab es für diese bisher, im Gegensatz zu österreichischen Printpublikationen, keine gesetzliche Ablieferungspflicht an die ÖNB. Das Medienministerium sieht darin eine "Gefahr von Sammellücken".
Die Novelle solle nun den "geringstmöglichen Aufwand für die Medieninhaber unter maximalem Schutz ihrer Urheberrechte und wirtschaftlichen Interessen" bieten. Ähnliche Regelungen würden derzeit auch in anderen europäischen Ländern eingeführt, hieß es aus dem Bundeskanzleramt.
Österreichisches Internet-Archiv
ORF.at sprach im vergangenen Sommer mit Barbara Kann von der Abteilung Archivierung digitaler Medien in der Nationalbibliothek über das von der ÖNB geplante österreichische Internet-Archiv. Die nun in Begutachtung gegangene Novelle zum Mediengesetz liefert dafür die rechtliche Grundlage.
(futurezone | APA)