Siemens will "kein zweites BenQ" bei SEN
Siemens möchte seinen defizitären Bereich für die Produktion von Telefonanlagen für Firmenkunden, SEN, möglichst schnell verkaufen. Kontrollen sollen dafür sorgen, dass sich ein Debakel wie bei der Aufgabe der Mobiltelefonproduktion nach der Übernahme durch BenQ nicht wiederholt. Zu den SEN-Mitarbeitern in Österreich wollte sich Siemens nicht äußern.
Auf einer Pressekonferenz am Dienstag in München stellte der Siemens-Konzern seine Pläne zur Zukunft seiner Telefonanlagensparte Siemens Enterprise Networks [SEN] vor. "SEN war nicht mehr an der Spitze der Innovation", sagte Siemens-Finanzchef Joe Kaeser, der den Wandel in der Telefonie hin zu Internet-basierten Lösungen als Grund für den Niedergang der einstmals profitablen Sparte angab.
Der Jobabbau bei SEN ist Teil eines größeren Restrukturierungsplans, in dessen Rahmen bis zu 7.000 Mitarbeiter gehen müssten. Kaeser beschwichtigte auf der Pressekonferenz Befürchtungen über ein Arbeitsplatzdesaster nach dem Siemens-Rückzug aus SEN mit den Worten: "Ein zweites BenQ wird es nicht geben."
600 Millionen Euro Verlust
Kaeser zufolge machte SEN im Jahr 2007 einen Verlust von rund 600 Millionen Euro, inklusive Abschreibungen und Restrukturierungskosten. Siemens suche jetzt Partner, mit denen SEN zu einer "starken Nummer zwei" auf dem Markt der Kommunikationslösungen für Unternehmen hinter dem dominanten Konzern Cisco heranwachsen könne. Derzeit liege SEN bei einem Marktanteil von weltweit vier Prozent und nehme Platz vier auf diesem Markt ein.
Bis Juni will Siemens Partner für Teile des Unternehmens beziehungsweise für die Übernahme finden.
Abbau in München und Leipzig
Laut Personalchef Siegfried Russwurm hat SEN weltweit rund 17.600 Mitarbeiter. Vorgesehen sei, insgesamt 6.800 Arbeitsplätze abzubauen bzw. 3.000 davon an Käuferunternehmen abzugeben. 3.200 der betroffenen Mitarbeiter sind in Deutschland beschäftigt, am Hauptstandort München müssten 450 gehen, 530 den Standort Leipzig verlassen. 1.200 dieser in Deutschland abgebauten Stellen sollen durch Verkäufe an andere Unternehmen wegfallen.
Von den 2.000 Menschen bei SEN Deutschland, die dann von Siemens selbst entlassen werden, seien erst 1.200 "sicher identifiziert", die restlichen 800 könnten bleiben, wenn nicht Synergien bei der Übernahme durch eine andere Firma oder durch einen "Finanzinvestor mit operativer Ausrichtung" entstünden.
Für das SEN-Werk in Leipzig suche Siemens noch Partner, um die Produktionskapazitäten auszulasten. Es sei aber geplant, den Standort zu erhalten.
Keine Informationen über SEN Österreich
Über den Arbeitsplatzabbau in anderen Ländern machten Kaeser und Russwurm keine Angaben. SEN beschäftigt in Österreich etwa 400 Mitarbeiter. Generell handle es sich bei diesen hauptsächlich um Vertriebs- und Servicemitarbeiter. Laut Kaeser soll im Rahmen der Restrukturierung von SEN der Direktvertrieb ausgebaut und das Service zunehmend über Fernbetreuung via Internet laufen.
Auf Nachfrage von ORF.at bei der Pressestelle der Siemens-Zentrale mochte sich diese noch nicht zu einem Arbeitsplatzabbau bei SEN Österreich äußern. Man könne derzeit nur zu den Standorten München und Leipzig konkrete Aussagen machen.
"Kein zweites BenQ"
Um ein Desaster wie bei BenQ zu verhindern, will Kaeser dem Käufer von SEN ein "voll restrukturiertes Geschäft übergeben, das tragfähig ist". SEN habe, anders als die von BenQ geschlossene Handysparte, "eine starke installierte Basis. Bei Mobiltelefonen ist jeden Morgen der Marktanteil wieder bei null."
Außerdem werde Siemens diesmal stärker kontrollieren, was etwa mit den Geldern aus den Pensionsfonds für die Mitarbeiter geschehe. Siemens sei von BenQ "getäuscht" worden, die überwiesenen Gelder aus den Pensionsfonds der Mitarbeiter seien von den Taiwanesen zweckentfremdet worden.
Für die entlassenen Mitarbeiter möchte Siemens laut Kaeser eine Transfergesellschaft gründen, die den Arbeitnehmern bei der Jobsuche helfen soll. Die Wiedervermittlungsquote von Siemens-Mitarbeitern aus dem Telekombereich liege bei 80 Prozent, so Russwurm, der darauf hinwies, dass der Konzern 2007 weltweit über 17.000 neue Stellen geschaffen habe, davon 2.000 in Deutschland. Siemens habe 3.000 offene Stellen in Deutschland. Wie viele Mitarbeiter von SEN unternehmensintern vermittelt werden könnten, konnte Russwurm noch nicht sagen.