SPG soll vor den Verfassungsgerichtshof

27.02.2008

Der Nationalratsabgeordnete Alexander Zach [LIF] hat Vertreter aus Wirtschaft und freien Berufen um sich geschart, die bis Ostern einen Individualantrag gegen das novellierte Sicherheitspolizeigesetz [SPG] beim Verfassungsgerichtshof einreichen wollen.

Wie Zach am Mittwoch anlässlich einer Pressekonferenz in Wien ankündigte, soll der Individualantrag gemäß Artikel 140 des Bundesverfassungsgesetzes nach Möglichkeit noch vor Ostern eingebracht werden.

Zach sowie der Staatsrechtler Hannes Tretter vom Ludwig-Boltzmann-Institut und der Rechtsanwalt Ewald Scheucher fungieren als Erstantragssteller, aber auch andere Bürger können sich dem Antrag anschließen.

Das Sicherheitspolizeigesetz, das am 6. Dezember 2007 ohne öffentliche Diskussion im Nationalrat mit den Stimmen der Regierungskoalition verabschiedet wurde, erlaubt es der Polizei, ohne richterlichen Beschluss bei "Gefahr im Verzug" Handystandortdaten und Daten zu Nutzern von IP-Adressen von den Providern zu verlangen.

Petition eingereicht

Am Mittwoch übergab die "Initiative für den Schutz vor dem Überwachungsstaat", die unter anderem von der Österreichischen Richtervereinigung und mehreren Hochschullehrern getragen wird, ihre von über 24.000 Bürgern getragene Petition gegen die SPG-Novelle Parlamentspräsidentin Barbara Prammer [SPÖ]. Einreichender Abgeordneter ist Peter Pilz, Sicherheitssprecher der Grünen. Die Initiative möchte mit dieser Petition erzwingen, dass die SPG-Novelle doch noch im Innenausschuss behandelt wird.

Im Notfall nach Straßburg

Sollte der VfGH den Antrag ablehnen, wollen Zach, Tretter und Scheucher den Fall vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg bringen. Der Individualantrag solle bis Ostern eingereicht werden, so Scheucher.

Die Gruppe befinde sich in Gesprächen mit Vertretern betroffener Berufsgruppen wie Anwälte, Ärzte, Therapeuten und Journalisten, die auf die Möglichkeit zu vertraulicher Kommunikation angewiesen seien. Mindestens 50 Antragssteller wollen Zach, Tretter und Scheucher um sich sammeln. Namen wollten sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht nennen. Laut Zach befindet sich die Gruppe auch im ständigen Austausch mit Initiativen der Wirtschaftskammer, des Providers T-Mobile und der Grünen, die bereits angekündigt haben, gegen das SPG vorgehen zu wollen.

Die Website der Initiative geht Anfang März mit weiteren Informationen online. Zurzeit ist dort nur ein Platzhalter zu sehen.

"Bankrott der demokratischen Gesellschaft"

Sowohl Tretter als auch Scheucher verwiesen darauf, dass die VfGH-Richter in der Vergangenheit Individualanträge nur dann zugelassen hätten, wenn der Antragssteller eine unmittelbare persönliche Betroffenheit durch das beanstandete Gesetz habe nachweisen können.

Das wiederum sei im Fall des SPG besonders schwierig, da dieses nicht einmal vorsehe, dass überwachte Personen nach Abschluss der Beobachtungsmaßnahmen von den Behörden über diese informiert werden. Damit sei das SPG nach der bisherigen Vorgehensweise des Verfassungsgerichtshofs quasi unangreifbar - eine Zumutung schütze die andere.

Tretter: "Wir wissen nicht, wann die Polizei auf unsere Daten zugreift. Das schafft eine unerträgliche Atmosphäre des Misstrauens. Das wäre der Bankrott der demokratischen Gesellschaft."

Letzte Möglichkeit zur Beschwerde

Die Individualbeschwerde sei jedoch die letzte Möglichkeit für Bürger, Gesetze daraufhin prüfen zu lassen, ob sie verfassungskonform seien, so Tretter. Daher wäre es in diesem Fall wünschenswert, wenn das Höchstgericht die Beschwerde behandeln würde.

Lehnten die Richter den Antrag jedoch ab, so böte das österreichische Höchstgericht keinen Schutz mehr vor Gesetzen wie dem SPG, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte müsse dann entscheiden.

Terroristenjäger und Datensammler

Scheucher, Tretter und Zach sprachen sich nachdrücklich gegen den gegenwärtigen Trend hin zur Präventivgesetzgebung unter Vorwand des Ausnahmezustands nach den Anschlägen des 11. September aus. "Die Menschen waren schon immer Jäger und Sammler", so Tretter, "jetzt gerieren sie sich als Terroristenjäger und Datensammler. Das sind archaische Verhaltensweisen, denen die Zivilgesellschaft entgegenwirken muss."

Der aus Kreisen der Regierungskoalition immer wieder als Kontrollorgan angeführte Rechtsschutzbeauftragte des Innenministeriums könne eine richterliche Kontrolle unter dem Vorzeichen einer funktionierenden Gewaltenteilung nicht ersetzen.

Scheucher, der auch die anwaltliche Vertretung des Falles übernommen hat, hofft, dass sich viele Bürger an der Initiative beteiligen, auch um eine Bewusstseinsbildung in Gang zu setzen. "Die eigentliche Frage lautet doch: Wem gehört diese Gesellschaft?"

Die Sicherheitssprecher der Regierungskoalition, Günter Kößl [ÖVP] und Rudolf Parnigoni [SPÖ], hatten die Behandlung der Novelle im Innenausschuss dadurch umgangen, dass sie mit Hilfe ihrer Parlamentsmehrheit einen Abänderungsantrag gestellt hatten, über den sich das Parlament sofort mit der Novelle hatte befassen müssen. Die Abfrage von IP-Adressen war auch dem Datenschutzrat nicht vorgelegt worden.

(futurezone | Günter Hack)