Mobilfunker tricksen beim Kündigungsrecht
Ändert ein heimischer Mobilfunker seine Allgemeinen Geschäftsbedingungen zum Nachteil des Kunden, kann dieser theoretisch per Gesetz kostenlos aus dem Vertrag aussteigen. In der Praxis haben die Mobilfunker aber einen Weg gefunden, das Gesetz auszuhebeln.
Der heimische Mobilfunkmarkt ist bekanntlich besonders dynamisch und lockt täglich mit neuen Angeboten, für noch weniger Geld noch länger telefonieren zu können.
Doch nicht nur die Angebote ändern sich, auch die diesen zugrunde liegenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen [AGB] werden von Zeit zu Zeit geändert - wie jüngst bei der mobilkom austria.
Sind diese Änderungen nicht ausschließlich begünstigend - sprich: die Bedingungen werden für den Kunden besser oder bleiben zumindest gleich -, räumt Paragraf 25 des Telekommunikationsgesetzes [TKG 2003] dem Kunden ein außerordentliches Kündigungsrecht ein.
Aushebeln des Kündigungsrechts
Demnach kann er den Vertrag bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Änderungen kostenlos kündigen und müsste entsprechend weder Handy noch den laufenden Vertrag ausbezahlen.
In der Praxis allerdings kommt dieser Paragraf kaum zum Zug, denn die Mobilfunker haben entsprechend vorgesorgt: Die großen Anbieter behalten sich in ihren AGB vor, die Änderungen im Fall eines Einspruchs durch den Kunden für ihn auszusetzen und damit das Sonderkündigungsrecht wirkungslos zu machen. Der Vertrag bleibt somit bestehen.
Das TKG schreibt weiters vor, dass für den Teilnehmer nicht ausschließlich begünstigende Änderungen eine Kundmachungs- und Anzeigefrist von zwei Monaten gilt. Der wesentliche Inhalt ist mindestens einen Monat vor Inkrafttreten der Änderung in geeigneter Form mitzuteilen.
Klausel in den AGB
Bei der mobilkom austria, die zuletzt ihre AGB geändert hat, steht zu lesen: "Eine gemäß § 25 Abs 3 TKG 2003 ausgesprochene außerordentliche Kündigung durch den Teilnehmer wird wirkungslos, falls sich mobilkom austria innerhalb von vier Wochen ab Zugang der Kündigung bereiterklärt, gegenüber dem Teilnehmer auf die Änderung zu verzichten."
Kündigt also ein Teilnehmer aufgrund geänderter AGB seinen Vertrag bei der mobilkom austria, und die mobilkom nimmt die Änderungen zurück, bleibt demnach der Vertrag bestehen und das Kündigungsrecht laut Paragraf 25 TKG 2003 verfällt.
Einspruch hilft
Entsprechend wird bereits bei der laufenden AGB-Änderung agiert: Wer sich per Brief bei der mobilkom gegen die AGB-Änderungen ausspricht beziehungsweise mit Kündigung droht, kann laut mobilkom die alten Geschäftsbedingungen behalten.
"Mit der Rücknahme der Änderungen sind alle Gründe für eine Kündigung aus dem Weg geräumt", erklärt mobilkom-Pressesprecher Werner Reiter den Standpunkt des größten heimischen Mobilfunkers, der sich - völlig ungewohnt - auch mit den Mitbewerbern deckt.
Wer mit den neuen AGB der mobilkom austria nicht einverstanden ist und seinen Vertrag vor dem 15.2.2008 abgeschlossen hat, hat noch bis 18.4. Zeit, sich dagegen auszusprechen.
Mobilfunker wollen Kunden halten
T-Mobile samt tele.ring, One und auch "3" verhalten sich bei Änderungen ihrer AGB oder der Tarifbestimmungen auf Anfrage von ORF.at wie die mobilkom: Alle Mobilfunker behalten sich bei einer angedrohten Kündigung das Recht vor, diese durch ein Gegenangebot wirkungslos zu machen und damit den Kunden zu halten - allerdings mit jeweils unterschiedlichen Fristen.
Bei allen gleich ist, dass der Kunde spätestens bis zum Inkrafttreten der Änderungen Einspruch erheben muss, sonst akzeptiert er diese.
Unterschiedliche Fristen
T-Mobile gibt sich selbst sieben Werktage Zeit, um auf die Vertragsveränderung zu verzichten, und erklärt, dass diese mindestens einen Monat vor Inkrafttreten bekanntgegeben werden - das kann auch auf der Rechnung sein.
One nimmt sich bis zu zwei Wochen Zeit, um auf eine Kündigung mit einem Verzicht der Änderungen zu antworten, die mobilkom austria gleich vier Wochen.
"3" führt in seinen AGB zwar keinen Passus für ein Gegenangebot wie die Mitbewerber an, doch auch hier wird versucht, Kündigungen gemäß Paragraf 25 TKG mit einer Rücknahme der geänderten Bestimmungen entgegenzuwirken, so der Mobilfunker gegenüber ORF.at.
VKI prüft Gesetzmäßigkeit
Während der Verein für Konsumenteninformation [VKI] die Klauseln der Mobilfunker generell für gesetzeswidrig hält und entsprechend prüft, sieht die Arbeiterkammer [AK] vor allem bei der für das Verständnis der Änderungen notwendigen Information und deren Beschaffung sowie beim Fristenlauf das größte Problem.
"Die Form der Mitteilung der Änderungen sollte überdacht werden", so AK-Konsumentenschützerin Daniela Zimmer gegenüber ORF.at. Denn nicht immer würden die wesentlichen Änderungen auch derart mitgeteilt, dass jeder Kunde verstehe, was nun anders sei. Auch wer einen - eigentlich verpflichtenden - Blick in die AGB riskiert, versteht mitunter nicht, was er da genau unterschreibt und damit akzeptiert.
Fristenlauf beachten
Wer Einspruch gegen die Änderungen erhebt, solle zudem auch die Fristen beachten, die sich die Mobilfunker für eine Antwort selbst gegeben haben, rät Zimmer, sonst stehe er am Schluss mit zwei gültigen Verträgen da.
Die Regulierungsbehörde erklärte in Sachen AGB-Änderungen auf Anfrage von ORF.at, dass zu dem Thema noch keine oberstgerichtliche Rechtsprechung vorliege, es aber fragwürdig sei anzunehmen, "dass der § 25 TKG auch für jene Fälle ein Kündigungsrecht einräumen möchte, in denen es zu keiner Änderung der Vertragsbedingungen kommt".
(futurezone | Nadja Igler)