Google als Bücherwurm
An die gewaltige Aufgabe der Digitalisierung ihrer Bestände gehen die Bibliotheken mit verschiedenen Strategien heran. Während die Wiener Universitätsbibliothek auf Wunsch scannt, lassen andere Häuser Google in ihren Bänden blättern - und diese in gewaltigen Datenbanken erfassen.
An der Wiener Universitätsbibliothek werden gedruckte Bücher auf Wunsch zu Dateien. Das kostenpflichtige Service heisst "E-Books on Demand" und wird neben der Wiener Universitätsbibliothek noch von zwölf weiteren europäischen Bibliotheken angeboten.
Das Motto lautet: Digitalisierung auf Bestellung. Es richtet sich an diejenigen, die sich weite Bibliotheksreisen oder unmenschlich schwere Handtaschen ersparen wollen. Nicht der Leser komme zum Buch, sondern das Buch zum Leser, sagt Andreas Brandtner, stellvertretender Leiter des Bibliotheks- und Archivwesens der Universitätsbibliothek Wien.
E-Books sind für den Benutzer sehr praktisch. Er erhält das Digitalisat des Buches als PDF in seiner Mailbox. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass in den elektronischen Büchern die Volltextsuche möglich ist.
Sonntagnacht in Ö1
Mehr zum Thema Bibliotheken und Digitalisierung hören Sie am Sonntag um 22.30 Uhr in "matrix" im Radioprogramm Ö1.
~ Link: Die Lesemaschinen (../http://www.fuzo-archiv.at/?id=260226v2) ~
Schonen und Verbreiten
Bibliotheken digitalisieren ihre Bestände heutzutage aus zwei Gründen. Einmal, um stark beanspruchte Materialien wie Zeitschriften oder wertvolle alte Handschriften zu schonen. Andererseits, um Bücher für die Benutzer rund um die Uhr übers Internet erreichbar zu machen.
Anders als die Österreichische Nationalbibliothek, die auf Jahrzehnte angelegte Massendigitalisierungsprojekte von Zeitungen und Gesetzestexten durchführt, digitalisiere die Universitätsbibliothek nur exklusiv auf Wunsch, so Brandtner.
Die Universitätsbibliothek kann aber nicht jedes Buch digitalisieren. Es muss urheberrechtsfrei und in kopierfähigem Zustand sein, um es dem Scanner überantworten zu können. Urheberrechtsfrei werden Bücher in der Regel 70 Jahre nach dem Tod des Autors.
Hybridbibliothek der Zukunft
In Zukunft würden Bibliotheken vermehrt als Hybridbibliotheken agieren, meint Brandtner. Das bedeutet, dass sie neben traditionellen gedruckten Materialien auch Bücher in digitalisierter Form anbieten.
Bei digitalen Werken unterschiedet man zusätzlich zwischen "Born Digital" und Büchern, die erst nachträglich digitalisiert wurden. Bereits heute erscheinen sehr viele wissenschaftliche Zeitschriften nur noch digital.
Digitalisieren und profitieren
"E-Books on Demand" ist nur eine von vielen Initiativen, die in den letzten Jahren von Bibliotheken rund um den Globus gestartet wurden - mit dem Ziel, ihre Bestände einfacher zugänglich zu machen.
Als Google Ende 2004 das Google Books Library Project vorstellte, sorgte das Unternehmen damit für einiges Aufsehen. Ziel von Google ist, die meisten Bücher der Welt über die hauseigene Buchsuchmaschine verfügbar zu machen. Zu diesem Zweck wollte Google mit öffentlichen Bibliotheken zusammenarbeiten.
Die Bibliotheken reagierten anfangs mit großer Ablehnung. Undurchsichtige Knebelverträge, Missachtung des Urheberrechts und technische Schludrigkeit - so lauteten die häufigsten Vorwürfe.
Bestände vergoogeln
Skeptisch sind die Bibliotheken auch in Bezug auf die Frage, ob das Wissen der Welt in der Hand privater Firmen liegen darf. Doch allmählich scheint der Konflikt zu erkalten.
Weltweit beteiligen sich bereits 15 Bibliotheken an Googles Projekt, darunter so renommierte wie jene von Harvard, Stanford und Oxford. In weniger prominenten Fällen als den genannten profitiert Google von der Tatsache, dass den Bibliotheken schlicht das Geld fehlt, um die anstehenden Digitalisierungsvorhaben alleine umzusetzen.
(matrix | Anna Masoner)