OOXML: Microsoft antwortet auf Kritiker

03.03.2008

Nach Abschluss des Problemlösungstreffens [BRM] zur ISO/IEC-Standardisierung von Office Open XML hagelte es Kritik am Standardisierungsprozess. Vertreter von OOXML-Unterstützer Microsoft und der Standardisierungsorganisation Ecma geben nun Kontra.

Noch Freitag Nacht begann der Kampf um die Meinungshoheit über den Ausgang des Ballot Resolution Meetings [BRM] zur Standardisierung des Dateiformats Office Open XML [OOXML; Ecma 376; ISO/DIS 29500]. Im Ballot Resolution Meeting sollen Vertreter nationaler Standardisierungsorganisationen die Einwände und Kommentare ausräumen, die bei der Abstimmung im vergangenen September im Rahmen des Fast-Track-Verfahrens von ihnen geäußert worden sind. Seinerzeit hatten 53 Prozent der voll stimmberechtigten Organisationen für die Annahme von OOXML ohne weitere Änderungen gestimmt, um ihn durchzubringen wäre allerdings eine Zweidrittelmehrheit notwendig gewesen.

Während Microsoft-Mitarbeiter wie XML-Experte Jason Matusow oder Doug Mahugh, der auch als Vertreter der US-Standardisierungsorganisation im BRM saß, sich in ersten Postings in ihren Weblogs mit dem Ausgang des Treffens zufrieden zeigten, ärgerten sich Unterstützer des bereits ISO-zertifizierten Konkurrenzstandards ODF [XML-Dateiformat von OpenOffice.org] wie Patentanwalt Andrew Updegrove oder Tim Bray [Mitarbeiter von Sun Microsystems, saß für Kanada im BRM] darüber, dass die über 1.100 zu bearbeitenden Kommentare in der knappen Zeit nicht zu bearbeiten gewesen seien.

Kritik am Abstimmungsmodus

Besonderen Unmut rief die Entscheidung des Sitzungsleiters Alex Brown hervor, den Teilnehmern gegen Ende des Treffens die Möglichkeit zu geben, quasi alle nicht diskutierten Kommentare mit einer Stimme als erledigt zu betrachten. Nach bisher unbestätigten Informationen von Andy Updegrove haben vier Organisationen mit Teilnehmerstatus [P-Members] und zwei mit Beobachterstatus [O-Members] von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Die Teilnehmer konnten aber auch einzelne Probleme als nicht erledigt betrachten oder sich der Stimme enthalten. Nach Updegroves Liste, die bisher die einzige publizierte Aufstellung des Abstimmungsverhaltens darstellt, haben vier P-Members die zu behandelnden Fragen generell als noch nicht erledigt betrachtet.

Microsoft-Experte Jason Matusow weist Updegroves Kritik scharf zurück und weist in einem Blog-Posting vom Sonntag darauf hin, dass am Ende doch 98 Prozent der Probleme über die Abstimmung im BRM hätten erledigt werden können. Auch Alex Brown wandte sich in einem Kommentar in Updegroves Blog gegen dessen Kritik, ohne jedoch die Punkte einzeln aufzugreifen - die BRM-Teilnehmer sind durch die ISO-Regulatorien in ihrer Redefreiheit eingeschränkt.

Ecma zufrieden

Auch die Standardisierungsorganisation Ecma, die OOXML als Ecma 376 standardisierte und bei der ISO einbrachte, zeigte sich in einer Aussendung vom Montag mit dem BRM zufrieden. Ecma-Generalsekretär Istvan Sebestyen bezeichnete darin das Treffen als "sehr konstruktiv und kooperativ", der verbesserte Standard Ecma 376 sei nun "würdig, von den nationalen Mitgliedsorganisationen der ISO/IEC angenommen zu werden".

Robertson: "Zeit genug"

In einer Telefonkonferenz am Montag sagte auch Tom Robertson, Microsofts General Manager of Standards and Interoperability, dass seiner Ansicht nach "die überwältigende Mehrheit" der BRM-Teilnehmer keine Probleme mehr mit der ISO-Standardisierung von OOXML sehe.

Auf den knappen Zeitrahmen für die Abstimmung angesprochen sagte Robertson, dass die Standardisierungsorganisation Ecma, die OOXML bei der ISO eingereicht hat, in ständigem Austausch mit den interessierten nationalen Standardisierungsorganisationen gestanden habe. Der auf dem BRM diskutierte Stand sei bereits am 14. Jänner von der Ecma vollständig im Web publiziert worden. Robertson: "Die meisten nationalen Organisationen haben schon im Vorfeld signalisiert, dass sie mit vielen der von Ecma vorgenommenen Lösungsvorschläge einverstanden gewesen sind. Die Standardisierer hatten Monate Zeit, um sich auf das Treffen vorzubereiten."

Robertson sieht die Entscheidung über die ISO-Standardisierung nun in den Händen der nationalen Organisationen, die bis zum 29. März nach Genf rückmelden müssen, ob sie die von ihnen vorgebrachten Kommentare als erledigt betrachten oder nicht. "Wenn OOXML von der ISO/IEC ratifiziert wird, dann befindet sich der Standard in den Händen der Weltgemeinschaft. Er wird sich mit den Jahren natürlich ändern, aber es ist gut, wenn die internationale Gemeinschaft ihn in ihrem Besitz hat", sagte Robertson.

Microsoft Österreich hoffnungsvoll

"Das Format freizugeben war für uns nicht selbstverständlich", sagt Gerhard Göschl, Plattform-Strategie-Manager und Sicherheitssprecher bei Microsoft Österreich und erinnert daran, dass sich vor den Standardisierungsbemühungen viele darüber beschwert hätten, dass die Office-Dateiformate proprietär waren. "Es ist aber ein starker Wunsch unserer Kunden, dass es ein ISO-Standard wird", so Göschl, "Jetzt kann jeder diesen Standard implementieren. So gibt es bereits über 300 Anwendungen auf verschiedenen Plattformen wie zum Beispiel die Programme Open Office, Zoho Writer oder NeoOffice."

Auch er lässt den Vorwurf der ODF-Fraktion nicht gelten, dass die BRM-Teilnehmer zu wenig Zeit gehabt hätten, alle Kommentare zu bearbeiten. "Microsoft hat den Kern des Standards, der rund 2.000 Seiten umfasste, vor rund drei Jahren der Ecma zur Standardisierung übergeben. Auch andere Firmen und Institutionen wie Apple, Novell, Toshiba und die British Library haben in diesem Gremium aktiv mitgearbeitet. Am Ende hatte der gemeinsam in dieser Gruppe erarbeitete Standard 6.000 Seiten und ist von der Ecma an die ISO übergeben worden. Aus meiner Sicht sind die wirklich schwerwiegenden Probleme bereits im Vorfeld und auf dem BRM selbst besprochen worden. Seit Sommer 2006 liegt der Standard zudem der ISO/IEC-Arbeitsgruppe SC34 vor. Seitdem kann jeder daran mitarbeiten, der interessiert ist."

Weitere Unterstützung für OOXML

Auf die Frage, ob sich Microsoft auch dann weiter um eine ISO-Standardisierung des Formats bemühen werde, wenn es im Fast-Track-Verfahren scheitern würde, sagte Göschl, dass schon sehr viel Arbeit in OOXML geflossen sei und Microsoft nach wie vor für die internationale Standardisierung des Formats arbeiten werde.

Göschl räumt ein, dass die ISO-Zertifizierung auf dem Markt als Leistungsmerkmal immer wichtiger werde: "Die elektronischen Dokumente sind ein Lebensnerv für moderne Gesellschaften. Immer mehr Dokumente sind nur noch in elektronischer Form vorhanden. Die IT-Verantwortlichen fragen sich daher, ob ein Dateiformat auch noch nach 20 oder 100 Jahren im Archiv lesbar sein wird. Immer mehr Regierungen führen daher Verpflichtungen ein, nach denen die in der Verwaltung eingesetzte Software ihre Daten in ISO-zertifizierten offenen Standardformaten abspeichern muss. Dieser Trend wird natürlich derzeit auch von unseren Mitbewerbern gefördert und gleichzeitig die Standardisierung von Office Open XML hintertrieben."

Dass es bei einer erfolgreichen Zertifizierung von OOXML als ISO/IEC 29500 zwei XML-basierte Office-Dateiformate gäbe, bezeichnet Göschl als normal: "Wenn es reichen würde, einen Standard zu haben, dann wären wir bei RTF stehengeblieben. Es ist selbstverständlich, konkurrierende Standards zu haben und den Markt entscheiden zu lassen."