Die "Browser Wars" 2.0

10.03.2008

Vor den mit Spannung erwarteten neuen Versionen von Internet Explorer und Mozilla Firefox sind die Marktanteile des alternativen Browsers in Europa auf 28 Prozent gestiegen. In Österreich und Deutschland stehen sie bei 31 bzw. 34 Prozent, an der Spitze liegt Finnland [45], in England sind es hingegen nur 17 Prozent.

Nach Jahren verhältnismäßiger Ruhe an der "Browser-Front" ist plötzlich wieder Dynamik in die Entwicklung eingekehrt. Von 2001 an hatte Microsofts Internet Explorer als singuläre Supermacht das Web fest im Griff.

Der Aufstieg des neuen Konkurrenten aus der Asche des Netscape-Projekts vollzog sich bis jetzt viel unspektulärer, als es die Aktionen im ersten "Browser-Krieg" gewesen waren.

Die Marktanteile des alternativen Browsers Mozilla Firefox kletterten nicht sprunghaft, sondern langsam, aber stetig und das vor allem in Europa.

Die Zahlen für Europa

Während die meisten Webstatistiken im Februar zwischen 16 und 18 Prozent "Weltmarktpenetration" für den Firefox ausweisen, ist der europäische Anteil deutlich höher.

Die Marktforscher von XiTi-Monitor stellten nicht nur deutliche Zuwächse in praktisch allen europäischen Staaten fest, sondern auch weitaus höhere Marktanteile von durchschnittlich 28 Prozent.

Mit 31 bzw. 34 liegen Österreich und Deutschland darüber, die Spitzenreiter aber sind Finnland [45], Slowenien [45], Polen [42], die Slowakei [41] und Ungarn [40]. EU-Schlusslichter sind Großbritannien mit 17 Prozent sowie die Niederlande [15].

Microsofts Problem

Parallel zum Aufstieg des Herausforderers sind Microsofts Marktanteile vom Spitzenwert 2004 [95 Prozent] auf mittlerweile 75 Prozent erodiert.

Das eigentliche Problem dabei ist, dass 30 Prozent der Benutzer immer noch mit dem sieben Jahre alten IE 6.0 unterwegs sind.

Großauftrieb am Donnerstag

Auf der "MIX 08"-Konferenz für Web-Entwicklung, die am Freitag zu Ende ging, war Microsoft mit einem Staraufgebot angerückt, um eine Entwicklerversion des neuen Internet Explorer 8 zu präsentieren.

Von CEO Steve Ballmer über den obersten Software-Architekten Ray Ozzie und Dean Hachamovitch, den Generalmanager der IE-Abteilung, pries man die Fortschritte der neuen Version.

Den Web-Designern, die seit zehn Jahren damit kämpfen, dass ein und dieselbe Website via Netscape und dann Firefox stets anders aussieht als mit dem Microsoft-Produkt, wurde mehr und bessere Kompatibilität versprochen.

Über die Eiligkeit

Warum man es vonseiten Microsofts plötzlich so eilig hatte, eine neue Version auf den Markt zu bringen, erklären nicht nur die Anteilserosionen.

Die neuen Betas des Firefox 3.0 zeigen - was den Umgang mit der im Web weitverbreiteten Skriptsprache Javascript betrifft - eine enorme Steigerung der Performance.

In allen "Sunspider Java Script Benchmark"-Tests, die über den Besuch auf der Website für jeden User selbst "mit einem Mausklick" nachzuvollziehen sind, schnitten der Firefox und auch Apples Safari um Längen besser ab als der derzeit aktuelle IE 7.0.

"Browser-Krieg" 1.0

Der Mitte der 90er Jahre dominante Netscape Navigator, der später in Communicator umbenannt wurde, war aus einer ganzen Reihe von Konkurrenten des frühen WWW im Jahre 1995 als Sieger hervorgegangen.

Der Netscape-Marktanteil betrug über 80 Prozent, als Microsoft die Version 1.0 des Internet Explorer auf den Markt brachte.

Das Match der ungleichen Konkurrenten - der monatliche Gesamtumsatz der Netscape Corporation lag stets unter den Kapitalerträgen aus der Bargeldreserve Microsofts - endete für das Start-up-Unternehmen letal.

Die Strategie

Microsoft hatte die Marktdominanz seines Betriebssystems [um die 90 Prozent] nicht nur benutzt, um seinen Browser zu verbreiten.

Der wurde zudem in das Betriebssystem integriert und startete damit blitzartig, während der Netscape-Browser immer träger lief. Dazu kamen glatte Fehlentscheidungen der Netscape-Führung, und mit den Marktanteilen ging es rapide bergab.

Kompatibilität: Ja, aber

Die Web-Designer aber hatten eine schwere Zeit, denn Bill Gates' Firma hatte die Standards des WWW-Consortiums auf ihre Weise so interpretiert, dass für jede Website gewissermaßen eine zweite Version erstellt werden musste.

Beliebtestes Argument vonseiten Microsofts war, dass man ja kompatibel bleiben müsse - mit früheren Versionen des Internet Explorer, war gemeint.

Pulverisiert

Auch die Entscheidung Netscapes, den Quellcode seines Communicator 5.0 Anfang 1998 zum Zwecke schnellerer Entwicklung freizugeben, kam viel zu spät und änderte nichts mehr an der Entscheidung.

Ende 1998 war bereits klar, dass Microsoft den ersten "Browser-War" gewonnen hatte, drei Jahre später hatte Microsoft den Netscape-Anteil pulverisiert.

Die neue Situation

Darüber, wie die "Browser Wars" 2.0 ausgehen könnten, lässt sich zwar überhaupt nichts Sicheres sagten, fest steht jedoch, dass es diesmal für Microsoft nicht so leicht sein wird, die Konkurrenz vom Markt zu drängen.

Dem Software-Riesen steht nunmehr nämlich nicht ein vergleichsweise winziges Start-up mit dementsprechend beschränkten Mitteln gegenüber.

Der neue Gegner

Der neue Gegner ist eine professionell geführte Stiftung, die nicht nur Geld von Microsofts neuem Hauptrivalen Google erhält, sondern auch über eine große Gemeinde von Open-Source-Entwicklern verfügt.

Wie die mittlerweile milliardenschweren Bußgelder, die Microsoft von der EU-Kommission wegen Missbrauchs der Marktposition auferlegt wurden, zeigen, wird es für Ballmer und Co wenigstens in Europa gar nicht einfach werden, die erfolgreiche Strategie von "Browser-Krieg" 1.0 zu wiederholen.

Bußgelder und Skepsis

Erst Ende Februar war Microsoft zu einer Zahlung von 899 Millionen Euro verdonnert worden, weil Konkurrenten unangemessen hohe Lizenzgebühren für technische Informationen verrechnet worden waren.

Die vor dem Urteil erfolgte Ankündigung Microsofts, seine Schnittstellen öffentlich zu machen, wurde in der Branche zurückhaltend bis skeptisch aufgenommen

Untotes Überleben

Am 1. März 2008 wurden Support und Entwicklung des längst untoten Netscape Communicator eingestellt, auch wenn davor noch einige Versionen erschienen waren.

Der Code aber lebte da längst schon weiter und woanders: als Basis des Mozilla Firefox.

(futurezone | Erich Moechel)