D: Gericht hebt Kennzeichenerfassung auf
Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat die automatisierte Kennzeichenerfassung per Videokamera in den deutschen Bundesländern Hessen und Schleswig-Holstein für nichtig erklärt. Die Massenkontrolle von Autokennzeichen verletzt nach Ansicht der Richter den Datenschutz.
Die Gesetze in den beiden deutschen Bundesländern sind den Verfassungsrichtern in Karlsruhe zu unbestimmt. Es sei nicht geregelt, aus welchen Anlässen die Polizei per Videokamera Autokennzeichen mit den Fahndungsdaten abgleichen dürfe.
Außerdem bleibe offen, zu welchem Zweck die Daten verwendet werden dürfen. Das verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Nur mit klaren gesetzlichen Grenzen
Eine automatisierte Massenkontrolle von Autokennzeichen per Videokamera sei nur mit klaren gesetzlichen Grenzen zulässig, urteilten die Richter.
Für die automatisierte Erfassung von Autokennzeichen werden Nummernschilder fotografiert und mit einer Software in einem Kennzeichen-Lesegerät verarbeitet. Die Autonummer wird noch im Lesegerät mit den Fahndungsdateien der Polizei abgeglichen und umgehend wieder gelöscht, falls kein Treffer vorliegt.
Hessen stoppt Erfassung
Hessens Innenminister Volker Bouffier [CDU] stoppte nach dem ablehnenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts den Einsatz von Kennzeichen-Lesegeräten am Dienstag. Er bedauerte: "Diese Entscheidung erschwert die Bekämpfung der Kriminalität."
Die Verfassungsrichter hätten allerdings den grundsätzlichen Einsatz der Geräte nicht ausgeschlossen. Daher müsse geprüft werden, ob und unter welchen Voraussetzungen sie zum Zweck der Gefahrenabwehr eingesetzt werden könnten.
Bouffier wertete den Einsatz der Kennzeichen-Lesegeräte als Erfolg. Die insgesamt neun Geräte der Polizei waren von März 2007 bis Dezember 2007 rund 700 Mal im Einsatz.
Autofahrer klagten
Der Erste Senat gab mit seinem Urteil drei Autofahrern recht, die durch den elektronischen Abgleich ihrer Nummernschilder ihr Grundrecht auf "informationelle Selbstbestimmung" verletzt sahen.
Der elektronische Abgleich der Nummernschilder mit Fahndungsdatenbanken, der in insgesamt acht Bundesländern zulässig ist, ermögliche eine "lückenlose Kontrolle" und betreffe die gesamte Bevölkerung, argumentierte ihr Anwalt in der Anhörung im November.
Beschwerdeführer begrüßen Urteil
Die Beschwerdeführer begrüßten das Urteil und fordern auch von den nicht unmittelbar betroffenen Bundesländern [Bayern, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz] die Abschaffung ihrer entsprechenden, zu weit gehenden Ermächtigungen.
Das Urteil bedeute auch das endgültige Aus für Pläne, auf Flughäfen und Bahnhöfen beliebige Menschen unter Verwendung biometrischer oder anderer Verfahren mit Fahndungsdateien abzugleichen oder zu orten, hieß es in einer Mitteilung der Beschwerdeführer.
Auch in Österreich kommt seit mehr als einem Jahr ein ähnliches System zum Einsatz.
(futurezone | dpa)