Front gegen die "Überwachungslawine"
Am Donnerstag haben die Interessenverbände der heimischen Internet-Wirtschaft gemeinsam Stellung zu Überwachungsmaßnahmen wie der Vorratsdatenspeicherung, der Novelle des Sicherheitspolizeigesetzes und der Online-Durchsuchung bezogen und einen Stopp der "Überwachungslawine" gefordert.
"Letztes Jahr ist eine Überwachungslawine über uns hereingebrochen", sagte ISPA-Generalsekretär Kurt Einzinger bei der ersten gemeinsamen Pressekonferenz des Verbands der heimischen Internet-Provider und der Bundessparte Information und Consulting der Wirtschaftskammer [WKÖ-BCIS] einleitend.
Den Interessenverbänden sei die Sicherheit im Internet, dem größten öffentlichen Raum, ein wichtiges Anliegen, sagte ISPA-Präsident Roland Türke. Bei der geplanten Erweiterung der Überwachungsmaßnahmen gebe es aber noch zu viele Unklarheiten.
Aus diesem Grund habe die ISPA etwa die Uni Wien mit einer Studie zur technischen Machbarkeit der Vorratsdatenspeicherung beauftragt. "Die Effizienz ist aus technischer Sicht viel zu gering, dass das den Eingriff in die Grundrechte rechtfertigen würde", sagte Studienautor Wilfried Gansterer vom Institut für Verteilte und Multimedia-Systeme an der Uni Wien.
Keine Umsetzung 2008
Die Ergebnisse zeigen vor allem bezüglich der Speicherung von E-Mail-Verkehrsdaten, dass diese Maßnahme wenig effizient ist. Mittels simpler Verschlüsselungstechnik oder Webmail ist es für Anwender relativ einfach möglich, weiterhin unbemerkt via E-Mail zu kommunizieren.
Darüber hinaus würden aufgrund des hohen Spam-Aufkommens [bis zu 90 Prozent] gerade in diesem Bereich hauptsächlich irrelevante Daten gespeichert.
Die Verbände befürworten die derzeit zurückhaltende Position des Verkehrs- und Justizministeriums. Erst müssten die offenen Fragen geklärt werden. Laut Türke gebe es auch in der EU Stimmen, die eine Änderung der Richtlinie befürworten. Laut Türkes Einschätzung werde die Vorratsdatenspeicherung in Österreich 2008 nicht mehr kommen, 2009 eventuell in einer geänderten Version.
Die Kostenfrage
Vorsichtig geschätzt werden laut der Studie bei einem Internet-Provider mit 500.000 Kunden Kosten in der Höhe von einer Million Euro im ersten Jahr und etwa die Hälfte für die weiteren Folgejahre fällig. Noch ist ungeklärt, wer diese Kosten tragen muss.
"Novelle für SPG-Novelle" gefordert
Bereits in Kraft ist jedoch das neue Sicherheitspolizeigesetz [SPG], das die Sicherheitsbehörden ermächtigt, "wenn bestimmte Tatsachen die Annahme einer konkreten Gefahrensituation rechtfertigen", Auskünfte zu Namen, Anschrift und Teilnehmernummer eines bestimmten Anschlusses, IP-Adresse zu einer bestimmten Nachricht plus Übermittlungszeitraum sowie den Namen und Anschrift hinter dieser IP-Adresse beim Provider einzuholen.
Hans-Jürgen Pollirer, Obmann der WKÖ-BSIC [Bundessparte Information und Consulting], sagte, dass nun auf jeden Fall mit einem Anstieg der entsprechenden Anfragen zu rechnen sei. Die Kontrolle durch einen Rechtsschutzbeauftragten sei zu wenig: "Der Rechtsschutzbeauftragte ist kein Richter und hat auch keine Sanktionsmöglichkeiten", so Pollirer. Dringend gefordert werde deshalb ein Kostenersatz, damit der Mehraufwand im Endeffekt nicht am Kunden hängen bleibe.
Das Gesetz beinhalte einige Grauzonen, die es zu klären gelte. "Wir fordern eine Novelle zur Novelle, die einen Ausgleich des öffentlichen Sicherheitsbedürfnisses zur Privatsphäre herstellt", so Pollirer.
Kritik wurde auch an dem Erlass des Innenministeriums geübt, der den Providern nicht vorgelegt wurde.
Nein zur Online-Durchsuchung
Die mögliche Einführung der Online-Durchsuchung, die derzeit in Österreich diskutiert wird, lehnen ISPA und WKÖ-BSIC ab, weil die Verhältnismäßigkeit nicht gegeben sei. Der "Bundestrojaner" sei gleichzusetzen mit dem Großen Lauschangriff, technisch sehr schwierig umzusetzen und mit hohem Aufwand verbunden. Zudem konterkariere er Sicherheitstechnologien, gab ISPA-Vorstandsmitglied Wolfgang Schwabl zu bedenken.
Abschließend fasste Türke zusammen, dass es gerade in dieser komplexen Materie klare Regeln brauche und keine vorschnelle Umsetzung erfolgen dürfe.
(futurezone | Nayla Haddad)