Erste Verfassungsklagen gegen SPG

13.03.2008

Mit Beschwerden vor dem Verfassungsgerichtshof wollen die Grünen, T-Mobile, Silver Server und Freewave das Sicherheitspolizeigesetz [SPG] zu Fall bringen. Das Gesetz verstoße unter anderem gegen das verfassungsrechtlich garantierte Fernmeldegeheimnis. Eine Entscheidung wird frühestens im Herbst erwartet.

Mit jeweils einem Individualantrag gegen das SPG wandten sich Marie Ringler, Wiener Landtagsabgeordnete der Grünen, der Internet-Provider Silver Server, der Mobilfunker T-Mobile und der Gratis-WLAN-Hotspot-Betreiber Freewave an den Verfassungsgerichtshof [VfGH].

Entscheidung frühestens im Herbst

Der VfGH bestätigte das Einlangen der Beschwerden. Es werde nun ein Vorverfahren eingeleitet. Eine Entscheidung sei frühestens im Herbst zu erwarten.

Laut Grüne sind noch weitere Beschwerden in Vorbereitung. Darüber hinaus will der grüne Sicherheitssprecher Peter Pilz SPÖ und FPÖ dazu einladen, die Novelle gemeinsam mit den Stimmen der Grünen zurückzunehmen.

Unterstützung bei Beschwerdeeinbringung

Die Grünen rufen zudem von Missbrauch Betroffene auf, sich bei den Grünen zu melden, um bei einer Beschwerde beim VfGH zu helfen.

Individualbeschwerde als letztes Mittel

Eine Individualbeschwerde ist die letzte Möglichkeit für Bürger, Gesetze darauf prüfen zu lassen, ob sie verfassungskonform sind.

Sollte der VfGH den Antragsteller als nicht legitimiert zur Einreichung einer Beschwerde befinden, bleibt nur noch der Weg vor den Europäische Gerichtshof für Menschenrechte.

Datenherausgabe ohne Richter

Das Sicherheitspolizeigesetz, das am 6. Dezember 2007 ohne öffentliche Diskussion im Nationalrat mit den Stimmen der Regierungskoalition verabschiedet wurde, erlaubt es der Polizei, ohne richterlichen Beschluss bei "Gefahr im Verzug" Handy-Standortdaten und Daten zu Nutzern von IP-Adressen von den Providern zu verlangen.

Mehr als 24.000 Bürger haben eine Petition der "Initiative für den Schutz vor dem Überwachungsstaat", die unter anderem von der Österreichischen Richtervereinigung und mehreren Hochschullehrern getragen wird, unterzeichnet, die sich gegen das SPG richtet.

Geheimhaltung vs. Auskunftspflicht

Der vertraglichen und gesetzlichen Pflicht, Kommunikationsdaten von Kunden geheim zu halten, stehe nun die ebenfalls gesetzliche Pflicht gegenüber, Auskünfte zu Kundendaten ohne Vorliegen eines richterlichen Befehls unverzüglich und kostenlos zu erteilen, so Silver Server.

Das bedingt, dass die rechtliche Begründung im Einzelfall seitens eines Providers zu prüfen wäre, um Haftungen und Schadenersatzverpflichtungen zu vermeiden.

Verstoß gegen das Fernmeldegeheimnis?

Konkret gehe es darum, dass der Artikel 53 3a SPG gegen das im Artikel 10a des Staatsgrundgesetzes garantierte Fernmeldegeheimnis verstoße, das einen Eingriff in dieses Geheimnis nur mit richterlicher Genehmigung erlaube, erläutern die Grünen ihre Beschwerde.

Im Artikel 53 3a SPG ist seit besagter Novellierung festgelegt, dass die Sicherheitsbehörden bei Gefahr im Verzug ohne Richtervorbehalt IP-Adressen und Handy-Standortdaten bei den Providern abfragen dürfen.

Verletzung des Grundrechts auf Datenschutz

Widersprüchlich ist nach Auffassung von Silver Server auch die neue Bestimmung, die "Internet-Protokolladresse zu einer bestimmten Nachricht und den Zeitpunkt der Übermittlung" mitzuteilen. Im Telekommunikationsgesetz [TKG] sind solche Daten als Verkehrsdaten definiert. Anders als im neuen SPG vorgesehen, dürfen Verkehrsdaten jedoch lediglich für verrechnungstechnische Zwecke gespeichert werden.

Vorgriff auf Vorratsdatenspeicherung

Ein Provider müsste also Daten preisgeben, die er im Sinne des gültigen TKG "grundsätzlich nach Beendigung der Verbindung unverzüglich zu löschen oder zu anonymisieren" hat, soweit sie nicht zur Entgeltverrechnung benötigt werden". Silver Server sieht hier einen Vorgriff auf die bisher nur im Raum stehende Vorratsdatenspeicherung.

Auch die Grünen sehen in der Speicherung der IP-Adressen bei Flatrate-Tarifen einen Verstoß gegen die Datenschutzbestimmungen im Telekommunikationsgesetz 2003 [TKG]. Damit sei die Beauskunftung nach dem SPG gesetzeswidrig, so die Grünen.

Weiters sehen die Grünen eine Verletzung des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienleben. Denn die Europäische Menschenrechtskonvention erlaube nur unter bestimmten Bedingungen den Eingriff in das "Recht auf Privatleben" und müsse "verhältnismäßig" sein - das sei aber durch das SPG nicht gewährleistet.

Wer darf Auskunft fordern?

Auch LIF-Bundessprecher Alexander Zach hat gemeinsam mit Hannes Tretter vom Boltzmann-Institut für Menschenrechte einen Invidualantrag an den VfGH gegen das SPG angekündigt.

Zach kritisiert insbesondere, dass bis dato nicht öffentlich bekannt ist, welche Behörden ein Ansuchen auf Auskunft nach dem neuen SPG an die Internet- und Telefoniebetreiber überhaupt stellen dürfen. Angeblich existiere bereits ein diesbezüglicher nicht veröffentlichter Erlass des Innenministeriums, der das regle.

"Es ist ungeheuerlich, dass nicht einmal die betroffenen Provider diesen 'Überwachungserlass' zur Gesicht bekommen." Zach will daher nun mittels parlamentarischer Anfrage die Herausgabe des "Überwachungserlasses" von Innenminister Günther Platter [ÖVP] erzwingen.

ISPA und WKÖ fordern Novelle

Auch die Interessenverbände der heimischen Internet-Wirtschaft bezogen am Donnerstag gemeinsam Stellung zu Überwachungsmaßnahmen wie der Vorratsdatenspeicherung, der Novelle des Sicherheitspolizeigesetzes und der Online-Durchsuchung und forderten einen Stopp der "Überwachungslawine".

Bei der geplanten Erweiterung der Überwachungsmaßnahmen gebe es noch zu viele Unklarheiten. Das Anfang des Jahres novellierte SPG beinhalte einige Grauzonen, die es zu klären gelte.

"Wir fordern eine Novelle zur Novelle, die einen Ausgleich des öffentlichen Sicherheitsbedürfnisses zur Privatsphäre herstellt", so Hans-Jürgen Pollirer, Obmann der WKÖ-BSIC [Bundessparte Information und Consulting].