Regelwerk für bloggende Beamte
Eine britische Ministerialbeamtin hat mit der Veröffentlichung von Indiskretionen aus dem Verwaltungsapparat in ihrem Weblog für Aufregung gesorgt. Nun soll ein Verhaltenskodex die Aktivitäten von britischen Beamten in Weblogs regeln.
Die britische Verwaltung sei inkompetent, chaotisch und ineffizient. Ankündigungen des britischen Finanzministers Alistair Darling seien nur auf "billige Schlagzeilen" aus, als wegweisend angepriesene Gesetzesvorhaben seien lediglich eine Neubearbeitung abgestandener Regierungspläne.
Mit solchen Innenansichten aus der britischen Verwaltung wartete seit November 2007 das Weblog Civil Serf auf. Anfang vergangener Woche verschwand das Internet-Tagebuch einer 33-jährigen Ministerialbeamtin mittleren Ranges, die unter dem Decknamen Civil Serf auftrat, kommentarlos aus dem Netz.
Kurz darauf kündigte Gus O'Donnell, der Kabinettschef des britischen Premierministers, einen Verhaltenskodex für britische Beamte im Umgang mit Weblogs und Social-Networking-Sites wie MySpace, Facebook & Co. an. Einen Zusammenhang mit dem Verschwinden des Weblogs wies O'Donnell zurück.
Zuvor hatten die britischen Tageszeitungen "Times" und "Daily Mail" über das Weblog berichtet. Medien und Blogger vermuteten, dass die Weblog-Autorin enttarnt wurde. Auch über ein Entlassung der Bloggerin aus dem Staatsdienst wurde spekuliert. Bestätigt wurden die Spekulationen bisher jedoch nicht.
Regeln in Ausarbeitung
Die Richtlinien seien bereits seit längerem geplant, sagte der Kabinettschef. Nach Berichten britischer Medien soll der Kodex Regeln beinhalten, die festlegen, ob und in welcher Form britische Beamte Weblogs führen oder Social-Networking-Sites aktiv werden dürfen.
Der detaillierte Verhaltenskodex werde derzeit erarbeitet und solle im Lauf des Jahres veröffentlicht werden, hieß es aus dem britischen Kabinett.
"Sei nett"
Der E-Government-Beauftragte der britischen Regierung, Tom Watson, der seit 2003 selbst als Blogger aktiv ist, stellte in seinem Weblog bereits erste Vorschläge zu einem solchen Verhaltenskodex zur Diskussion.
Er sprach sich dafür aus, dass bloggende Beamte unter ihrem eigenen Namen auftreten und über die Konsequenzen ihrer Veröffentlichungen nachdenken sollten.
Watsons Aufforderung an die Beamten, "nette" Weblog-Einträge zu verfassen ["Be nice"], sorgte sogleich für Missverständnisse und Unmut.
In Medienberichten war davon die Rede, dass sich britische Staatsdiener künftig nur dann im Internet zu Wort melden dürften, wenn sie "nett" über den Staatsapparat berichten. Watson tat dies in einem Update als Unsinn ab.
"Verhaltensregeln verletzt"
In britischen Weblogs waren die Reaktionen auf das Verschwinden des Civil-Serf-Blogs und die Ankündigung von Verhaltensregeln für bloggende Beamten geteilt.
Jeremy Gould, der den Welbog Whitehall Webby schreibt und selbst Regierungsbeamter ist, meinte, die Civil-Serf-Bloggerin sei mit ihren Ausführungen zu weit gegangen und habe mit ihren Indisrektionen gegen allgemeine Verhaltensregeln für Beamte verstoßen.
"Blogs zur Diskussion mit Bürgern nutzen"
Der Politikberater Simon Dickson, der sich die Adresse des verschwundenen Weblogs gesichert hatte, verwies in einem TV-Interview mit der BBC darauf, dass es viele Beamte gebe, die sich über Weblogs mit den Bürgern austauschen wollen, jedoch nicht wüssten, ob und in welcher Form das erlaubt sei.
Der Verwaltungsapparat könnte sich Blogs wie Civil Serf zunutze machen, um Bürgern zu kommunzieren und Probleme in der Verwaltung zu diskutieren, meinte der britische Blogger Simon McManus, der sich sich über das Verschwinden des Weblogs enttäuscht zeigte.
Material für "Yes Minister"
Die britische PR-Expertin und Weblog-Autorin Ellee Seymor forderte, dass Beamten nicht das Recht genommen werden sollte, sich in der Öffentlichkeit kritisch mit ihrem Arbeitsumfeld zu befassen.
Sie verspricht sich von bloggenden Staatsdienern auch Material für neue Folgen der britischen TV-Serie "Yes Minister".
Keine speziellen Richtlinien in Österreich
In Österreich sind Beamten-Weblogs wie Civil Serf [noch?] kein Thema. Das dienstliche und außerdienstliche Verhalten von öffentlichen Bediensteten und Regelungen zur Amtsverschwiegenheit werden hierzulande im Beamten-Dienstrechtsgesetz [BDG 1979] und im Vertragsbedienstetengesetz [VBG 1948] geregelt, sagte Susanna Enk, Sprecherin des für die Bundesbediensteten zuständigen Ministeriums für Frauen, Medien und Öffentlichen Dienst zu ORF.at.
Darüber hinaus befinde sich derzeit ein allgemeiner Verhaltenskodex für öffentliche Bedienste in Ausarbeitung. Speziell auf Weblogs und Social-Networking-Sites zugeschnittene Verhaltensrichtlinien für Bundesbedienstete seien darin aber nicht geplant.
Vorratsdatenspeicherung, Druck auf Insider, Bloggen aus dem Innenausschuss - digitale Medien und Kontrollsysteme lassen auch hierzulande die Zonen der Halböffentlichkeit schrumpfen, in denen Politiker bisher noch recht ungestört manövrieren konnten. Ist das gut?
(futurezone | Patrick Dax)