Österreich: Abstieg in der Breitbandliga
Am Montag hat die Aktie der Telekom Austria [TA] ihren Absturz fortgesetzt, alternative DSL-Anbieter befürchten, aus dem Markt gedrängt zu werden. Österreich liegt EU-weit beim Breitbandwachstum aktuell auf Rang 21 von 25, und das Symbol für die "Internet-Offensive" der Regierung ist ein USB-Stick.
Heute endet die Frist für die öffentliche Konsultation der Regulationsbehörde RTR, was den "Vorleistungsmarkt für den breitbandigen Zugang" betrifft. Hinter diesem nicht eben reißerisch anmutenden Titel aber steht ein Thema von erheblicher Tragweite und Brisanz.
Der Entwurf des Regulators sieht nämlich vor, die für die Telekom Austria bestehende Regulierung in Teilen aufzuheben, weil das Unternehmen unter "Wettbewerbsdruck von anderen Betreiben vor allem in Ballungsräumen" stehe.
"Rücken zur Wand"
Probleme mit der TA bei Herstellung von Breitbandanschlüssen für Wiederverkäufer gebe es so schon genug, sagte Jan Engelberger, Geschäftsführer des Verbands der alternativen Telekombetreiber [VAT] zu ORF.at.
Komme diese Regelung in der vorhergesehenen Form, dann wäre die Telekom Austria in Ballungsräumen nicht mehr verpflichtet, überhaupt ein Angebot an jene Provider zu legen, die Leitungen mieten wollen: "Vor allem die kleineren Provider stehen mit dem Rücken zur Wand."
Die EU-Kommission
"Wir sind der Ansicht, dass der Entwurf massiv den Entscheidungen der EU-Kommission widerspricht", so Engelberger, und die habe in Telekom-Regulationsfragen nicht nur ein Wort mitzureden, sondern sogar ein Vetorecht.
Die Frist für "internationale Kommentare" - damit ist in erster Linie die EU-Kommission gemeint - zur Breitband-Konsultation der RTR läuft nämlich noch bis 26. März.
"Zurück zum Monopol"
Wie vergleichbare Fälle der jüngeren Vergangenheit zeigen, ist die Kommission stets eingeschritten, wenn eine nationale Regulationsbehörde den jeweiligen Ex-Monopolisten, in der Telekom-Fachsprache "Incumbent", offensichtlich begünstigt hatte.
"In keinem anderen europäischen Land ist so eine Entwicklung zurück zum Monopol zu verzeichnen", sagte Kurt Einzinger, Generalsekretär der österreichischen Internet-Provider [ISPA] und Präsident des europäischen Dachverbands.
Die Ausgliederung
Vergleiche mit der Situation in Großbritannien, wo die Regulationsbehörde ihre Auflagen an die British Telecom [BT] in bestimmten Gebieten aufgehoben habe, seien schon deswegen absurd, weil dort die Infrastruktur vom Servicebereich getrennt sei.
Die British Telecom hatte auf Druck des Regulators Ofcom ihre Festnetzsparte ausgliedern müssen, für einen Teil des Telekom- und Breitbandmarktes wurden hierauf gewisse Beschränkungen für die BT in Ballungsräumen mit funktionierendem Wettbewerb aufgehoben.
"Meilenweit entfernt"
Erst Ende Jänner 2008 hatte die Ofcom einem weiteren Vorstoß der BT zur Aufhebung der Regulierung abschlägigen Beschied erteilt. Man sehe die British Telecom auch weiterhin als marktbeherrschend an und werde daher nicht von der bestehenden Regulierung abgehen.
Wäre hierzulande die Infrastruktur ebenfalls ausgegliedert, dann könnte man schon deregulieren, meinte ISPA-Generalsekretär Einzinger. Aber davon sei man in Österreich "meilenweit entfernt".
Zwei Drittel des Markts
Die aktuelle Marktverteilung im Bereich Breitband unterstützt das Argument wachsenden Konkurrenzdrucks nämlich nicht. Die TA hat als einziges Breitbandunternehmen Kunden dazugewonnen.
Wie am Montag aus der Pressestelle der Telekom Austria zu erfahren war, hält man dort bei 750.700 Breitbandanschlüssen.
Dem stehen laut ISPA etwa 280.000 entbündelte Anschlüsse von allen anderen Anbietern gegenüber, womit die TA gut drei Viertel des Markts kontrolliert.
Diesseits von fünf Prozent
Die neueste Marktanalyse zeige, dass sich die Wettbewerbssituation im städtischen Bereich - also die oben zitierten Ballungsräume - überhaupt nicht zum Nachteil der TA geändert habe, sagte Oskar Obereder, Geschäftsführer des Breitbandanbieters Silverserver am Montag zu ORF.at.
Die TA habe in den letzten Jahren vielmehr ihre Marktdominanz festigen können, was vor allem kleinere Unternehmen hart getroffen habe. Von Etel über die Inode bis hin zur UTA sei in den vergangenen Jahren ein Provider nach dem anderen vom Markt verschwunden, von UPC abgesehen komme kein alternativer Anbieter über Marktanteile jenseits von fünf Prozent.
Weg aus dem Festnetz
Um die dramatischen Kundenverluste im Bereich Festnetztelefonie auszugleichen, fährt die TA einen harten Kunden-Akquisitionskurs.
Die von der RTR verhängten Auflagen, wie etwa anläßlich der Übernahme von Etel, sind dabei nur als vernachlässigenswert zu bezeichnen. Der nicht einmal vollständige Glasfaserring der Etel in Wien musste etwa abgestoßen werden, so die hauptsächliche Auflage.
Die TA verfügt in Wien seit Jahren über ein hervorragend ausgebautes Glasfasernetz, das laut TA-Website "von Prag bis Frankfurt, von München bis Mailand, von Ljubljana und Maribor bis nach Rumänien und Bulgarien" reicht.
Der Verfall der TA-Aktie
Ein Blick auf den aktuellen Börsenkurs der Telekom Austria genügt, um zu verstehen, warum es derzeit so hektisch auf dem österreichischen Breitbandmarkt zugeht.
Allein am Montag hat die Aktie der TA 3,5 Prozent an Wert eingebüßt, seit drei Wochen fällt das Papier nahezu im Tagesrhythmus. In diesem Zeitraum hat das Unternehmen bereits fast ein Viertel seines Werts verloren.
Das spielt sich freilich vor dem Hintergrund der Bankenkrise ab, die ein für Telekoms äußerst unfreundliches Börsenklima mit sich bringt. Quer durch Europa verfallen die Papiere anderer "Incumbents" ebenso.
Der Weg nach unten
Für die Republik insgesamt sieht die Bilanz in Sachen Breitband nicht weniger düster aus. Die letzten vorliegenden Zahlen [Ende drittes Quartal 2007] auf der ECTA Broadband Scorecard sagen, dass Österreich im Breitband-Ranking auf stetem Weg nach unten ist.
Im Bereich Breitbandzuwächse liegt die Republik auf Platz 21 von 25, in der Breitband-Durchdringungsrate ist Österreich mit 19,1 Prozent mittlerweile unter den EU-Schnitt [19,9] gerutscht.
Die TA sagt
Von der Telekom Austria erreichte uns dazu die folgenden Stellungnahme: "Die ECTA-Studie berücksichtigt nicht das in Österreich überdurchschnittlich hohe Wachstum mobiler Breitbandzugänge. Die Wettbewerbsintensität am österreichischen Breitbandmarkt ist vor allem durch das rasante Wachstum von mobilem Breitband und die starke Präsenz der Kabelbetreiber in den Ballungszentren außergewöhnlich hoch."
Die "Masterpläne"
Um dieser alarmierenden Entwicklung gegenzusteuern, hat die Bundesregierung jüngst ihre "Internet-Offensive Österreich" präsentiert.
Nach den beiden sogenannten IKT-Masterplänen [2005 und 2007] ist das nun schon dritte Regierungsinitiative zur Breitbandförderung. Dabei sind die Initiativen bisher wirkungslos geblieben.
Schulterschluss, Speicherstick
Die Vorstellung der neuen Breitbandoffensive durch Bundeskanzler Alfred Gusenbauer [SPÖ] und Vizekanzler Wilhelm Molterer [ÖVP] war wenig geeignet, Hoffnung zu verbreiten: Sechs Arbeitskreise sollen zu Diskussionszwecken eingerichtet werden, mit dem Ziel, bis Herbst eine "österreichische Internet-Deklaration" vorzustellen.
Dazu: Ein "nationaler Schulterschluss", um "in diesem Bereich Spitze zu werden" [Gusenbauer], aber keine konkreten Ziele, die in Zahlen ausgedrückt werden können - und kein Budget.
Vollends die Hoffnung fahren ließ so mancher Netzwerker, als die beiden Spitzenpolitiker der Republik das Symbol für die "Internet-Offensive" vor die Kameras hielten: Einen überdimensionalen USB-Speicherstick.
(futurezone | Erich Moechel)