P4P-Technologie beschleunigt BitTorrent
Immer mehr Internet-Anbieter drosseln oder sperren den P2P-Datenverkehr, in den USA hat Comcast mit seinen verdeckten Behinderungen gar eine Debatte über die Netzneutralität ausgelöst. Eine neue Technologie soll jetzt Provider mit den Tauschnetzwerken versöhnen.
Der US-Telekommunikationsriese Verizon und das P2P-Start-up Pando stellten Ende vergangener Woche eine neue Technologie vor, die den Austausch von Dateien per BitTorrent beschleunigen soll. Die P4P genannte Technologie verbindet dazu gezielt P2P-Nutzer des gleichen Netzanbieters miteinander. Dieser Ansatz verspricht Providern zudem eine Kostenersparnis von bis zu 50 Prozent.
Weltkarten für Tauschbörsen
P4P beruht auf einer Technologie, für die Wissenschaftler der Universität Yale mehrere Jahre lang P2P-Systeme wie BitTorrent und das VoIP-Netzwerk Skype analysiert haben.
Dabei identifizierten sie eine wesentliche Schwachsteller zahlreicher P2P-Plattformen: Die meisten Tauschbörsen wissen nicht, wo sich ihre Nutzer aufhalten und über welche Netzknotenpunkte sie miteinander verbunden sind. Deshalb kann es vorkommen, dass ein österreichischer BitTorrent-Nutzer Dateibruchstücke aus Moskau bezieht, obwohl jemand aus seiner Nachbarstadt die gleichen Daten zum Download anbietet.
P4P will dieses Problem nun lösen, indem es Provider für jeden einzelnen Download um Informationen zur Topologie ihrer Netzwerke bittet. Firmen wie Verizon stellen Tauschbörsenanbietern damit gewissermaßen ständig aktualisierte Weltkarten ihrer Netzwerke zur Verfügung, um den Datentausch zwischen netzwerkgeografischen Nachbarn zu priorisieren.
Bis zu 665 Prozent schnellere Downloads
Pando und Verizon testeten P4P in den vergangenen Wochen mit insgesamt einer Millionen Downloads eines von Pando produzierten Video-Podcasts. Bei diesem Feldtest zeigte sich, dass Nutzer mit langsamen P2P-Übertragungen zu 665 Prozent schnellere Downloads bekamen. Wer schon zuvor solide Übertragungsraten hatte, konnte immerhin noch einen Geschwindigkeitszuwachs von mindestens 209 Prozent verzeichnen.
Verizon beobachtete zudem, dass es für die P4P-Übertragungen nur noch halb so viele Daten mit anderen Providern austauschen musste wie für reguläre P2P-Downloads. Derartige Werte versprechen Netzanbietern deutliche Ersparnisse: Übertragungen im eigenen Netzwerk kosten Verizon kein Geld, Datentransfers über Provider-Grenzen hinweg dagegen schon.
Pando begann als Personal-P2P-Start-up. Der Download-Manager der Firma ermöglicht seinen Nutzern, Dateien per BitTorrent zu übertragen, die zu groß zum Verschicken per E-Mail sind. Mittlerweile konzentriert sich die Firma allerdings auf P2P-Dienstleistungen für kommerzielle Anbieter. So setzt der US-Fernsehsender NBC für die nächste Generation seines Video-Download-Dienstes auf Pandos P2P-Technologie.
Ein zweiter Tracker für BitTorrent
P4P soll als offenes System entwickelt werden, das von allen Netzanbietern und für alle P2P-Plattformen eingesetzt werden kann. Pandos CTO Laird Popkin erklärte dazu jetzt gegenüber ORF.at, dass sich die Technologie bisher jedoch am einfachsten für BitTorrent und ähnliche Systeme einsetzen lasse.
So setzt P4P auf einen eigenen Tracker-Server, der von Providern Informationen zur Topologie ihrer Netzwerke sammelt. Ein BitTorrent-Tracker kann dann in Kontakt mit diesem "iTracker" treten, um für jeden Dateien-Download optimale Datentransferrouten zu finden.
Dabei generalisiert der iTracker die Angaben der Provider, so dass konkurrierende Netzanbieter das System nicht zur Betriebsspionage nutzen können. "P4P setzt mit dem iTracker ganz bewusst auf eine Zwischeninstanz zwischen Providern und P2P-Netzwerken, um Datenschutz für beide Seiten zu gewährleisten", so Popkin.
Maßnahme gegen BitTorrent-Bremsen
P4P soll in naher Zukunft weitergetestet werden, ein großflächiger Einsatz ist laut Popkin bereits in wenigen Monaten möglich. Interesse daran gibt es offenbar auch aus Europa. So sind unter anderem die Telekomriesen Telefonica und Orange Teil der P4P Working Group, in der Tauschbörsenanbieter und Provider gemeinsam an einer Implementierung der Technologie arbeiten.
Für viele Netzanbieter könnte die Technologie auch ein Ausweg aus der Diskussion über P2P-Beschränkunden sein. So begann der US-Provider Comcast im Sommer letzten Jahres damit, BitTorrent-Uploads seiner Kunden zu drosseln. Comcast rechtfertigt diese Eingriffe damit, dass Tauschbörsen die eigene Netzwerkinfrastruktur überlasteten.
Popkin dazu: "Für Netzanbieter geht es dabei scheinbar nur um die Datenmengen, nicht um die übertragenen Inhalte. P4P kann sicherlich dazu beitragen, dass Provider nicht mehr dazu gezwungen sind, P2P-Daten zu regulieren."
Schlechte Nachrichten für Hollywood
Die Technologie könnte sich damit als Hiobsbotschaft für die Entertainment-Industrie entpuppen. Plattenfirmen und Hollywood-Studios haben in den vergangenen Monaten vermehrt versucht, Provider zu einem aktiveren Vorgehen gegen Tauschbörsen zu bewegen. Dabei argumentierten sie, dass derartige Maßnahmen aufgrund der hohen Kosten für P2P-Datenverkehr auch im Interesse der Netzanbieter selbst seien. So verteidigte die Motion Picture Association of America [MPAA] unter anderem Comcasts BitTorrent-Sperren.
P4P könnte nun dazu beitragen, dass derartige Argumente bei Netzanbietern auf taube Ohren stoßen. Die Technologie könnte zudem auch von Websites wie Pirate Bay genutzt werden. Zwar konzentrieren sich Verizon und Pando bisher auf legale Einsatzmöglichkeiten. Doch die meisten P2P-Daten werden nach wie vor von Piraten-Plattformen verursacht. Bei diesen Übertragungen ließe sich demnach für Netzanbieter auch am meisten Geld einsparen.
(futurezone | Janko Röttgers)