OLPC: "Jetzt sind die Erbsenzähler dran"

26.03.2008

Für Aaron Kaplan von OLPC Austria ist der Abgang des bisherigen OLPC-Sicherheitschefs Ivan Krstic nicht dramatisch: "Die Hardware des XO ist grundsätzlich fertig, jetzt müssen die Schwächen bei Vertrieb und Logistik beseitigt werden." Gerade an diesen sei bisher auch die Auslieferung der XOs nach Europa gescheitert.

Am Osterwochenende war bekanntgeworden, dass nach der Technikchefin Mary Lou Jepsen nun auch der bisher für die XO-Sicherheitsarchitektur zuständige Ivan Krstic die gemeinnützige Organisation One Laptop per Child [OLPC] verlassen hat.

Als Grund nannte Krstic die seit Februar laufende Umstrukturierung von OLPC. "Ich kann mich nicht guten Gewissens den neuen Zielen und Strukturen der Organisation verschreiben und diese auch nicht mit meiner persönlichen Ethik in Einklang bringen."

"Kleine Stückzahlen sind schwierig"

Was von außen wie das Zerbröckeln der Gesamtorgansiation OLPC anmutet, ist laut Kaplan allerdings ein logischer und zwingender Vorgang: "Bisher waren Garagen-Innovatoren am Werk, die sich nicht damit beschäftigen wollten, wie man die XOs auch unter die Leute bringt, sondern sich rein auf die Entwicklung der Hard- und Software konzentriert haben."

Allerdings hapere es bei OLPC im Moment genau an der passenden Logistik und dem Vertrieb: "Das ist der Grund, warum wir die bestellten XOs noch nicht an das Unterrichtsministerium liefern konnten."

Besonders kleine Stückzahlen seien schwierig zu organisieren, erklärt Kaplan gegenüber ORF.at - mit ein Grund, warum auch das bereits in Aussicht gestellte europäische Spendenprogramm nach US-Vorbild ["Give one, get one"] bisher noch nicht realisiert werden konnte. "10.000 Stück sind kein Problem, aber wenn es nur um zehn oder 100 geht, hapert es eben leider noch."

100 XOs hat das heimische Unterrichtsministerium geordert, die dann an vier österreichischen Volksschulen im Unterricht getestet werden sollen.

"Langsamer als geglaubt"

Kaplan selbst, der mit seinen Kollegen von OLPC Austria in regem und engem Kontakt mit der OLPC-Zentrale in Cambridge und auch Initiator Nicholas Negroponte steht, sieht den Wechsel der internen Strukturen von OLPC entsprechend positiv: "Für uns ist der Schritt gut, denn bisher geht alles langsamer, als wir geglaubt haben, und das hat uns gebremst. Nun sind die Erbsenzähler dran."

Europa-Zentrale mit Wiens Hilfe

Bei großen Stückzahlen sei OLPC auf einem guten Weg, erzählt Kaplan: Peru habe 260.000 XOs bestellt, Uruguay habe nach der Lieferung der ersten 100.000 Stück gleich 200.000 nachbestellt und aktuell sei das OLPC-Team aus Deutschland mit einem Projekt in Äthiopien beschäftigt.

Für kleinere Projekte, auch in Europa, etabliert sich gerade eine Europa-Zentrale in Brüssel, die mit starker Unterstützung von der österreichischen OLPC-Organisation rechnen darf und kann, so Kaplan weiter: "OLPC Europa wird wohl aus Brüssel und Wien vorangetrieben werden."

Schon bei der Gründung von OLPC Deutschland war die heimische Organisation, die sich bereits recht früh organisiert und etabliert hat, quasi Geburtshelfer.

Lokale Gruppen treiben Innovationen

Für die Zukunft glaubt Kaplan einerseits an zwei Stränge innerhalb der Organisation selbst - einen Innovationspfad und einen für Logistik und Vertrieb - sowie eine weiter steigende Bedeutung der jeweiligen Länderorganisationen: "Auch die vielen lokalen Gruppen weltweit treiben die Innovationen rund um den XO voran."

Als Beispiel nennt er die XO-Live-CD, die jüngst von einem Kollegen aus Deutschland erstellt wurde und das Potential der Software auch auf anderer Hardware als dem XO zeigen soll.

Es geht um die Software

Wie stark diese Innovationen mit der neuen Struktur allerdings auch in das Hauptprojekt selbst zurückfließen werden, ist derzeit noch nicht abschätzbar: "Gute und schwierige Frage", so Kaplan, der aber davon ausgeht, dass sich an der aktuellen Situation nichts ändern wird.

Den aktuellen Boom der Kleinstrechner und auch Intels Ankündigung, seinen Bildungsrechner Classmate für den kommerziellen Nachbau freizugeben, sieht Kaplan ebenfalls positiv: "Das ist eine weitere Chance, mehr Leute über den Digital Divide rüberzuholen."

OLPC selbst sei immer noch ein großes Experiment, und die Hardware des XO eigentlich nicht Kern der Sache: "Es geht immer noch hauptsächlich darum, mehr Leute vor einen Monitor zu bekommen, und unsere Software kann dabei helfen."

Auf den ersten Blick sieht der XO wie ein Kinderrechner aus, doch das unter der Führung des MIT entwickelte Gerät hat es faustdick hinter den Ohren.

(futurezone | Nadja Igler)