Spieleindustrie auf Sinn- und Kundensuche
Auf der alljährlichen Fachmesse E3 [Electronic Entertainment], die letzte Woche in Los Angeles stattfand, hat sich die Spieleindustrie wieder in ihrer ganzen Größe gezeigt.
Laut dem Chef der US-Industrievereinigung Entertainment Software Association [ESA], Doug Lowenstein, ist die weltweite Gaming-Industrie mittlerweile 28 Mrd. USD schwer - und er widerspricht der durchaus gängigen Meinung der eigenen Industrie, dass die Gamer die Filmindustrie mit 45 Mrd. USD bereits überholt haben.
Lowenstein rief bei der Eröffnung der E3 zur einer Verbreiterung des Spieleangebots auf: Der Massenmarkt werde zu wenig bedient, so sein Vorwurf.
Zwar spielen laut ESA rund die Hälfte aller US-Bürger PC- und Videogames [bei einem Durchschnittsalter von 30 Jahren], doch laut Microsoft sollen im Laufe der nächsten Konsolengeneration weltweit eine Milliarde Spieler angezogen werden.
"Booth Babes", leicht bekleidet
Ein Rundgang auf der E3 zeigte eine Menge Kriegsspiele, Action-
und Autorennspiele, um die Aufmerksamkeit der vorüberziehenden
Massen warben meist sehr leicht bekleideten Frauen [Booth Babes],
die naturgemäß auf ein männliches Publikum abzielen.
Die "Sims" als Lieblinge der Frauen
Mit dem bisherigen Marketing, so Lowenstein, würde weiterhin das Stereotyp bedient, dass vor allem Männer Videospiele spielen.
Dabei sind laut ESA rund 40 Prozent aller Spieler in den USA Frauen - die meisten davon als "Casual Gamer", die meist weniger Zeit mit Spielen verbringen, und vorwiegend am PC.
Die Hersteller selbst sind sich darüber einig, dass sie auch den Anspruch der Games vom "Spielzeug" zum anerkannten Unterhaltungsmedium wandeln müssen. Nur von den Hardcore-Gamern kann die Industrie zwar leben, das angestrebte Wachstum wird sie damit nicht erreichen.
In diesem Blickwinkel muss man auch die nächste Konsolengeneration betrachten, die neben Spielen auch Zugang zu anderen Medien wie Film und Musik bietet - und zwar online. Laut ESA spielen bereits 43 Prozent aller Spieler in den USA auch online, 60 Prozent davon sind Männer.
Das Online-Service der Xbox 360 wird in Zukunft eine Reihe von kleinen Minigames wie etwa Kartenspiele anbieten, zudem Videochat, von dem Microsoft überzeugt ist, dass er ein Renner wird. Videotelefonie hat sich allerdings bis dato weder auf dem Festnetz noch auf dem Handy wirklich durchgesetzt. Laut ESA sind rund 50 Prozent aller online gespielten Games Kartenspiele, ein Quiz- oder Brettspiel.
Microsoft enthüllt Xbox 360Online-Services und Cross-Media
Microsoft hat sein Xbox-Live-Service bereits etabliert, zwei Millionen sind mit ihrer Microsoft-Konsole online.
Sony versprach für seine PS3 ebenfalls Online-Zugang nach dem Motto "Always on, always online" und zudem Zugriff auf Medieninhalte der PS3 mit seiner mobilen Spielekonsole PSP.
Auch Nintendo bietet einen Online-Zugang an, will sich aber laut aktuellen Plänen dabei vor allem auf Spiele konzentrieren.
Zunehmend bewegen sich die Spiele auch im Cross-Media-Bereich, also der Verschmelzung von Spielen mit etwa Musik und/oder Filmen, was die Reihe von vorgestellten Spieletiteln auf der E3 wie "The Godfather", "James Bond: From Russia with Love" und das Spiel von Vivendi Universal mit US-Rapper 50 Cent zeigt.
Laut Steve Schnur, bei Electronic Arts zuständig für Musik und Auto, erhalten etwa Musiker durch die Platzierung in Games einen "Coolness-Faktor".
Gerade das Spiel mit 50 Cent zeigt, dass die Industrie sehr wohl selbst auch am Hype um den erfolgreichen US-Rapper teilhaben will. Auch die Gamevermarktung des Bond-Films aus dem Jahre 1963 zeigt, dass die Spieleindustrie von der bereits etablierten Filmindustrie profitieren will - abgesehen vom Einspielen der hohen Lizenzkosten.
PlayStation 3 kommt Anfang 2006Gratis-Games durch Werbung
Die Trends zu Online-Services und Cross-Media machen deutlich, dass die Industrie nach neuen Geschäftsmodellen sucht, die alle Branchen-Beteiligten satt machen können.
Die Ausschlachtung von erfolgreichen Filmen kann aber auch als "Ideenlosigkeit" der Industrie selbst gesehen werden. Lowenstein etwa urgierte bessere Game-Storys auch zu aktellen Gesellschaftsthemen und kürzere Spiele, die weniger als 50 USD kosten und einen Einstieg in die Spielewelt erleichtern.
Xbox-Chef J Allard von Microsoft spricht im Gespräch mit futurezone.ORF.at davon, dass Spiele in Zukunft auch gratis sein könnten - etwa durch Werbefinanzierung.
Mehr dazu morgen im zweiten Teil der Serie, dann über das Pontential von Werbung in Spiele und am Mittwoch über Möglichkeiten und Risiken der Industrie beim Online-Gaming.
Lowensteins Rede [pdf]