Ein Monster aus dem Hause Siemens
Von der Kfz-Datenbank über die Informationen aus Mautsystemen, Verkehrsdaten von Telefonie und Internet bis hin zu Informationen zu Flugbewegungen und Details aus Abrechnungen der Krankenversicherung frisst die von Siemens in München entwickelte "Intelligence Platform" einfach alles. Gesucht wird nach Mustern, Spracherkennung inkludiert. Das System ist ein Cockpit für den Überwachungsstaat.
In Deutschland hat das Bundesverfassungsgericht vor knapp zwei Wochen einstweilig entschieden, dass die im Zuge der Vorratsdatenspeicherung anzusammelnden Verkehrsdatensätze aus Telefonie und Internet nur äußerst eingeschränkt verwendet werden dürfen.
Die Ermittler können so ausschließlich auf richterliche Anordnung bei Verdacht schwerer Straftaten - Terrorismus oder Kapitalverbrechen - auf die Kommunikationsprofile von dringend Verdächtigen zugreifen.
In Österreich
In Österreich ist die Einführung dieser für alle Netzbetreiber verpflichtenden Datenspeicherung des Kommunikationsverkehrs aller Kunden - wer mit wem wann wo telefoniert, SMS oder E-Mails ausgetauscht hat für sechs Monate - noch nicht recht vorangekommen.
Laut den momentan noch gültigen Telekommunikations- und Datenschutzgesetzen ist genau das hierzulande nämlich verboten.
Die Siemens-Lösung
Was die Überwachung angeht, so hat die Firma Siemens eine ganz andere eigene Lösung parat, die "Intelligence Platform". Auf eine Kurzformel gebracht: Alle möglicherweise relevanten personenbezogenen Datensätze, auf die behördlicherseits Zugriff besteht, werden auf der "Intelligence Platform" zusammengeführt und auf einen Nenner gebracht. Das System ist ein Cockpit für die Steuerung total vernetzter Staaten.
Hier einige ausgewählte Beispiele, die aus dem Powerpoint-Vortrag eines Managers aus der "Voice and Data Recording Group" von Siemens stammen. Diese Präsentation liegt ORF.at vor. Die "Voice and Data Recording Group" ist mittlerweile ein Teil von Nokia Siemens Networks.
Intelligente Werkzeuge
Daten aus dem "Siemens Monitoring Center" zur Echtzeitkontrolle von Telefonnetzen kommen mit den im Zuge der Vorratsdatenspeicherung aggregierten Datensätzen zusammen.
Dann werden sie mit Hilfe von "Intelligence-Tools" oder Hilfsprogrammen, die verschieden strukturierte Datensätze auf einen Nenner bringen können, mit IP-Adressen, die vom System sofort geografisch zugeordnet werden, zusammengeführt.
Der Anschluss
Anschlussmöglichkeit gibt es ebenso für die Datensätze aus dem Straf- und Kraftfahrzeugsregister, der Führerscheindatenbank und "Traffic Control Points", also der Section-Control, der laufenden Verkehrsrasterfahndung und den Daten aus den Mautsystemen.
Damit nicht genug: Ebenfalls in der Liste der "Features" vorgesehen ist die Integration aller Bank- und Kreditkartentransaktionen, Versicherungen und Grenzkontrollen, von Fingerabdruck- und DNA-Datenbanken sowie dem Grundbuch und "jeder anderen Datenbank, die relevante Daten enthält".
Der Auszug, Seite 15
Auszug aus einer nicht datierten Powerpoint-Präsentation, deren Entstehungsdatum spätestens im Frühjahr 2007 anzusiedeln ist. Das Coverbild ist das im Titelbild ausschnittsweise verwendete Halbporträt einer Raubkatze. Das Dokument ist Seite für Seite als "Commercial in confidence" und "Subject to changes without notice" gekennzeichnet.
==Massive Datensätze, "verdächtige Muster"==
Dass hier nicht von ausgewählten Datensätzen die Rede ist, die im Rahmen einer strafrechtlichen Verfolgung erhoben wurden, sondern von allen Daten, auf die Zugriff besteht, zeigt sich auf Seite 20 der Präsentation.
Als Beispiel wird da angeführt: "Suche nach verdächtigen Mustern" in über 21 Millionen Verbindungsdatensätzen, die im Netzwerk der jeweiligen Telekom angefallen sind, im Zeitrahmen von einer Stunde.
Seite 21
Die Sprache, die Erkennung
Dazu kommt ein Spracherkennungsmodul, das audiobiometrische Daten des jeweiligen Sprechers mit einer einschlägigen Datenbank abgleicht, "Wort-, Phrasen- und Themensuche" sind ebenso möglich wie "automatische Transkription" von Telefongesprächen. [Seite 27]
Hier stellt sich natürlich die Frage, in welchem EU-Staat eine derartige Maschinerie zur Integration einer solchen Ansammlung von "massiven" Datensätzen überhaupt rechtmäßig wäre.
Das und noch mehr haben wir am Freitag bei Nokia Siemens Networks in München - denn dort wird die "Intelligence Platform" entwickelt - angefragt.
(futurezone | Erich Moechel)