OOXML als ISO-Standard akzeptiert

01.04.2008

Die International Organization for Standardization [ISO] und die International Electrotechnical Commission [IEC] haben Office Open XML von Microsoft am Dienstag offiziell als internationalen Standard akzeptiert.

Die ISO normierte das von Microsoft federführend entworfene XML-Bürosoftware-Dateiformat Office Open XML [OOXML; Ecma 376] nun als ISO/IEC-Standard 29500. Office Open XML habe die dazu notwendigen Stimmen erhalten, teilte die ISO am Mittwoch offiziell mit.

Die eruopäische Standardisierungsorganisation Ecma, die das Format für Microsoft bei der ISO eingereicht hatte, hat das Ergebnis bereits einen Tag zuvor bekannt gegeben.

Beide Abstimmungskriterien passiert

Laut ISO-Aussendung stimmten 24 der 32 stimmberechtigten Mitglieder [P-Members] des zuständigen Standardisierungsgremiums JTC1, also 75 Prozent der sich nicht enthaltenden P-Members, für OOXML. Notwendig wären 66,66 Prozent gewesen. Von allen Mitgliedern, die abgestimmt haben - inklusive beobachtender Mitglieder wie Österreich [O-Members] -, stimmten insgesamt 14 Prozent gegen OOXML. Wären mehr als 25 Prozent der Gesamtstimmen gegen OOXML gewesen, wäre der Standard gescheitert.

Nach dem Konfliktlösungstreffen von JTC1 im Februar in Genf hatten die Ländergremien bis zum vergangenen Samstag Zeit gehabt, ihre Stimmen zu ändern. Laut den Übersichten auf den Weblogs des OOXML-Skeptikers und US-Patentanwalts Andy Updegrove und des Weblogs Open Malaysia, die bestätigte Berichte aus den Teilnehmerländern sammelten, war bereits am vergangenen Samstag recht deutlich absehbar gewesen, dass OOXML die Hürden in den Gremien passiert haben würde.

Das Österreichische Normungsinstitut hatte bekanntlich schon in der ersten Runde dafür gestimmt, OOXML "mit Kommentaren" zu akzeptieren, und seine Meinung auch seit dem Problemlösungstreffen [Ballot Resolution Meeting, BRM] in Genf im Februar nicht geändert.

Konkurrent ODF

Microsoft hatte OOXML vor 14 Monaten durch die Ecma bei der ISO zum Fast-Track-Verfahren eingereicht. Im September 2007 konnte OOXML noch nicht die notwendigen Zustimmungskriterien der ISO bei der Abstimmung der nationalen Mitgliedsorganisationen erreichen. Das Format steht in Konkurrenz zum Open Document Format [ODF], das zuerst im freien Bürosoftware-Paket OpenOffice eingesetzt wurde und bereits seit 2006 als ISO/IEC 26300 standardisiert ist.

Da immer mehr Regierungen darauf achten, dass ihre Organisationen offene standardisierte Dateiformate zur Datenverarbeitung und -archivierung benutzen, hätte ein Scheitern der Standardisierung von OOXML einen eminenten Wettbewerbsnachteil für Microsoft auf diesem Markt bedeutet.

Politik der Standards

Da es bei der ISO-Standardisierung von OOXML zuallererst darum ging, staatliche Organisationen, die in letzter Zeit verstärkt darauf achten, ihre Informationen in offenen standardisierten Dateiformaten zu verarbeiten und anzubieten, nicht als lukrative Kunden zu verlieren, war die Diskussion über den Prozess von vornherein stark politisiert.

Obwohl es um offene Dateiformate ging, tagten die verantwortlichen Standardisierungsgremien hinter verschlossenen Türen. So waren auch zum Ballot Resolution Meeting [BRM] im Februar in Genf keine Journalisten zugelassen. Dort hätten in einer Woche alle ausstehenden Probleme mit OOXML besprochen und gelöst werden sollen. Bei einem Standard mit gut 6.000 Seiten Umfang war das nicht möglich.

Die Microsoft-Blogger, etwa Jason Matusow und Doug Mahugh, hoben am Ende die hohe Zustimmung der Teilnehmer für OOXML hervor, während ODF-Befürworter wie Updegrove und Tim Bray darauf hinwiesen, dass die meisten Probleme einfach am letzten Tag über eine Generalabstimmung aus der Welt geschafft worden seien. Die Geschlossenheit der Prozesse sowie deren Komplexität boten ideale Bedingungen für Spindoktoren und Verschwörungstheoretiker.

Das Schweigen der Gremien

Aus den zahlreichen Konfliktfällen rund um die OOXML-Standardisierung sei ein Faktum genannt: Im Vorfeld der Fast-Track-Standardisierung von Ecma 376 hatten elf Länder im zuständigen ISO-Komitee SC34 ihren Status von "Beobachter" [Observer, O] auf "Teilnehmend" [Principal, P] ändern lassen. ODF-Befürworter wie Updegrove warfen Microsoft daraufhin "Committee Stuffing" vor. Der Software-Gigant wolle um jeden Preis seinen Office-Formate-Standard bei der ISO durchbringen und habe daher befreundete nationale Standardisierungsorganisationen dazu gebracht, sich an der Abstimmung zu beteiligen.

Entsprechende Anfragen von ORF.at bei der ISO vom Dezember 2007 zu diesem Thema sowie zu den Klagen des Leiters der zuständigen Arbeitsgruppe ISO/IEC JTC1/SC34/WG1 [sic!], Martin Bryan, dass dieses "Committee Stuffing" alle anderen Prozesse in seinem Gremium blockiere, blieben unbeantwortet. Auch in Österreich bevorzugten die Standardisierer die Diskretion. Heinz Wanda, Vorsitzender des Komitees für Informationsverarbeitung ON-K 001, wollte im September 2007 zu der heimischen Abstimmung gegenüber ORF.at keine Stellungnahme abgeben.

Wenn die eminente Wichtigkeit von freien Dateiformaten für offene Gesellschaften im Zeitalter des E-Government durch die OOXML-Diskussion tatsächlich eine breitere Öffentlichkeit erreicht haben soll, wie Updegrove am Freitag in seinem Weblog notierte, sollten die Standardisierungsgremien dieses Interesse dazu nutzen, ihren Umgang mit der Öffentlichkeit zu überdenken.

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Das österreichische Spiegelkomitee zum ISO/IEC/JTC 1, das ON-Komitee ON-K 001, hatte im September dem Entwurf zur ISO/IEC 29500 zugestimmt. Österreich hat in dem Ausschuss nur Beobachterstatus. Das österreichische Komitee hat seine Position nicht geändert.

OOXML und die EU

OOXML spielt auch in einem Wettbewerbsverfahren eine Rolle, das die EU-Kommission am 14. Jänner gegen Microsoft eröffnete. Die Kommission folgte damit Beschwerden des norwegischen Browser-Herstellers Opera und des European Committee for Interoperable Systems [ECIS], dem unter anderem Adobe und Corel, aber auch Sun Microsystems und IBM angehören.

Die letzteren beiden sind Unterstützer des OOXML-Konkurrenzstandards ODF. Im Rahmen dieses Verfahrens will die EU-Kommission auch prüfen, ob OOXML ausreichend kompatibel zu den Produkten von Wettbewerbern ist. Der Ritterschlag durch die ISO wird in diesem Fall Microsoft klar unterstützen.

Während die Free Software Foundation Europe wiederholt zu Protokoll gegeben hat, dass es nicht sinnvoll sei, zwei ISO-Standards für ein und dieselbe Anwendung zu haben, glaubt Updegrove nicht, dass ODF von der Konkurrenz durch OOXML beschädigt wird.

Microsoft hat stets betont, dass OOXML anderen Zwecken diene als ODF und speziell dazu geeignet sei, die Kompatibilität zu den alten Beständen an MS-Office-Dateien sicherzustellen.

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(futurezone | Günter Hack)