Miro: Wenn freie Bilder laufen lernen

04.04.2008

Die Goldgräberstimmung auf dem Online-Videomarkt hält unvermindert an. Das Open-Source-Projekt Miro will die Hoheit über das Bewegtbild im Netz nicht nur Google, Apple und Microsoft überlassen. Miro-Projektleiter Jesse Patel und Holmes Wilson sprachen auf der Berliner Konferenz re:publica mit ORF.at über den harten Wettbewerb um Entwickler und Geld.

Wir brauchen eure Hilfe - das konnte man auf der diesjährigen re:publica, einer Konferenz für Blogger und Netzbewohner aller Art, die am Freitag in Berlin zu Ende geht, des Öfteren hören. Manche meinten mit diesem Aufruf nicht nur Zulieferer von Inhalten, sondern auch Programmierer. Aber es dauerte nicht lange, bis jene, die da nach Hilfe riefen, feststellen mussten, dass Letztere bei dieser Veranstaltung eher in der Minderheit sind.

Das erkannte nicht nur der Standbetreuer der Deutschen Telekom bereits am ersten Tag, der angetreten war, um Entwickler für das "Developer Portal" zu begeistern, sondern auch Jesse Partel und Holmes Wilson von der US-Videoplattform Miro.

Ersterer wurde wohl eher auf die geschützte Farbe Magenta angesprochen, und Miro gab bekannt, dass sie derzeit Hilfe an allen Ecken und Enden gebrauchen können: von Übersetzern bis zu Usern und Geldspendern.

Mehr zum Thema

Im November 2007 veröffentlichte das Miro-Team die Version 1.0 seines Videoplayers.

Freier Videoplayer

Miro wurde 2005 gegründet und versucht, als Open-Source-Projekt den Online-Videomarkt aufzumischen. Das Problem in den Augen von Miro-Gründer Wilson ist, dass Video im Netz derzeit von ein paar wenigen Unternehmen dominiert wird. Daher sei man angetreten, Video für die Masse zu öffnen.

Miro ist kein Hosting-Unternehmen, sondern versteht sich primär als Aggregator. Das Hauptprodukt ist ein eigener Videoplayer mit integriertem BitTorrent-Client, der für alle wichtigen Plattformen angeboten wird und unter der GPL steht. Die Entwickler von Miro legten von Anfang an großen Wert darauf, dass ihr Player so viele offene Videoformate wie möglich unterstützt.

Einsatz im öffentlich-rechtlichen TV

Das norwegische öffentlich-rechtliche Fernsehen experimentiert mit der freien Verteilung eigenproduzierter Inhalte via BitTorrent-Protokoll und empfiehlt Miro als Abspielsoftware.

Video soll frei bleiben

Betrieben wird das Projekt Miro von der gemeinützigen US-Stiftung Participatory Culture Foundation, die 2005 von Nicholas Reville, Wilson und Tiffiniy Cheng gegründet wurde.

Die Form der Stiftung wurde gewählt, um den nichtkommerziellen Charakter des Projekts festzulegen, und auch, um sich vor der Gefahr zu schützen, aus dem Markt gekauft zu werden. Das Ziel dieser Stiftung ist ebenso einfach wie eingängig: die Verbreitung von offenen Videoformaten und freies Publizieren zu fördern.

Mehr über Miro

Das Projekt war zuerst unter dem Namen "get democracy" bekannt, taufte sich aber nach eigenen Angaben deshalb um, weil der Name Miro griffiger sei und weniger nach beschwerlicher Politik klinge.

Projekt am Scheideweg

Finanziert wird das Projekt mit Hilfe von Spenden und Subventionen. Und als Open-Source-Projekt setzt man auf die Mithilfe von anderen. Derzeit, so Patel, könne man die freien Helfer vor allem dazu motivieren, den Code zu testen, Fehlerberichte zu schreiben und Texte zu übersetzen.

Um Entwickler anzulocken, müsse das Projekt aber noch wachsen, denn damit steige auch die Attraktivität für Programmierer. Wachstum bedeute primär, dass die Benutzerbasis ausgeweitet werden müsse - eine Forderung, die auch manche der bisher großzügigen Spender erheben. Denn das Projekt Miro befindet sich derzeit in mehreren Bereichen in einer kritischen Phase.

Auf der einen Seite steht der dringende Aufruf zur aktiven Mitarbeit, auf der anderen Seite fehlen gerade die für die Betreuung der Kontributoren notwendigen Ressourcen. Die Tour von Patel und Wilson durch Europa dient deswegen nicht nur der Suche nach neuen Mitstreitern, sondern auch nach Kommunikatoren und Betreuern. Sie sollen die Infrastruktur schaffen, auf deren Basis das jetzt noch relativ kleine Open-Source-Projekt den Sprung zu einer größeren Bewegung bewältigen kann.

Unterstützung durch Mozilla

Derzeit besteht das Projekt aus elf Mitarbeitern, von denen fünf als Entwickler tätig sind. Auch die Finanzierung dieser Gruppe ist gesichert, nicht nur weil die Spendenaufrufe erfolgreich waren, sondern auch weil einige Organisationen als Sponsoren gewonnen werden konnten.

So ist die Mozilla Foundation für die Gründer von Miro nicht nur ein großes Vorbild, was die erfolgreiche Umsetzung und den jahrelangen Betrieb von Open-Source-Projekten betrifft, sondern auch einer der Geldgeber.

Dennoch, dass Miro selbst einmal in der Projektliste von Mozilla aufscheinen könnte, bezweifelt Patel. Nicht unbedingt weil das den Zielen des eigenen Projekts entgegenstehen würde, sondern weil er sich derzeit nicht vorstellen kann, dass Mozilla Interesse daran haben könnte. Dennoch beschränkt sich die Hilfe von Mozilla nicht nur auf finanzielle Zuschüsse, denn mit John Lilly ist Mozilla auch im Vorstand der Participatory Culture Foundation vertreten.

Audio:

Cash via Google

Mozilla selbst finanziert sich seit 2006 vor allem durch eine Kooperation mit Google: Jede Suche, die von Firefox-Browsern ausgehend bei Google landet, wird mit einem bestimmten Betrag vergütet - über dessen Höhe gibt es nur Vermutungen, aber keine offizielle Bestätigung.

Mit dem derzeitigen 15-Prozent-Anteil von Firefox am Browser-Markt ist dieses Modell aber in jedem Fall lohnend für Mozilla. Laut "The McKinsey Quarterly" akquiriert Mozilla damit etwa das Dreifache der eigenen Kosten.

Succeeding as an Open Source Initiative

Gut gefüllte Kassen

Wenn jeder User von Miro einen Dollar bezahlen würde, dann, so Patel, wäre ihr Projekt auch ohne Sponsoren finanziell abgesichert. Aber dank der großzügigen Spenden ihrer Gönner, die auf der Website namentlich aufscheinen und teilweise auch im Vorstand der Stiftung sitzen, sind die Kassen auch ohne User-Beteiligung derzeit gut gefüllt.

Man habe Zeit, mit alternativen Finanzierungsmodellen für Open-Source-Projekte zu experimentieren, sagt Patel. Eine Möglichkeit wäre zum Beispiel, am Datenaufkommen mitzuschneiden. Nicht unbedingt dadurch, dass man die User zu Google schickt wie bei Firefox, aber zu jenen Websites, die damit ihrerseits wieder Werbung generieren könnten.

Man experimentiere, wann und wie Spendenaufrufe zum Erfolg führen, und indem man Kooperationen mit Unternehmen wie Revision3, der Deutschen Welle und dem Konferenzveranstalter TED eingeht, die den Videoplayer von Miro für das Ausspielen ihrer eigenen Inhalte verwenden.

Unterstützung aus der Szene

Cory Doctorow, der ebenfalls im Vorstand sitzt, war einer der Ersten, die das Projekt tatkräftig unterstützten. Er veröffentlichte auf dem bekannten Weblog BoingBoing einen Artikel über Miro, durch den erste Kontakte zu Finanziers zustande kamen, erzählt Patel.

Das habe die Situation schlagartig vereinfacht, denn dadurch kämen viele Sponsoren von selbst auf das Projekt zu. Die Unterstützung erhält Miro vor allem wegen seiner Mission: eine offene Plattform für freies Publizieren zu schaffen. Aber manche Sponsoren reizt wahrscheinlich auch zu sehen, ob es Miro gelingt, gegen andere Plattformen wie Joost, MySpace und YouTube erfolgreich anzutreten. Und auch gegen Apple, wie Wilson betont.

Trotzdem sind sich die beiden aber sehr wohl bewusst, dass jeder, der ein wenig mehr bieten kann, nicht nur ihre Programmierer abwerben, sondern auch den Quellcode nehmen und dessen Weiterentwicklung durchaus zügiger vorantreiben könnte. Google zum Beispiel, so Patel, könnte niemand davon abhalten. Schließlich ist es kein Geheimnis, dass so mancher Entwickler von Mozilla die Seiten gewechselt hat und jetzt für Google arbeitet.

Audio:

"Jede Form von Wettbewerb wäre für uns schon ein Gewinn."

Re:publica-Livestream

(futurezone | Mariann Unterluggauer)