Der gameologische Kongress, Tag 1
Vier Tage wird auf der Munich Gaming über das Zocken diskutiert und informiert. Vielspieler Anatol Locker berichtet, lästert und kommentiert vom Dialog der Medien- und Gamesbranche in München.
Am Samstag öffnete die Munich Gaming ihre Pforten; wenn's denn Pforten zum Eröffnen gegeben hätte. Stattdessen entriegelte ein knurriger Wachmann, der Ähnlichkeit mit einem Zwischengegner aus "Metal Gear Solid 3" hatte, die elektronische Tür. Startschuss für das Grüppchen Eltern und Kinder, die Halle der Münchner Praterinsel zu stürmen.
Zwischen den Stühlen
Die Munich Gaming ist ein Ableger der Münchner Medientage, einem international anerkannten Selbstbeweihräucherungs-Forum der Medienbranche. Die neue Veranstaltung setzt sich mit Schmackes zwischen zwei Stühle, nämlich den der immer unbedeutender werdenden Electronic Entertainment Expo in Los Angeles und der erstarkenden Games Convention in Leipzig.
Für Erwachsene
Dass sich die Veranstaltung an Erwachsene richtet, zeigt sich schon am Logo. Denn der Joystick, guter alter Bekannter der "Generation Heimcomputer", ist längst der Wii-Fernbedienung gewichen. Neuheiten oder Ankündigungen für Hardcore-Spieler gibt es auf der Munich Gaming ebenfalls keine.
Auch die anwesenden Unternehmen locken nicht gerade Spielecracks an. Die hipsten vertretenen Firmen waren das Münchner Design-Ausbildungszentrum Macromedia und die Electronic Sports League. Verständlich also, dass heute kaum Jugendliche zu sehen waren. Die saßen wahrscheinlich lieber vor ihrem Computer oder spielten Fußball.
Gelöcherte Pädagogen
Dafür löcherten die Eltern die anwesenden Pädagogik-Experten. Eltern spielender Jugendlicher haben’s bekanntlich schwer. Sobald pubertierende Sprösslinge zu Computerspiele-Freaks mutieren, herrscht zu Hause eine Informationspolitik als lebe man in Nordkorea.
Interessant dabei, dass Pädagogen, die Computer- und Videospiele früher verteufelt haben, heute die Sache entspannter sehen als manche Eltern. "Warum werden Spiele nur auf Antrag indiziert?", will eine Dame wissen. "Ich finde es nämlich wichtig, dass ganz viele Spiele nicht auf den Markt kommen."
Wolfram Hilpert, der in Deutschland Spiele verbietet, die in Österreich frei im Handel sind, winkt ab: "Man will vermeiden, dass der Staat vorab jedes Medium zensiert und kontrolliert". Auch Michael Schnell, Projektleiter der Website Internet-ABC, findet es "wichtiger, zu wissen, was gespielt wird".
"Da kommt noch einiges"
Die Referenten waren bemüht, die positive, unterhaltsame und pädagogische Seite des Gamings darzustellen. "Ich will hier eine Lanze für die Spiele brechen", meint Hans-Jürgen Palme: "Die öffentliche Diskussion dreht sich fast ausschließlich um gewalthaltige Killerspiele. Dabei gibt es eine Palette an spannenden Lern-, Musik- und Bewegungsspielen."
Mit stoischer Miene verfolgen die anwesenden Kinder, was da über ihre Generation diskutiert wird. Der 16jährige Werner, der sich als Vielspieler bezeichnet, findet "das ganz interessant. Ich bin mit der Veranstaltung ganz zufrieden. Da kommt ja noch einiges."
Weshalb Sie am Sonntag in der futurezone über das Thema "Wer kennt eSports?" oder "Kinder, kommt rein und spielt ein bißchen Counter-Strike" lesen werden. Heute abend spielen wir: "Mario Kart" auf dem Nintendo DS. Weil’s Spaß macht und pädagogisch... naja, halbwegs wertvoll ist.
(Anatol Locker)