Ärzte gegen "elektronische Fußfessel"

07.04.2008

Nach einem Auftritt von Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky [ÖVP] in der ORF-"Pressestunde" vom Sonntag ist die Diskussion über die Absicherung der E-Card mittels biometrischer Merkmale neu entbrannt. Das Ministerium sieht die Speicherung von Fingerabdruckdaten auf dem E-Card-Chip als Option, die Ärztekammer wäre bereits mit der Anbringung von Foto und Adresse des Versicherten auf der Karte zufrieden.

Kdolsky hatte am Sonntag in der "Pressestunde" Pläne zur Absicherung der E-Card gegen Missbrauch angesprochen. Demnach sollten zur Einführung der neuen E-Card im Jahr 2010 etwa ein Bild der versicherten Person auf der Karte angebracht und ein Fingerabdruck als zusätzliches biometrisches Merkmal auf dem Chip der E-Card gespeichert werden.

Prüfung der Optionen

Auf Anfrage von ORF.at bestätigte Markus Leithner, Sprecher von Kdolsky, dass die E-Card der nächsten Generation mit einem eindeutigen Identifikationsmerkmal ausgestattet werden soll, relativierte jedoch die Aussagen der Ministerin, was den Gebrauch von Fingerabdrücken zu diesem Zweck betrifft.

"Laut Allgemeinem Sozialversicherungsgesetz [ASVG] sind wir dazu verpflichtet, bis zum 31.12.2010 ein eindeutiges Identifikationsmerkmal auf der E-Card anzubringen. Da gibt es mehrere Möglichkeiten. Es steht noch nicht fest, um welches es sich handeln wird", so Leithner.

Die Ärzte seien bereits dazu verpflichtet, die Identität der Patienten zu kontrollieren, so Leithner. Einen akuten Grund zur Einführung der Identifikationsmerkmale auf der E-Card sieht er aber nicht. Die Anzahl der Missbrauchsfälle liege "in der Norm", der Schwund sei "nicht dramatisch".

Wann die neuen Identifikationsmerkmale eingeführt werden sollen, konnte Leithner noch nicht sagen. Man befinde sich diesbezüglich noch in Gesprächen mit dem Hauptverband.

Zahlen zum E-Card-Schwund

Wie aus der Beantwortung einer Anfrage des Salzburger Nationalratsabgeordneten Johann Maier [SPÖ] vom Mai 2007 hervorging, sind von den bis Ende 2006 produzierten 9,43 Millionen E-Cards 296.383 gestohlen, verloren oder ersetzt worden.

Davon wurden, so die Statistik, 56.511 als gestohlen, 128.913 als verloren gemeldet. Der Rest der Karten war schlicht defekt und musste ersetzt werden. Der Preis für eine neue E-Card beträgt rund sechs Euro inklusive Versand- und Nebenkosten.

Das Gesetz

Laut dem 4. Unterabschnitt des ASVG Paragraf 31a Absatz 3 "ist Vorsorge zu treffen, dass der Zugang zu elektronisch gespeicherten personenbezogenen Daten mittels der innerhalb des ELSY zu verwendenden Chipkarten bis spätestens 31. Dezember 2010 durch PIN oder biometrische Merkmale abgesichert wird". ELSY ist das elektronische Verwaltungssystem, innerhalb dessen die E-Card zum Einsatz kommt.

Das Gesetz lässt also einigen Spielraum zu. Auch ein simples Foto des Versicherten auf der E-Card ginge als "biometrisches Merkmal" durch, und eine PIN-Abfrage wie am Bankomaten würde den Anforderungen des Gesetzes genügen.

Ärztekammer warnt vor Bürokratie

Ärztekammerpräsident Walter Dorner sprach sich auf Anfrage von ORF.at vehement gegen die Speicherung von Fingerabdruckdaten auf der E-Card aus. "Das ist wie eine elektronische Fußfessel für die Patienten", so Dorner, "das brauchen wir nicht." Einerseits werde bei den Ärzten immer mehr reguliert und gespart, andererseits sei aber für neue IT-Projekte immer Geld da. "Wir werden das nicht zahlen", stellte Dorner fest.

Bisher müssten die Ärzte für den Unterhalt der IT zahlen, die für das Funktionieren der E-Card-Lösung notwendig ist, beispielsweise für den Internet-Anschluss. Für eine biometrische Identifikationslösung müssten dann neue Lesegeräte für Fingerabdrücke in den Praxen installiert werden.

Dorner zeigte sich insgesamt mit dem E-Card-System zufrieden, für ihn ist aber jeder E-Card-Missbrauch einer zu viel: "Da gehen enorme Summen verloren, allein schon dann, wenn man für jede missbrauchte Karte Arztbesuchskosten von 100 Euro ansetzen würde."

Foto des Versicherten genügt

Dorner ist "auf alle Fälle" für eine bessere Absicherung des Systems. "Wir haben schon vor Einführung der E-Card darauf gedrängt, auf der Karte ein Foto und die Adresse des Versicherten anzubringen. Leider wurden unsere Einwände ignoriert", so Dorner.

Eine solche Absicherung der neuen E-Card wäre aus seiner Sicht die pragmatische Lösung, da dafür keine neue Technik installiert werden müsste, in den Praxen aber die Identität der Patienten besser geprüft werden könnte. "Die Ärzte sind nicht die Gesundheits-Kripo. Sie können die Patienten ja nicht dazu zwingen, einen Pass oder einen Meldezettel in die Praxis mitzubringen", sagte der Ärztekammerpräsident.

Dorner: "Wir sollten dafür sorgen, dass der Aufwand durch Bürokratie nicht weiter wächst und die IT-Kosten nicht noch weiter steigen."

(futurezone | Günter Hack)