Internet-Sperre vor EU-Parlament

09.04.2008

Am Mittwoch debattiert das Europäische Parlament über seinen Bericht zur Kulturwirtschaft. Die Abstimmungsvorlage enthält auch einen Entschließungsantrag, der sich gegen Sperren des Internet-Zugangs nach geringfügigen Vergehen gegen das Urheberrecht ausspricht, wie sie etwa in Frankreich geplant sind.

In dem Änderungsantrag mit der Ziffer 22a fordern die EU-Parlamentarier die EU-Kommission und die Mitgliedsstaaten auf, das Internet als "breite Plattform für kulturelle Ausdrucksmöglichkeiten, den Zugang zu Wissen und die demokratische Teilhabe an der europäischen Kreativität" anzuerkennen.

Deshalb sollten keine Maßnahmen ergriffen werden, die "im Widerspruch zu den bürgerlichern Freiheiten, den Menschenrechten sowie den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit, der Effizienz und der abschreckenden Wirkung" stehen, heißt es in dem Entschließungsantrag, der im EU-Parlament am Mittwoch debattiert und am Donnerstag zur Abstimmung gelangen soll. Als Beispiel dafür wird ausdrücklich die Unterbrechung des Internet-Zugangs genannt.

Frankreich als Vorreiter

Solche Unterbrechungen des Internet-Zugangs sind derzeit etwa in Frankreich geplant. Dort soll Nutzern, die wiederholt nicht lizenzierte urheberrechtlich geschützte Inhalte im Netz anbieten oder herunterladen, der Internet-Zugang nach zweimaliger Verwarnung kurzerhand gekappt werden.

Auch in Großbritannien werden solche Maßnahmen diskutiert. An eine Einschaltung eines Gerichts bei der Netzsperre ist in beiden Ländern nach den bisher bekanntgewordenen Plänen nicht gedacht.

"Schutz von Verbrauchern"

Der Entschließungsantrag solle Nutzer schützen, die sich zum persönlichen Bedarf in geringfügigem Ausmaß urheberrechtlich geschützte Inhalte aus dem Netz laden, sagte die sozialdemokratische österreichische EU-Abgeordnete Christa Prets. Sie hatten den Antrag gemeinsam mit 40 EU-Abgeordneten, darunter auch der frühere französische Premierminister Michel Rocard, eingebracht: "Professionelle Urheberrechtsverletzungen sollen bestraft werden, aber im kleinen Bereich soll niemand kriminalisiert werden."

"Signal an die EU-Kommission"

Prets geht davon aus, dass das EU-Parlament der Vorlage am Donnerstag zustimmen wird. Zwar hat der federführend vom französischen sozialdemokratischen EU-Abgeordneten Guy Bono erarbeitete Bericht zur Förderung der Kulturwirtschaft keine gesetzgebende Wirkung, Signalwirkung wird der Entscheidung des EU-Parlaments dennoch zugeschrieben: "Die EU-Kommission nimmt solche Signale für gewöhnlich ernst", meinte Prets.

Auch für die grüne österreichische EU-Abgeordnete, Eva Lichtenberger, wäre ein Ja des EU-Parlaments zu dem Entschließungsantrag ein wichtiges Signal dafür, dass das EU-Parlament die Bürgerreichte schützt.

Internet-Sperren "völlig falscher Weg"

Internet-Sperren bei mehrmaligen geringfügigen Urheberrechtsverletzungen im Netz hält Lichtenberger für den "völlig falschen Weg".

Gefragt seien neue Denkansätze und keine Amerikanisierung des Systems geistiger Eigentumsrechte, so Lichtenberger. Man könne die alten Rechtssysteme nicht auf die Vielfalt der Kommunikationsmittel der heutigen Zeit ausdehnen: "Man versucht auch nicht, mit dem Schraubenzieher einen Computer zu reparieren."

Eine Anfrage von ORF.at beim ÖVP-Europaklub in Brüssel zur Thematik blieb bis zu Redaktionsschluss dieses Artikels unbeantwortet.

EU-Konsultation zum Thema

Internet-Sperren nach mehrmaligen Urheberrechtsverletzungen waren zuletzt auch Thema einer Konsultation der EU-Kommission zur Vorbereitung einer Empfehlung zu "kreativen Inhalte im Online-Binnenmarkt". Die Empfehlung der Kommission soll noch in diesem Jahr von EU-Rat und -Parlament verabschiedet werden.

Bericht umkämpft

Der Bericht des Europäischen Parlaments zur Förderung der Kulturwirtschaft war in den vergangenen Monaten hart umkämpft.

Lobbyistengruppen der Medienindustrie trachteten danach, ihre Forderungen nach einer verschärften Gangart gegen Urheberrechtsverletzungen in dem Papier unterzubringen. Bürgerrechtsorganisationen, wie etwa die Electronic Frontier Foundation [EFF], machten dagegen mobil.

Ende Jänner wies der Kulturausschuss des Europaparlaments Änderungsanträge zurück, die Internet-Sperren für Nutzer nach mehrmaligen Urheberrechtsverletzungen, das Filtern von Inhalten und die Blockade von Websites vorsahen. Damals hieß es in einer Aussendung des EFF: "Die Mitglieder des Komitees haben sich dafür entschieden, auf ihre Wähler zu hören, nicht auf die Lobbyisten der Musikindustrie."

(futurezone | Patrick Dax)