Vom Scheitern der Gamer-Erziehung

08.04.2008

Während sich Spieleexperten über die mangelnde Medienkompetenz von Volksschullehrerinnen erregen, arbeitet die Game-Industrie hart daran, die Nutzer noch stärker für ihre Zwecke einzuspannen. Soziale Netzwerke für Karaoke-Fans sollen nun den Produzenten von Spielen und Musik aus der Flaute helfen.

Irgendwann trudelt jeder Berufszweig in die Krise. Volksschullehrerinnen beispielsweise sollten sich dringend neu erfinden, sagte Alex Dammler vom Marktforschungsinstitut Icon Kids & Youth.

Frauen vs. Gamer

Dammler, der das Medienverhalten Jugendlicher erforscht, nahm am Dienstag auf dem Fachkongress Munich Gaming kein Blatt vor den Mund: "Die Pädagogik ist gerade im wichtigen Volksschulalter stark frauenlastig. Es gibt fast ausschließlich Volksschullehrerinnen, etwa 90 bis 95 Prozent. Das hat massive negative Konsequenzen, weil es Lehrerinnen gar nicht in den Sinn kommt, was man mit Computern machen kann – von Spielekonsolen ganz zu schweigen."

Ein Raunen aus vornehmlich weiblichen Kehlen ging durchs Publikum. Dammler ließ sich nicht beirren: "Man muss es leider so brutal sagen: Wenn Sie mit einer Volksschullehrerin über Computer reden, bekommen Sie die Krise. Wir führen regelmäßig Workshops mit Lehrern durch, die keine Ahnung haben, welche Medien ihre Schüler konsumieren. Und es gibt nach wie vor keine Angebote, Pädagogen an diese Thematik heranzuführen. Die Ausstattung an den Schulen ist desolat."

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Vier Tage wird auf dem Kongress Munich Gaming über Spiele diskutiert und referiert. Vielspieler Anatol Locker kommentiert für futurezone.ORF.at.

Cash oder Killerspiel

Irgendwann stolpert auch jeder Politiker über Probleme. Für den bayrischen Ministerpräsidenten Günter Beckstein, der am Montag die Munich Gaming eröffnete, war es nur ein kleines politisches Nebengeräusch – schließlich hat man in Bayern gerade mit der Landesbank zu tun.

Trotzdem sah man Beckstein an, dass er sich mit dem Hohelied auf Computer- und Videospiele nicht ganz leicht tat. "Killerspiele gehören schlichtweg verboten", diesen Hinweis ließ sich der Ministerpräsident auch in seiner Rede vor dem Spieleindustrie-Fachpublikum nicht nehmen. Da aber die Branche global gesehen inzwischen mehr Geld macht als Hollywood, will man sich natürlich ein Stück vom kommerziellen Kuchen abschneiden.

Verspielte Zukunft der Musikindustrie

Irgendwann macht jede Branche schwere Zeiten durch. Die Musikindustrie hadert schon seit Jahren mit sinkenden CD-Verkäufen.

Dass Verbote, Lobbyarbeit, Abmahnwellen und andere Peitschenhiebe in Richtung der Käufer wenig bringen, haben zumindest Teile der Industrie eingesehen und damit begonnen, sich nach neuen Geschäftsmodellen umzusehen. Dazu gehört, die Musik dorthin zu befördern, wo wirklich noch Datenträger verkauft werden, also auf dem Markt der Spiele.

Musik-Games gegen Schmuddel-Image

Musik-Games kommen der Computerspielebranche, die nach zwei Jahrzehnten des Medien-Schmuddelkind-Images nach Stars, Glamour und Anerkennung giert, sehr gelegen - weshalb der Trend auf der Munich Gaming gleich mit einer eigenen Podiumsdiskussion ins Rampenlicht gerückt wurde.

"Guitar Hero III" setzte sich an die Spitze der GfK-Verkaufscharts; ein Spiel, das bei längerem Zocken zu interessanten Hand- und Gelenkschmerzen führt, die der australische Games-Journalist Ben "Yahtzee" Croshaw kürzlich treffend mit dem Begriff "Wankers Cramps" zu umschreiben pflegte.

Für "Singstar" stellt Sony laut Aussage des Pressesprechers Guido Alt monatlich 30 neue Karaoke-Titel auf den Server. Denn jetzt wollen Activision ("Entfessle den Rockstar in Dir!") und Sony ("Damit jeder Deinen Singstar-Stil kennt!") die User animieren, eigene Videoperformances online zu stellen. Das soll den Spielern 15 Minuten Ruhm, Sony und Activision kostenlosen Content bringen. Ob diese Form von Communitys funktionieren wird, sei dahingestellt.

Fazit

Wer keine Krise als Chance braucht, ist die erste Ausgabe der Veranstaltung Munich Gaming, die am Dienstag zu Ende geht. Der Publikumsevent war mit ca. 500 Personen nur gering besucht, Panel-Diskussionen fielen eher kuschelig als kontrovers aus, harte Zahlen, Daten und Fakten wurden zugunsten der Imagepflege ausgeblendet.

Aber die Gaming-Branche stärker ins Licht zu rücken sowie Politik, Medien und Spielebranche an einen Tisch zu bekommen ist der Veranstaltung gelungen.

(Anatol Locker)