Arbeitsgruppe stellt Trojaner-Bericht vor
Justizministerin Maria Berger [SPÖ] und Innenminister Günther Platter [ÖVP] haben in Wien den Bericht der Arbeitsgruppe zur Online-Durchsuchung präsentiert. Verfassungsrechtler und Arbeitsgruppenleiter Bernd-Christian Funk warnte die Minister eindringlich davor, die Grenzen zwischen Prävention und Strafverfolgung verschwimmen zu lassen.
Am Mittwochvormittag hat die interministerielle Arbeitsgruppe, die von Innen- und Justizministerium im Oktober 2007 mit der Bewertung der Machbarkeit verdeckter Online-Durchsuchungen in Österreich beauftragt worden war, im Parlament ihren Bericht vorgestellt.
Als Vorsitzender der Arbeitsgruppe diente der Wiener VerfassungsrechtlerFunk. Funk war unter anderem von 1997 bis 2003 als Rechtsschutzbeauftragter für das Innenministerium tätig.
Der Bericht umfasst 98 Seiten, dazu kommen noch 165 Seiten an Materialien und eine CD-ROM. An seiner Verfassung waren Vertreter beider beteiligter Ministerien sowie externe Experten beteiligt.
Justizministerin Maria Berger und Innenminister Günther Platter bei der Vorstellung des Expertenberichts zur Online-Durchsuchung im Presseberich des Parlaments.
Der Bericht
Das Justizministerium hat den Bericht und seine Anhänge am Mittwoch Nachmittag ins Netz gestellt.
Platter: Umsetzung noch vor dem Sommer
Platter bezeichnete den Bericht als "sehr gute Grundlage für die weitere Arbeit". "Wir möchten den Fahrplan einhalten, dass das Gesetz noch vor dem Sommer beschlossen werden kann", so Platter. Der Ministerrat werde nun über das Thema debattieren. Platter: "Wir sind zeitlich gleich unterwegs mit der Bundesrepublik Deutschland, die ebenfalls diese Online-Durchsuchungen beschließen" wolle.
"Wir haben aufgrund der jüngsten Verurteilung in der Islamistenszene feststellen müssen, dass Österreich keine Insel der Seligen ist und dass die Exekutive erweiterte Befugnisse braucht", sagte Platter, der das Werkzeug der Online-Durchsuchung als notwendig zur Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität bezeichnete.
Auch bei Freiheitsberaubungen und dringendem Tatverdacht auf Vorbereitungshandlungen terroristischer Vereinigungen solle das neue Instrumentarium zum Einsatz kommen.
Platter: "Das Internet ist eine beliebte Plattform für den Terrorismus und die organisierte Kriminalität geworden. Dort wird Propaganda für Terrorismus gemacht, und es werden Anleitungen für Terroranschläge gegeben. Deshalb ist es dringend notwendig, dass die Exekutive weitere Befugnisse hat, damit man weitere Informationen über diese Kriminellen einholen kann. Es ist immens wichtig, dass wir mit dem Verbrechen Schritt halten können."
Zwei Arten der Installation
Konkret führte der Innenminister zwei Methoden zur Online-Durchsuchung an: "Es gibt einmal den Remote-Zugriff, bei dem ein Trojaner geschickt wird, und andererseits den physischen Zugriff, bei dem man den Laptop in der Hand hat und die entsprechenden Installationen durchführen kann."
Im Bericht selbst wird auch der Einsatz von Hard- und Software-Keyloggern zur Protokollierung der Tastatureingaben des Nutzers und Geräten zur Erfassung und Analyse elektromagnetischer Emissionen erwähnt. Auch die Auswertung der Kommunikation des Verdächtigen durch IP-Datenpaket-Analyse direkt beim Provider steht im Programm.
Das Vorgehen unterscheide sich vom Großen Lauschangriff dadurch, dass man dadurch Zugriff auch auf die schon vor längerer Zeit gespeicherten Daten erhalten könne, damit man wisse, welche Vorbereitungsarbeiten die Verdächtigen getätigt hätten.
Futurezone.ORF.at hatte bereits Ende Februar mit Funk über die Arbeit der Expertengruppe zur Online-Durchsuchung gesprochen. Es sei nicht einmal erwiesen, ob die Methode für die Fahndung überhaupt tauglich sei, so Funk zu ORF.at.
Berger: Beschränkung der Maßnahme
Justizministerin Berger wies darauf hin, dass der Einsatz der Online-Durchsuchung "auf Zwecke der Strafverfolgung bei ganz schweren Straftaten" beschränkt werden solle. Die Strafprozessordnung, in der die Online-Durchsuchung verankert werden soll, biete derzeit keine Möglichkeit dazu, die Online-Durchsuchung durchzuführen. Auch Platter sieht die Online-Durchsuchung nun am besten in der StPO verankert.
"Wichtigster Grundsatz des Gesetzgebers ist die Verhältnismäßigkeit", so Berger, die erwartet, dass die Online-Durchsuchung ungefähr so häufig eingesetzt werde wie der Große Lauschangriff, "also etwa einmal pro Jahr."
"Mit der Online-Durchsuchung sollen gerichtsfeste Beweise beschafft werden", ergänzte die Innenministerin. Auf Nachfrage von ORF.at, wie die digitalen Beweisstücke gerichtsfest gemacht werden sollten, sagte Berger, es gebe in der Tat "Unwägbarkeiten bei der Integrität der Daten". Auch Verfassungsrechtler Funk schaltete sich hier ein: "Absolute Sicherheit gibt es hier nicht. Das ist eines dieser Problemfelder bei der Online-Durchsuchung. Mit jeder beantworteten Frage werden fünf neue aufgeworfen."
Die Vorgeschichte der Arbeitsgruppe
Die Arbeitsgruppe war von Platter und Berger eingesetzt worden, nachdem sich die beiden Ressortchefs am 17. Oktober 2007 über die Einführung der verdeckten Online-Durchsuchung von Rechnern Verdächtiger einig geworden waren.
Seinerzeit verkündeten die Ministerien, dass die verdeckte Online-Durchsuchung bereits 2008 umgesetzt werden könne. Beobachter hatten bemängelt, dass sich die Ministerien ohne öffentliche Diskussion über das Thema schnell einig geworden waren.
Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk und Justizministerin Maria Berger
==Funk: Grenzen zur Prävention verschwimmen==
Funk sprach auch Platter direkt an und warnte diesen nachdrücklich davor, dass im Rahmen der Online-Durchsuchung die Grenzen zwischen Prävention und Strafverfolgung relativiert werden würden. "Im Klartext: Man kann im Effekt die neuen Befugnisse auch für präventive Zwecke funktionalisieren", so Funk.
Deutschland: Harte Kämpfe und Diskussionen
Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat am 27. März das heimliche Ausspähen von Computern an hohe rechtliche Hürden geknüpft und das nordrhein-westfälische Gesetz zur Online-Durchsuchung gekippt. Die deutsche Regierungskoalition will die Online-Durchsuchung dennoch schnell umsetzen.
Die Verfassungshüter entwickelten mit Blick auf die Gefahren der Online-Durchsuchung ein neues "Grundrecht auf die Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme".
Richtersenat soll genehmigen
Abgesichert werden soll die Online-Durchsuchung unter anderem dadurch, dass sie auf Antrag des Staatsanwalts nicht von einem einzelnen Richter angeordnet werden könne, sondern dass ein Richtersenat sie genehmigen müsse.
Auch die Befugnisse des Rechtsschutzbeauftragten des Innenministeriums sollen ausgebaut werden. Durch die nachträgliche Veröffentlichung der maßgeblichen juristischen Entscheidungen soll es auch ein rechtswissenschaftliches Begleitprogramm geben.
Aus Sicht der Juristen
Im Gespräch mit ORF.at verortet Richter Franz Schmidbauer die Online-Durchsuchung zwischen der herkömmlichen Hausdurchsuchung und der Telefonüberwachung. Während die Umsetzung in österreichisches Recht vergleichsweise trivial zu sein scheint, wachsen die Herausforderungen an die Rechtsprechung.
Abgesehen von den Folgen der Durchsuchungspläne für das Lebensgefühl im demokratischen Rechtsstaat stellt sich die Frage, inwieweit ein unter den Bedingungen der verdeckten Online-Ermittlung recherchiertes digitales Dokument vor Gericht als Beweis zählen kann.
(futurezone | Günter Hack)