Koalitionsstreit über Online-Durchsuchung
Führende Vertreter der SPÖ haben öffentlich ihre Bedenken über die Einführung der verdeckten Online-Durchsuchung in Österreich kundgetan. Die ÖVP hält das Maßnahmenpaket nach wie vor für sicherheitspolitisch unverzichtbar.
SPÖ-Klubobmann Josef Cap rät bei der Umsetzung der Online-Fahndung zu behutsamem Vorgehen. "Es ist wichtig, dass bei einem allfälligen Eingriff in die Grundrechte die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt", sagte er am Donnerstag am Rande der Nationalratssitzung zur APA.
Justizministerin Maria Berger [SPÖ] sprach er dabei volles Vertrauen aus, Cap setzt nun auf eine ausführliche Debatte über die Online-Fahndung. Berger und Innenminister Günther Platter [ÖVP] hatten sich schon im Oktober 2007 auf die Einführung der Online-Durchsuchung in Österreich geeinigt.
Caps Ansichten decken sich inhaltlich mit jenen Bergers: So dürfe die Online-Fahndung nur bei schweren Verbrechen angewandt werden, etwa im Zusammenhang mit Terrorismus und organisierter Kriminalität. Ebenso tritt der SPÖ-Klubchef dafür ein, erst eine richterliche Genehmigung für die Überwachung des Internet-Verkehrs der Betroffenen einzuholen. Auch Berichte an den Nationalrat müsse es bei der Online-Fahndung geben.
Platter beharrt auf Online-Durchsuchung
Platter teilt diese Bedenken des Koalitionspartners nicht. Wenn sich Verbrecher moderner Möglichkeiten bedienen, könne das Internet nicht straffreier Raum bleiben, sagte Platter am Rande einer Pressekonferenz am Donnerstag.
Angewendet werden soll die umstrittene Online-Durchsuchung vor allem bei schweren Delikten, die mit einer Strafe von mehr als zehn Jahren bedroht sind, und Terrorgefahr, so Platter. Anlässlich der Vorstellung des Berichts der interministeriellen Arbeitsgruppe zur Online-Durchsuchung am Mittwoch hatte sich Platter zuversichtlich gezeigt, dass die entsprechenden Regeln noch vor dem Sommer ihren Weg in die Strafprozessordnung finden würden.
Gewaltenteilung schwindet
Noch mehr Unbehagen mit den Plänen zur Online-Durchsuchung haben offenbar einige andere SPÖ-Abgeordnete. "Ich denke, wir brauchen hier wieder mehr Augenmaß", sagte Wissenschaftssprecher Josef Broukal im Ö1-Morgenjournal. "Wenn ich lese, dass auf E-Cards Fingerabdruck und Foto drauf sein soll, wenn ich diese ganzen Fantasien einer lückenlosen Überwachung der Menschen auch wegen geringster Delikte sehe, dann denke ich, ist hier einmal eine Güterabwägung am Platz", so Broukal.
Bauchweh hat auch SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim: "Ich glaube, es hat jeder, der sich mit rechtsstaatlichen Normen und deren Einhaltung befasst, bei diesem neuen möglichen, von Teilen geforderten Instrument ein gewisses Bauchweh, nicht zuletzt auch deshalb, weil wir ja auch im Zusammenhang mit dem Sicherheitspolizeigesetz und dessen Entwicklung auch dort mit den neuen Fahndungsmethoden beziehungsweise der Nichteinschaltung mehr richterlicher Genehmigungen keine allzu guten Erfahrungen gemacht haben."
"Sehr skeptisch" steht auch Konsumentenschutzsprecher und Datenschutzratsvorsitzender Johann Maier [SPÖ] der geplanten Online-Durchsuchung gegenüber. "Ich habe ein schlechtes Gefühl dabei", sagte Maier.
Einigkeit bei SPG-Novelle
Die umstrittene Novelle des Sicherheitspolizeigesetzes [SPG] vom 6. Dezember 2007, im Rahmen derer es den Sicherheitskräften ermöglicht wurde, ohne richterliche Kontrolle bei ad hoc definierter Gefahr im Verzug auf Telefon- und Internetverbindungsdaten sowie auf Handy-Standortdaten zuzugreifen, ist auch von der SPÖ geschlossen mit verabschiedet und von ihren Vertretern wiederholt verteidigt worden.
Nur zur Vorgehensweise der Sicherheitssprecher Rudolf Parnigoni [SPÖ] und Günter Kößl [ÖVP], die Novelle am Innenausschuss vorbei als letzten Tagesordnungspunkt der letzten Parlamentssitzung vor Weihnachten ohne vorherige öffentliche Diskussion vom Nationalrat absegnen zu lassen, waren vereinzelt kritische Stimmen zu hören.
Einsatzbereich unklar
Kein Verständnis für die Bedenken der SPÖ hat ÖVP-Justizsprecher Heribert Donnerbauer: "Die SPÖ darf nicht schon wieder den gemeinsamen Regierungsweg verlassen", forderte Donnerbauer den Koalitionspartner auf. Platter und Berger hätten sich schon auf die Online-Fahndung geeinigt.
"Mit dieser wichtigen und in der Regierung akkordierten Maßnahme werden der Terrorismus und die Kinderpornografie entschieden bekämpft. Es ist unverständlich, dass sich der SPÖ-Parlamentsklub von diesem gemeinsam akkordierten Weg verabschiedet", sagte der ÖVP-Justizsprecher. Platter hatte den Einsatzbereich der Online-Durchsuchung bisher bei der Ermittlung gegen organisierte Kriminalität und Terrorismus gesehen.
Bernd-Christian Funk, Verfassungsrechtler und Leiter der Arbeitsgruppe zur Online-Durchsuchung, hatte bei der Vorstellung des Berichts am Mittwoch bereits davor gewarnt, dass das im Rahmen dieser Initiative bereitgestellte Instrumentarium die Grenzen zwischen Prävention und Strafverfolgung verwischen lasse. "Im Klartext: Man kann im Effekt die neuen Befugnisse auch für präventive Zwecke funktionalisieren", so Funk.
Beweiskraft fragwürdig
Die im Bericht der Arbeitsgruppe zur Online-Durchsuchung erwähnte "Remote Forensic Software" alias "Polizei-Trojaner" verletzt die wichtigste Anforderung an ein professionelles Werkzeug der Computerforensik. Denn als beweiskräftig gelten unter Fachleuten nur Daten aus Computersystemen, auf die nicht vonseiten der Fahnder vorher Einfluss genommen wurde.
(APA | futurezone)