Kopierschutz hält sich hartnäckig

12.04.2008

Die Musikindustrie hat sich vom Digital Rights Management [DRM] im Online-Musikverkauf offiziell zwar weitgehend verabschiedet. DRM-freie Songs sind jedoch weiterhin Mangelware. Über Flatfee-Modelle kehrt der Kopierschutz in die Online-Musikdienste zurück, bevor er überhaupt verschwunden ist.

Im Februar vergangenen Jahres machte sich Apple-Chef Steve Jobs mit einem flammenden Plädoyer für die Abschaffung des Kopierschutzes im Online-Musikhandel stark. Nach EMI, das Ende Mai 2007 als Erster der vier großen Labels auf DRM im Online-Musikverkauf verzichtete, gaben auch die anderen großen Musikkonzerne [Universal Music, Warner Music und Sony BMG] reihum ihren Widerstand gegen den DRM-freien Verkauf ihrer Musik im Netz auf. Unabhängige Labels hatten dem Online-Verkauf ihrer Musik ohne Kopierschutz schon lange davor zugestimmt.

Kopierschutzbeschränkungen konnten den Tausch der Musik im Netz nicht verhindern und behinderten durch die von Käufern als frustrierend empfundene fehlende Interoperabilität der verschiedenen Formate das Wachstum des Online-Musikmarktes.

DRM-freie Tracks Mangelware

DRM-freie Tracks, die auf allen gängigen Musik-Playern abgespielt werden können, sind im Großteil der für österreichische Kunden zugänglichen Online-Musikdiensten jedoch nach wie vor Mangelware. Auch im Apple iTunes Store werden mehr als ein Jahr nach Jobs Vorstoß noch immer zwei Drittel der rund sechs Millionen angebotenen Titel mit Kopierschutzbeschränkungen versehen.

"Wir arbeiten daran, möglichst viele Songs im iTunes-Store DRM-frei anbieten zu können", teilte Apple-Sprecher Georg Albrecht ORF.at auf Anfrage mit. Auskünfte über die genaue Anzahl der in Österreich bereits erhältlichen DRM-freien Songs wollte Albrecht keine geben.

Während einige der großen Labels den Verkauf DRM-freier Songs auf iTunes verweigern, um die Konkurrenz - etwa den derzeit nur für US-Kunden zugänglichen Amazon-MP3-Shop - zu stärken, stünde dem Verkauf DRM-freier Musik von unabhängigen Labels im iTunes Store jedoch nichts im Wege.

"Frage der Ressourcen"

Die Umstellung auf DRM-freie Musik sei auch eine Frage der Ressourcen, sagte Günter Loibl vom Tullner Digitalvertrieb Rebeat Digital, der Labels und Musikern auch eine Software zum Upload ihrer Musik in Online-Musikdienste anbietet.

Sein Vertrieb habe wie viele andere unabhängige Labels und Distributoren entsprechende Verträge mit Apple bereits unterzeichnet. Die Umstellung auf Musik ohne Kopierschutz nehme jedoch Zeit in Anspruch, da mit den DRM-freien Tracks im iTunes-Store auch die Bitrate der Songs von 128 Kbit/s auf 256 Kbit/s verdoppelt wurde: "Wir müssen deshalb viele Inhalte, die wir bereits eingespielt haben, neu anliefern", sagte Loibl.

Songs ohne Kopierschutz liefert Loibl auch an zahlreiche andere Online-Musikhändler, etwa Musicload in Deutschland oder den in London ansässigen Großvertrieb 24-7 Entertainment, der in Österreich unter anderem für die Download-Portale der Telekom Austria [Aon Music Download] und des Einzelhändlers Libro die technologische Lösung und die Inhalte stellt.

Stufenweiser Switch zu MP3

24-7 Entertainment liefert derzeit rund 2,1 Millionen von insgesamt 3,5 Millionen Titel ohne Kopierschutzbeschränkungen im MP3-Format in die von dem Unternehmen bestückten österreichischen Online-Musikdienste aus. Darunter sei die Musik zahlreicher unabhängiger Labels sowie EMI-Titel, sagte 24-7-Entertainment-Geschäftsführer Frank Taubert zu ORF.at. Mit anderen großen Musikkonzernen werde derzeit noch verhandelt.

Bis Ende September sollte jedoch auch die Musik von Universal Music, Warner Music und Sony BMG in Österreich im MP3-Format vorliegen, so Taubert: "Die Labels stellen beim MP3-Verkauf Anforderungen an ihre Partner." Der Switch zum MP3-Format im "Pay-per-Download"-Geschäft werde wohl stufenweise erfolgen.

Auch beim Münchner digitalen Musikdienstleister music4brands, der in Österreich unter anderem die Online-Musikdienste von News Networld und DiePresse.com betreibt, bestätigt man, dass das kopiergeschützte Windows-Media-Audio-Format [WMA] in den Portalen noch weit verbreitet ist.

Ausschließlich MP3-Files ohne Kopierschutzbeschränkungen können österreichische Internet-Nutzer etwa bei dem auch in Europa aktiven, auf unabhängige Labels spezialisierten US-MP3-Abodienst eMusic erstehen. Daneben kann unter anderem auch auf den deutschen Vertrieb Finetunes und das auf Dance-Music spezialisierte Portal Beatport zugegriffen werden. Ausschließlich MP3s von österreichischen Künstlern finden sich auch bei manymusics.org.

Andere für österreichische Nutzer zugängliche kostenpflichtige Download-Dienste, wie etwa Libro und Aon Music Download, bieten nach wie vor weite Teile ihres Reportoires in kopiergeschützten Formaten an. Kostenlose MP3-Files unter Creative-Commons-Lizenzen gibt es unter anderem bei der vor kurzem gestarteten österreichischen Plattform Orange Music und bei Jamendo.

DRM kehrt mit Flatfee-Modellen zurück

Während der Kopierschutz beim Verkauf von Song- und Album-Downloads aus dem Online-Musikhandel also noch nicht verschwunden ist, zeichnet sich bereits ein Comeback von DRM-Systemen ab. Nämlich bei Flatfee- und Abomodellen, die sich ohne Kopiersperren gar nicht verwirklichen lassen. Internationale Musikkonzerne bereiten solche Modelle derzeit auf breiter Front vor.

Die Dienste sind nicht ohne Tücken. Denn mit dem Auslaufen der Abos verstummt in der Regel auch die Musik. Songs können zwar auf PCs und mobile Musik-Player transferiert werden, jedoch nur auf solche, die die jeweils verwendeten Kopierschutzsysteme unterstützen. Darüber hinaus können die Tracks nicht auf CD gebrannt werden.

Der Verband der österreichischen Musikwirtschaft, IFPI Austria, kündigte vor kurzem an, heimische Internet-Anbieter für solche Modelle gewinnen zu wollen. Vorstellbar ist etwa, dass die Kosten für die Nutzung der Musik von den Providern übernommen werden. Andere Szenarien sehen vor, dass Hardware-Hersteller mit ihren Geräten auch zeitlich begrenzt die Nutzungsrechte für ein breites Repertoire an Musik mitverkaufen.

"Modelle zur Kundenbindung"

Das seien interessante Kundenbindungs- und -akquisitionsmodelle, sagte Taubert, dessen Unternehmen Anfang April gemeinsam mit dem größten dänischen Internet- und Mobilfunkanbieter TDC den Dienst "Play" startete.

Damit bietet der Provider seinen Kunden zum Mobilfunk- oder Internet-Vertrag ohne Aufpreis Zugriffsrechte auf rund eine Million Titel von Künstlern wie Red Hot Chili Peppers, R.E.M. und Robby Williams.

Als Kopierschutz kommen beim Download auf den PC Windows-Media-Lösungen zum Einsatz. Auf dem iPod können die Titel also nicht angehört werden. Für den Download der Musik aufs Handy bedient man sich bei 24-7 Entertainment derzeit einer auf dem Open-Mobile-Alliance-1-Standard [OMA 1] basierenden selbst entwickelten Lösung zur digitalen Rechteverwaltung. Der Standard werde von vielen Herstellern unterstützt, sagte Taubert.

Industrie optimistisch

Industrie und auch einige Marktforscher beurteilen die Erfolgsaussichten solcher Modelle optimistisch und erhoffen sich dadurch einen Impuls für den seit Jahren schrumpfenden Musikmarkt. Denn Downloads konnten die Rückgänge im CD-Verkauf bisher nicht ausgleichen.

Der Optimismus der Branche in Bezug auf die Flatfee-Modelle mag verwundern. Denn Abomodelle kommen etwa im angloamerikanischen Raum und auch in Deutschland [über den Anbieter Napster] seit Jahren zum Einsatz - mit bescheidenem Erfolg. Im ersten Halbjahr 2007 machten die daraus generierten Umsätze laut der aktuellen Ausgabe des von der IFPI herausgegebenen Digital Music Report weltweit gerade einmal fünf Prozent der Gesamtumsätze im digitalen Musikgeschäft aus.

Zwar sollen diesmal nicht die Endnutzer, sondern Hardware-Hersteller und Internet-Anbieter die Kosten für die "gemietete Musik" übernehmen. Kostenlose Musik gibt es allerdings auch in Tauschbörsen, wo die Nutzungsrechte im Gegensatz zu den von den Interessensverbänden der Musikindustrie propagierten Flatfee-Modellen nicht eingeschränkt werden.

"Anarchie des Netzes monetarisieren"

Das Scheitern der Flatfee-Modelle ist also nicht auszuschließen. Der nächste Schritt wird aber bereits vorbereitet. Und zwar von Warner Music. Der Musikkonzern hat vor kurzem den Industrieveteranen Jim Griffin verpflichtet, der seit Jahren - unter anderem über die von ihm ins Leben gerufene Mailing-Liste Pho - einer Pauschalgebühr für Musik aus dem Netz ins Wort redet, die etwa von Internet-Anbietern eingehoben werden könnte.

Man wolle "die Anarchie des Internets monetarisieren", kündigte Griffin vor kurzem an. Von Nutzungsbeschränkungen der Musik-Files war dabei keine Rede mehr.

(futurezone | Patrick Dax)