19.07.2005

EU-RICHTLINIE

"Grober Unfug" Vorrats-Datenspeicherung

Die umstrittene EU-Richtlinienentwurf zur Vorratsspeicherung von Verkehrsdaten aus den Mobilfunknetzen und dem Internet stößt weiter auf Kritik.

Eine Ausdehnung des Zeitraums der Datenspeicherung auf bis zu drei Jahre, wie das ein Rahmenbeschluss des EU-Rates vorsehe, sei "hochgradiger Unfug", sagte der grüne Sicherheitssprecher am Dienstag. Zudem sei die Vorgangsweise des Rates [der Innen- und Justizminister] zur Vorratsspeicherung illegal.

Der Rat sei für die Materie nicht zuständig, da es sich um Gemeinschaftsrecht handle, erläuterte Pilz. Das Europäische Parlament habe die Vier-Staaten-Initiative von Frankreich, Irland, Schweden und Großbritannien zur Ausweitung der Vorratsdatenspeicherung auch abgelehnt. Daraufhin habe der Rat beschlossen, das Parlament aus dem Verfahren auszuschließen.Regierungsmehrheiten würden den Rahmenbeschluss in den nationalen Parlamenten umsetzen, dann könne man nichts mehr dagegen machen.

Davor hatte sich bereits der zuständige Branchenverband der österreichischen Wirtschaftskammer mit harschen Worten gegen die geplante EU-Rahmenrichtlinie [Data Retention] ausgesprochen.

216 Milliarden Datensätze

Heftige Kritik kommt in diesem Zusammenhang auch an Innenministerin Liese Prokop [ÖVP] und Justizministerin Karin Miklautsch [BZÖ]. Denn auch die beiden hätten dem Rahmenbeschluss zugestimmt.

Pilz verwies dazu auch auf ein internes Papier der Regierung zur Vorbereitung auf den EU-Vorsitz. Dabei werde vom juristischen Dienst des Rates und der Kommission datenschutzrechtliche Bedenken, die Verhältnismäßigkeit und den Kostenfaktor angeführt. Beide seien zudem zum Schluss gekommen, dass der Rat nicht zuständig sei.

Die Aufbewahrung der Daten für ein halbes Jahr, wie dies derzeit in Österreich üblich ist, hält Pilz für sinnvoll. Alles was darüber hinausgeht, ist seiner Ansicht nach unverhältnismäßig und ein starker Grundrechtseingriff im Vergleich zum sicherheitspolizeilichen Nutzen. Derzeit gebe es in Österreich pro Tag 200 Millionen Verbindungen. Wenn das über drei Jahre alles gespeichert werde, seien das 216 Milliarden Datensätze. Das sei ein "gewaltiger Datensumpf", in dem Polizisten "herumirren" und "ab und zu einen Drogendealer finden, aber sicher keine Terroristen".

Eventuell "richtige" Richtlinie

Es werde "ernsthaft in Erwägung gezogen", dass die EU-Kommission statt des Rahmenbeschlusses einen Richtlinienvorschlag mache, sagte Justiministerin Karin Miklautsch nach einem informellen Treffen in London mit dem britischen Innenminister Charles Clarke und EU-Justizkommissar Franco Frattini. Damit wäre auch das EU-Parlament in den Prozess eingebunden während der Rahmenbeschluss des Ministerrats das Parlament ausschalten würde.

Hinsichtlich der Dauer der Datenspeicherung sei noch keine endgültige Entscheidung gefallen, meinte Miklautsch. Bei Internetdaten seien sechs Monate in Diskussion, bei Telefondaten zwölf Monate. Bei letzteren sei auch noch zu klären, ob nur erfolgreiche oder auch erfolglose Verbindungsversuche gespeichert werden. In Österreich gibt es derzeit noch keine Verpflichtung zur Datenspeicherung.

SPÖ-Parteichef Alfred Gusenbauer hatte sich in der vergangenen Woche als Befürworter geoutet. Für Bundeskanzler Wolfgang Schüssel [ÖVP] ist die Speicherausweitung ein "interessanter Gedanke".

Vizekanzler Hubert Gorbach [BZÖ] ist "sehr dafür", dass Internet-Logfiles und vielleicht auch SMS gespeichert werden. Allerdings müsse man bei all diesen Maßnahmen auch die Kosten beachten