Wackeliger Bundestrojaner-Kompromiss
Der deutsche Kompromiss zur verdeckten Online-Durchsuchung steht. Sicherheitsbeamte dürfen zur Computer-Durchsuchung von Verdächtigen vorerst nicht heimlich in deren Privatwohnung eindringen. Doch die Innenminister der Länder fordern bereits mehr Befugnisse.
Programme zum Ausspähen von Daten, Trojaner, sollen nur über das Internet eingeschleust werden können. Das sieht der Kompromiss zwischen Innenminister Wolfgang Schäuble [CDU] und Justizministerin Brigitte Zypries [SPD] vor. Die umstrittene Online-Durchsuchung wird in der Novelle des Bundeskriminalamtsgesetzes [BKAG] zur Terrorismusbekämpfung geregelt.
Der große Schauangriff
Wie der Sprecher des Innenministeriums, Stefan Paris, am Mittwoch in Berlin deutlich machte, dürfen nach der Novelle die Sicherheitsbeamten zur Wohnraumüberwachung künftig nicht nur Mikrofone, sondern auch Kameras installieren. Dabei könne sehr wohl der Wohnraum betreten werden. Die deutschen Geheimdienste dürfen aber auch künftig keine Informationen verwenden, die bei Abhöraktionen von "verwanzten" Wohnungen gewonnen werden.
Schäuble hatte zunächst dafür plädiert, Sicherheitsbeamten auch zur Installation der Remote Forensic Software den Zutritt zur betroffenen Wohnung zu erlauben. Das Bundesverfassungsgericht hatte Ende Februar in einer Entscheidung für das Land Nordrhein-Westfalen Online-Durchsuchungen an hohe rechtliche Hürden geknüpft.
"Schlanke" Überwachung
Das Gericht bestätigte insofern die Position von Justizministerin Zypries und der SPD. Paris sagte nun, der Kompromiss mit seiner "schlankeren Lösung" sei für die Sicherheitsbehörden auch ohne Betreten der Wohnung "praktikabel". Zunächst sehe das Bundesinnenministerium keinen Nachbesserungsbedarf. Man werde - "in den wenigen Fällen" - bestehende und künftige technische Möglichkeiten nutzen, um Terrorverdächtige online zu überwachen.
Paris wies darauf hin, dass auch die Innenministerkonferenz der deutschen Bundesländer [IMK] in den kommenden Tagen im brandenburgischen Bad Saarow die Frage der Online-Durchsuchungen erörtern werde.
Einstieg durch die Hintertür
Dabei könnten die Minister möglicherweise zu einem Beschluss kommen, dass dafür sehr wohl ein heimliches Betreten der Wohnung möglich gemacht werden sollte. In diesem Fall müsse das Thema generell neu diskutiert werden. Der jetzige Kompromiss bewege sich jedenfalls in den von Grundgesetz und Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Grenzen. Das müsse auch für die Bundesländer gelten.
Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm [CDU], der derzeit Vorsitzender der IMK ist, bewertete die Einigung als "pragmatisch und richtig". Auch er deutete an, dass ein Eindringen in Wohnungen eventuell später erneut diskutiert werden müsse. Ähnlich äußerte sich Bayerns Justizministerin Beate Merk [CSU]: "Warum das Betreten der Wohnung ausgeschlossen sein soll, leuchtet mir nicht ein." Wenn nötig, müsse das mit Genehmigung eines Richters möglich sein. "Hier wird man nachbessern müssen."
Polizeigewerkschaft unzufrieden
Die Gewerkschaft der Polizei [GdP] bewertete den Kompromiss als "inkonsequent und unverständlich". Er erschwere den Schutz vor Terroranschlägen, sagte GdP-Chef Konrad Freiberg. Der Zugriff auf Computer von Terroristen via Kabel sei kompliziert und zeitraubend. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar begrüßte dagegen in der "Mitteldeutschen Zeitung" [Donnerstag-Ausgabe], dass es keine "Befugnis zum heimlichen Einbrechen in Wohnungen" mehr gebe.
Der Vorsitzende des Verbandes der deutschen Internet-Wirtschaft eco, Michael Rotert, sagte: "Die Online-Durchsuchung wird das Vertrauen der Computernutzer in die Sicherheit von Behördenportalen und Behördensoftware wie zum Beispiel dem Steuerprogramm Elster untergraben." Strafverfolger bedienten sich mit dem geplanten Vorgehen grundsätzlich derselben Technik wie "kriminelle Hacker".
Sozialdemokraten zufrieden
Die SPD-Fraktionsspitze begrüßte die Einigung über die Neufassung des BKA-Gesetzes und zur Online-Durchsuchung von privaten Computern. "Wir werden den Gesetzesentwurf unter strikter Beachtung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sorgfältig beraten", sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Fritz Rudolf Körper. Er sei zuversichtlich, dass die Neuregelung noch vor der Sommerpause vom Kabinett verabschiedet werden könne.
Die Opposition aus Grünen, FDP und Linken kritisierte die Einigung als zu weitgehend. Die Linke bezweifelte, dass die Einigung verfassungskonform sei.
(dpa)