Der Kampf ums Technologie-Know-how
Den Trend zur Online-Suche hat Microsoft einst genauso verschlafen wie das Internet selbst.
Konnte Microsoft den Browser-Konkurrenten Netscape noch mit reiner Marktmacht verdrängen, scheint der Softwarehersteller gegen den Such-Marktführer Google derzeit nur wenig in petto zu haben.
So kämpft Microsoft wie berichtet um den ehemals hochrangigen Mitarbeiter Kai-Fu Lee, der trotz einer Konkurrenzklausel zu Google gewechselt war. In den Klageschriften, die die beiden Unternehmen gegeneinander eingebracht haben, wurden dabei durchaus intime Einblicke bekannt.
Google führt in seiner Klageschrift etwa Details einer Unterhaltung zwischen Lee und Microsoft-Gründer Bill Gates an: "Kai-Fu, Steve [Ballmer, MS-Chef] wird dich und Google deswegen sicher klagen. Er hat auf so etwas gewartet, jemand auf höherer Ebene, der zu Google wechselt. Wir müssen das tun, um Google zu stoppen", soll Gates gesagt haben.
Kai-Fu Lee war Gründer von Microsofts Forschungslabor in China und soll nun auch für Google ein Forschungs- und Entwicklungslabor in China gründen. Zudem leitete er kurzfristig die Entwicklung der MSN-Suchmaschinentechnologie.
Online-Suche in China wird ausgebaut"The Google Challenge"
Eine Microsoft-Sprecherin wollte dazu keinen Kommentar abgeben, sagte aber, dass Microsoft Bedenken habe, weil Lee Kenntnis von sensiblen Infos zu Microsofts Suchgeschäft und der China-Strategie besitze.
Das Unternehmen führt weiter an, dass Lee im März an einer strategischen Sitzung der MS-Führung namens "The Google Challenge" teilgenommen habe. Zudem habe er das gesamte "Wettbewerbs-Handbuch" gegen Google bekommen.
Lee seinerseits gab vor Gericht an, dass Google ihn weder angeworben noch dazu ermutigt habe, die Abmachungen zwischen ihm und Microsoft zu brechen.
Diese Aussagen und dass überhaupt eine Klage eingebracht wurde zeigt, dass sich Microsoft ernsthafte Gedanken über die drückende Konkurrenz durch Google macht.
Für Google ist die ganze Klage reine Einschüchterungstaktik, damit solle vermieden werden, dass weitere Mitarbeiter von Microsoft zu Google wechseln. Laut "Fortune" haben bis März bereits rund 100 Mitarbeiter Microsoft in Richtung Google verlassen.
Google kämpft um neuen MitarbeiterWer ist Technologieführer?
Mit seiner Internet-Suche, Desktop-Suche, der Bildverwaltungs-Software Picasa, dem Freemail-Service Gmail und der Weblog-Community Blogger.com ist Google für viele die erste Anlaufstelle geworden, wenn es darum geht, das digitale Leben zu organisieren.
Obwohl sich immer mehr Menschen auch Gedanken über Googles Datensammelwut machen, ist die Firma bei weiten Teilen der Nutzer doch weitaus höher angesehen als etwa Microsoft - und verkörpert für viele den Technologieführer, nicht zuletzt weil Google seine Angebote gratis zur Verfügung stellt.
Microsoft dagegen ist mit seinen 30 Jahren zwar ein großer Konzern mit 40 Mrd. Dollar Barvermögen auf der hohen Kante, hat dafür alle damit verbundenen Nachteile wie etwa dem Instanzenweg und der unausweichlichen Unbeweglichkeit bei Entscheidungen.
Google bringt zudem konstant neue Programme und Services auf den Markt und sich selbst damit ins Gerede, während Microsofts neues Betriebssystem Windows Vista noch bis mindestens Ende 2006 auf sich warten lassen wird.
Google-Ausfall zeigt wahre DominanzDavid und Goliath
Rein marktwirtschaftlich gesehen bleibt Microsoft für Google vorerst uneinholbar: Im letzten Jahr verdiente Microsoft 12,3 Mrd. Dollar [10,1 Mrd. Euro], der Umsatz stieg von 36,84 Mrd. Dollar auf 39,8 Mrd. Dollar.
Google dagegen hat im letzten Quartal einen Nettogewinn von 342,8 Millionen Dollar [281,3 Mio. Euro] bei einem Umsatz von 1,38 Milliarden Dollar [1,13 Mrd. Euro] erwirtschaftet.
Google verdient das derzeit rein mit Werbung - an diesem Kuchen will Microsoft nun auch mitnaschen, auch um sich neue Geschäftsfelder zu erschließen und die geschäftliche Lücke bis Windows Vista zumindest halbwegs zu füllen.