Österreichs Städte im Glasfaserdilemma
Obwohl Wiener wie Grazer Stadtwerke über Tausende Kilometer verlegter Glasfaser verfügen, können sie diese Zugänge wegen fehlender Vorgaben der Politik nur völlig unzureichend vermarkten. Dementsprechend schleppend verläuft der Vertrieb an Privatkunden.
"Wir haben momentan 780 Privatkunden, bis Jahresende sind 1.500 angepeilt", sagte Hubert Gölles, Vertriebsleiter der Grazer Citykom, einer Tochter der Grazer Stadtwerke, zu ORF.at.
In den nächsten fünf Jahren ist gerade einmal ein Zuwachs auf 5.000 Kunden geplant. Momentan werden maximal 24 MBit/s Download mit einem Upstream von zwei MBit/s um 45 Euro angeboten, symmetrische Leitungen gibt es für Privatkunden nicht.
Die Bescheidenheit
Warum eigentlich so bescheiden, wenn die Stadt Graz nach eigenen Angaben "über das dichteste Glasfasernetz Österreichs" verfügt? 650 Kilometer Glasfaser sind bereits verlegt und werden in Teilen für Unternehmenskunden bereits seit Jahren bespielt.
Die Bandbreite ist von jeweils symmetrischen ein MBit/s bis ein Gigabit/s variabel, aber eben nur für Unternehmen, denn zum Privatkunden fehlt es an der Erschließung der vielzitierten "letzten Meile". Und die ist im urbanen Raum nun einmal sehr teuer, besonders teuer aber ist sie in Graz.
Die Laufmeter
180 Euro kostet das Verlegen eines Glasfaserkabels in Graz pro Laufmeter. Anders als in Wien, wo für die Verlegung in der Regel relativ schmale Schlitze gegraben werden können, muss in Graz der komplette Gehsteig neu asphaltiert werden.
Bei der Erschließung eines bestehenden städtischen Wohnbaus komme man so auf 10.000 bis 50.000 Euro und mehr, sagt Gölles, und das würde sich eben nur ab einer gewissen Zahl von Kunden im betreffenden Gebäude rechnen. Aus diesem Grund konzentriert man sich in Graz - wie vorerst auch in Wien - auf den Anschluss von Neubauten.
Die Finanzierung
Finanziert wird der Netzausbau der Grazer Citykom daher aus dem Cashflow, für den vor allem die 180 Geschäftskunden - in der Regel größere Betriebe - verantwortlich zeichnen.
In Wien stehen die Stadtwerke vor ein und demselben Dilemma. Laut Stadtwerke-Sprecher Christian Ammer stehen hier 1.400 Kilometer Glasfaserkabel - zumeist "Dark Fiber", also noch unbespielt - zur Verfügung. Dazu kommen 2.200 Kilometer bereits verlegte Leerrohre, in die Glasfaser einfach und kostengünstig mit Pressluft eingeblasen werden kann.
In Wien
Bis zu den Haushalten kommt man so aber nicht, auch hier muss gegraben werden. Trotzdem haben sich die Wiener mit 50.000 Kunden bis Ende 2009 ein ehrgeizig anmutendes Ziel gesetzt.
Anders als die Grazer Kommunaldienstleister setzen die Wiener auf ein "Open Access"-Modell. Das heißt, der Netzbetreiber lässt Internet-Provider, TV- und Video-on-Demand-Anbieter gegen Entgelt eigene Dienste anbieten.
Derartige Modelle liefen hervorragend in Skandinavien, sagt Ammer, das habe man sich dort angesehen, an die 80 bis 100 Partnerfirmen seien in den Glasfasernetzen dort aktiv.
Der offene Zugang
Die Wiener Stadtwerke haben bis jetzt fünf Partner, darunter die Telekom Austria als bisher einzigen Internet-Anbieter.
Ein "Open Access"-Modell geht nämlich davon aus, dass die lokalen Dienstleister über ein Glasfasernetz verfügen, das seit den 90er Jahren konstant bei anderen Grabungen mitverlegt worden ist.
Dazu kommt Synergie: Die Serviceanbieter von Digital-TV, Internet, VoIP-Telefonie, Video-on-Demand verfügen zusammen nicht nur über Vertriebsteams, sondern auch über Marketing-Budgets.
Fehlende "letzte Meile"
Da einmal erschlossene Glasfaserkabel enorm leistungsfähig sind - an Bandbreite mangelt es dezidiert nicht -, kann ein solcherart organisiertes Netz extrem schnell wachsen.
Kann, oder besser könnte, weil es nämlich an der "letzten Meile" fehlt. Weder den Wiener noch den Grazer Stadwerken nützt Werbung in Massenmedien momentan etwas, da sie ihre Services nur punktuell anbieten können.
Da deshalb breiter angelegtes Marketing nicht funktioniert, können auch besagte Synergien im Verkauf nicht umgesetzt werden.
Die Machbarkeit
Zum Vergleich: Bei den Stadtwerken Graz besteht das Verkaufsteam für schnelle Internet-Zugänge über das Glasfasernetz an Private lediglich aus zwei Personen.
Wer nicht in einem Neubau wohnt, müsste zwischen fünf und 15 andere Parteien im Haus finden, damit die "letzte Meile" dorthin gegraben werden kann. Anders ist es für die Netzbetreiber finanziell derzeit nicht machbar.
Fehlende Macher aus der Politik
Bei den Wiener und Grazer Stadtwerken handelt es sich um kommunale Dienstleister, die weit weniger frei agieren können als privatwirtschaftlich geführte Unternehmungen.
Die Linie geben die Stadt- und indirekt auch Bundespolitiker vor. Und von denen hörte man, wenigstens beim ersten Anlauf, wenig. Anfragen im Verkehrsministerium wie bei der neuen Grazer Stadtregierung laufen.
Im nächsten Teil dieser Serie wird zu lesen sein, warum man für eine schnelle Internet-Anbindung besser nach Ried im Innkreis [2.000 Kilometer Glasfaser bespielt] oder Slowenien [10 MBit/s symmetrisch für 14 Euro/Monat] umziehen sollte.
(futurezone | Erich Moechel und Studenten/-innen des Jahrgangs 2005 für Journalismus und Unternehmenskommunikation an der FH Joanneum in Graz)