Verunsicherung bei Autobahnüberwachung

21.04.2008

Nach dem Bekanntwerden der Regierungspläne, Daten aus Section-Control und Radarfallen auch gleich zur Strafverfolgung zu verwenden, warnen die Verkehrsclubs ÖAMTC und ARBÖ vor einer Zweckentfremdung der Verkehrssicherheitssysteme.

Bereits im Jänner hatte Verkehrsminister Werner Faymann [SPÖ] angekündigt, eine rechtliche Grundlage für den Einsatz von Verkehrsüberwachungskameras an Autobahnen zur Verbrechensbekämpfung schaffen zu wollen. Er bezog sich dabei auf einen Abschnitt im Regierungsprogramm, dem gemäß "taugliche Rechtsgrundlagen für Videoüberwachung durch Private im öffentlichen Raum geschaffen" werden sollen.

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Die Systeme

Bisher rätselt man bei den betroffenen Verbänden und bei der ASFINAG noch darüber, worum es bei der Zweitverwertung der Daten aus Verkehrsüberwachungssystemen eigentlich gehen soll.

"Das ist eine politische Entscheidung", sagt Klaudia Niedermühlbichler, Sprecherin der ASFINAG, auf Anfrage von ORF.at. "Wenn man uns gesetzlich verpflichtet, die entsprechende Ausrüstung bereitzustellen, werden wir das tun."

Insgesamt betreibe die ASFINAG 1.206 Kameras in verschiedenen Verkehrsüberwachungssystemen. 1.000 davon, etwa Tunnelkameras, würden ihre Bilder nicht aufzeichnen, so Niedermühlbichler. 200 Kameras sind in der Überprüfung der Lkw-Maut eingesetzt und zeichnen Bilder auf.

Ebenso die fünf Kameraanlagen, die in den drei Section-Control-Systemen eingesetzt werden. Deren Bilder gehen nicht an die ASFINAG, sondern direkt an die Polizei. Das bisher noch experimentelle mobile System, das an Privatfahrzeugen das Vorhandensein der Autobahnvignette prüft, zeichnet die Bilder von Vignettensündern auf und verwirft alle anderen sofort.

ARBÖ skeptisch

"Dazu kämen noch die Radargeräte", ergänzt Lydia Ninz, Sprecherin des ARBÖ. "Mir ist allerdings schleierhaft, was es bringen soll, diese Daten etwa mit Listen gestohlener Wagen abzugleichen, zumal die Fahrer von den Radargeräten nicht bildlich erfasst werden. Das gilt auch für die Daten aus der Section-Control. Man kann damit vielleicht herausfinden, dass ein gestohlener Wagen irgendwann in Kaisermühlen vorbeigefahren ist. Aber auch nur dann, wenn der Fahrer die Geschwindigkeitsbegrenzung übertreten hat."

Man müsse sich fragen, wo in einer solchen Konstruktion der Mehrwert liege, so Ninz, die sich auch dagegen ausspricht, etwa die Section-Control weiteren Überwachungszwecken zuzuführen. "Es muss bei den Verkehrsbeobachtungssystemen weiterhin zuallererst um die Verkehrssicherheit gehen. Diese Systeme sollten nicht überfrachtet werden", so Ninz. "Schließlich ist auch die Zahl der gestohlenen Autos ständig rückläufig."

In der Tat verzeichnete die Jahresstatistik des Innenministeriums für 2007 einen Rückgang der Pkw-Diebstähle um 21,4 Prozent oder 1.113 Fälle.

Warten auf den Entwurf

Ansonsten wartet der ARBÖ auf den Entwurf des Ministeriums. "Wir haben von den Plänen auch erst aus den Medien erfahren", so Ninz.

Auch dem ÖAMTC sind noch keine Details der ministeriellen Pläne bekannt. "Wir haben die Entwürfe noch nicht", sagt Martin Hoffer von der Rechtsabteilung des Clubs auf Anfrage von ORF.at. "Daher kann ich auch noch nichts zu den Plänen sagen. Natürlich fühlen wir uns von den bisher bekannten Informationen insofern bestätigt, als wir schon bei Einführung der Section-Control davor gewarnt haben, dass die dort gewonnenen Daten noch zu anderen Zwecken verwendet werden könnten. Damals hat man diese Bedenken noch harsch zurückgewiesen. Unsere Erwartungen haben sich als richtig erwiesen", so Hoffer.

ÖAMTC: Zweifel am Zeitplan

Um die "Zweitverwendung" der Daten aus der Section-Control zu erlauben, müssten nach Ansicht des ÖAMTC-Juristen die Straßenverkehrsordnung und das Kraftfahrgesetz geändert werden. Hoffer: "Ich glaube aber nicht, dass das noch zum Juni verabschiedet werden kann."

Auch Hoffer zweifelt am Sinn der Maßnahme. "Wie gesagt, ich habe noch keinen Entwurf gesehen. Wir sind auch keine Puristen. Aber ich zweifle daran, dass man Kriminelle fassen kann, indem man die Daten aus Verkehrskontrollsystemen auswertet."

Hebel DSG-Novelle

Nach Ansicht des LIF-Nationalratsabgeordneten Alexander Zach und des ARGE-Daten-Obmanns Hans Zeger ist ein Teil der Grundlage für die Zweitverwertung der Daten mit Paragraf 50a der derzeit zur Begutachtung stehenden Novelle des Datenschutzgesetzes [DSG] bereits gegeben.

Zeger und Zach wiesen im Rahmen einer Pressekonferenz am vergangenen Donnerstag darauf hin, dass dieser Paragraf es der Polizei erlaube, verdachtsunabhängig die Daten aus privaten digitalen Überwachungskameras - etwa jenen der ASFINAG - zur Fahndung hinzuzuziehen. Auch das Sicherheitspolizeigesetz [SPG] erlaube bereits den Einsatz von Systemen zur Kennzeichenerkennung zur "Abwehr eines gefährlichen Angriffs" ohne Konsultation eines Richters, wenngleich Zach glaubt, dass diese Regelung im SPG für einen pauschalen Zugriff der Polizei auf die Verkehrskontrollsysteme noch nicht ausreiche.

Im Arbeitsprogramm der Bundesregierung, so Zach, sei vorgesehen, bis Juni einen Punkt namens "Verkehrsüberwachung" abzuarbeiten, was darauf hindeute, dass die Regelung zur Nutzung der Kamerasysteme der ASFINAG zu polizeilichen Fahndungszwecken kurz bevorstehe.

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Der Entwurf zur Novelle des Datenschutzgesetzes führt unter anderem das Konzept einer zentralen Datenbank aller genehmigten privaten Videoüberwachungsanlagen ein. Bei Bedarf soll die Polizei auf die Daten aus diesen Anlagen zugreifen dürfen.

Novelle der Straßenverkehrsordnung

Während Verkehrsminister Faymann am Freitag lediglich bestätigen wollte, dass man sich derzeit in seinem Hause mit einer Novellierung der Straßenverkehrsordnung befasse, die noch heuer in Kraft treten solle, ging das Innenministerium mit einer Verlautbarung an die Öffentlichkeit, der gemäß Daten aus Radarfallen und aus der Section-Control auch "zu Fahndungszwecken und Aufklärung von Straftaten" verwendet werden sollen.

Es seien keine verdachtsunabhängige Speicherung der Daten aus ASFINAG-Kameras und kein automatischer Abgleich dieser Daten geplant.

Eine Anfrage von ORF.at beim Verkehrsministerium, das bei diesem Projekt federführend ist, läuft.

(futurezone | Günter Hack)