Österreicher skeptisch bei Handy-TV

23.04.2008

Bereits zum zweiten Mal hat am Dienstag das Symposion TVienna zu Fernsehen und Medienwandel stattgefunden - heuer mit Schwerpunkt mobiles TV. Handy-TV via DVB-H soll in Österreich am 1. Juni starten. Die heimischen Nutzer zeigen sich aber angesichts der Kosten und der kleinen Bildschirme noch skeptisch, wie eine Umfrage der Uni Wien ergab.

TVienna ist eine Initiative des Publizistikinstituts der Uni Wien und soll, so Institutsleiter Hannes Haas, "den Medienwandel analysieren und dokumentieren". Die TV-Digitalisierung habe den Grundstein für mobiles Fernsehen gelegt, nun werde eine neue Definition des Rundfunkbegriffs nötig.

Auch die für Medien zuständige Ministerin Doris Bures [SPÖ] betonte diesen Aspekt und erklärte, dass die Branche mit Handy-TV ein ganz neues Terrain erobere. Sie lobte in ihren Eröffnungsworten auch den Austausch zwischen Markt und Wissenschaft, der im Rahmen des Symposiums stattfinde.

Starttermin 1. Juni steht

Alfred Grinschgl, RTR-Geschäftsführer für den Bereich Rundfunk, erläuterte den Prozess der Lizenzvergabe, aus dem Ende Februar Media Broadcast als Multiplex-Betreiber für DVB-H hervorging. Als Programmaggregatoren sind die Mobilfunker One und Hutchison Austria ["3"] an Bord.

Als Starttermin für Handy-TV via DVB-H hat man sich den 1. Juni vorgenommen, der Beginn erfolgt also rechtzeitig zum Start der Fußball-EM. Bis Ende 2008 werde eine großflächige Versorgung der Landeshauptstädte [deep indoor] angepeilt, bestätigte Media-Broadcast-Projektleiter Berthold Heil und strich die Vorreiterrolle Österreichs heraus: "Was hier erreicht worden ist, hat Vorbildcharakter. Österreich ist dabei führend in Europa."

DVB-H vs. DVB-T

Digital Video Broadcast to Handheld [DVB-H] ist eine Erweiterung des DVB-T-Standards, also dem digitalen Fernsehen über Antenne wie es in Österreich seit Oktober 2006 schrittweise eingeführt wurde.

DVB-H setzt auf DVB-T auf. Da die Bildauflösung für die kleinen Bildschirme von Handys nicht sehr hoch sein muss, ist die zu übertragende Datenmenge sehr viel kleiner als bei DVB-T. Dadurch können mehr Programme ausgestrahlt werden, zudem wird beim Stromverbrauch gespart.

DVB-T steht für Digital Video Broadcasting - Terrestrial, also digitales Fernsehen über Antenne. Derzeit sind darüber die Programme ORF1, ORF2, ATV, Puls4, ORF Sport Plus und 3sat verfügbar.

Die Dauer der Multiplex-Zulassung für mobilen terrestrischen Rundfunk beträgt nun zehn Jahre.

Ausweichmanöver mit DVB-T

Angesichts der zu erwartenden monatlichen Gebühren von bis zu zehn Euro für Handy-TV stellt sich jedoch die Frage, ob DVB-H nicht durch die steigende Zahl an mobilen Geräten für den [kostenlosen] DVB-T-Empfang noch vor seiner Einführung in Gefahr gerät.

Die mobilkom austria, bis heute nicht Teil des "Gewinnerkonsortiums", hatte etwa zuletzt eine Mobilfunkdatenkarte mit einer integrierten herkömmlichen digitalen Fernsehantenne [DVB-T] zum mobilen TV-Empfang auf dem Laptop vorgestellt.

Zum Thema Handy-TV über DVB-H äußerte sich mobilkom-Marketingvorstand Hannes Ametsreiter zuletzt kritisch: "Wenn das Angebot wirtschaftlich nicht interessant ist, machen wir's nicht. Wir sind ein börsennotiertes Unternehmen." Wenn das Unternehmen bei einem Endkundenpreis von monatlich fünf bis sieben Euro sechs Euro an Media Broadcast, 1,50 Euro an die Verwertungsgesellschaft AKM und 20 Prozent Mehrwertsteuer zahlen müsse, komme man auf einen negativen Deckungsbeitrag.

Heil: DVB-H ist überlegen

Angesprochen auf die Konkurrenz durch DVB-T, zeigte sich Media-Broadcast-Projektleiter Heil am Dienstag im Gespräch mit ORF.at gelassen: "DVB-T richtet sich an eine ganz andere Zielgruppe. In Österreich sind darüber nur sechs Programme verfügbar, es gibt also weniger Angebot. Aus Tests in Deutschland haben wir auch die Erfahrung gemacht, dass die technische Qualität hinter der von DVB-H zurückbleibt. Darum glaube ich, dass DVB-T insgesamt nicht so gut ankommen wird."

Auch beim Projektpartner Hutchison verweist man auf die technische Unterlegenheit. "DVB-T ist durch den hohen Stromverbrauch nicht für den mobilen Empfang und das Netz nicht für den Indoor-Empfang ohne größere Zimmerantennen ausgelegt", so Geschäftsführer Berthold Thoma.

Weitere Gespräche mit Betreibern

Auf die Frage, ob der Zug für eine breite österreichische Lösung mit allen Betreibern an Bord nun abgefahren sei, betonte Heil gegenüber ORF.at, dass noch nichts final entschieden sei. "Wir sind noch nicht pessimistisch. Wir haben momentan sehr viele Dinge gleichzeitig zu erledigen", so Heil. Media Broadcast stehe weiteren Gesprächen aber offen gegenüber.

Zur Entwicklung der Nutzerzahlen von Handy-TV zeigte sich Heil über die in einer Studie der FH Salzburg als "worst case" bezeichneten Prognose von rund 700.000 Nutzern bis 2012 durchaus angetan [Der "best case" sieht immerhin 3,12 Mio. Nutzer vor]. "Das sind immerhin fast zehn Prozent der österreichischen Handynutzer".

T-Mobile schaut auf den Preis

Media Broadcast verfolge den Ansatz, auch mit nur zwei Betreibern wirtschaftlich agieren zu können. "Daher sehen wir uns gut aufgestellt", zeigte sich Heil optimistisch.

Auch beim zweitgrößten heimischen Betreiber T-Mobile signalisierte eine Sprecherin am Dienstag in Sachen DVB-H Gesprächsbereitschaft. Auf die Ausweichmöglichkeit DVB-T angesprochen, meinte sie: "Wir haben immer gesagt, dass DVB-H nicht die einzige Möglichkeit ist." DVB-H könne nur dann erfolgreich sein, wenn der Preis stimme. Diese Voraussetzung sei aber im Moment nicht gegeben.

Nutzer noch skeptisch

Für Erstaunen sorgten im Rahmen von TVienna auch die Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage des Instituts für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, für die österreichweit 732 Personen zwischen 15 und 49 Jahren befragt wurden. Im Gegensatz zu früheren Ergebnissen zeigten sich die Befragten durchaus skeptisch gegenüber Handy-TV.

Mehr als zwei Drittel gaben an, sich wegen Handy-TV kein neues Mobiltelefon zulegen zu wollen. Rund 50 Prozent schlossen auch aus, aus diesem Grund den Betreiber zu wechseln. Der Großteil wäre höchstens bereit, zwischen zwei und fünf Euro im Monat für Handy-TV zu bezahlen, während ein Drittel ein Modell über Werbefinanzierung bevorzugen würde. Die Inhalte sollten den Wünschen der Befragten zufolge kurz sein, Nachrichten, Serien und Sport sind am meisten gefragt.

Abschreckend wirkten auf die Nutzer vor allem die Kosten [68,3 Prozent] und der kleine Bildschirm [47,4 Prozent]. Nur 2,6 Prozent gaben an, Handy-TV sicher nutzen zu wollen, sobald es angeboten wird.

Als mögliche Nutzungssituationen nannten die Befragten neben dem Warten auf öffentliche Verkehrmittel, Staus und langen Autofahrten auch den Gebrauch zu Hause - etwa auf dem Balkon, in der Badewanne oder auf der Toilette.

16 Programme für "unter zehn Euro"

Die Mobilfunker One und "3" sehen vor, ein umfangreiches Basispaket [16 Programme] "zu einem monatlichen Preis, der erschwinglich ist", anzubieten. Dieser werde "sehr wahrscheinlich" unter zehn Euro liegen, erklärte One-Chef Michael Krammer bei der Antrittspressekonferenz des Konsortiums im März. Laut Konzept sei vorgesehen, dass die Betreiber 4,50 Euro pro Kunde an Media Broadcast zahlen.

Alexander Koppel, Produktentwickler von Hutchison, zeigte sich bei den angepeilten Nutzerzahlen von Handy-TV "sehr optimistisch". Man wolle rasch die kritische Masse erreichen. Mindestens 200.000 bis 300.000 Gesamtnutzer brauche die Branche schon.

Hutchison setzt auf Nokia N77

Bei Hutchison werde rechtzeitig zum DVB-H-Launch das DVB-H-fähige Nokia N77 zur Verfügung stehen. Darüber hinaus soll es auch USB-Modems/Datenkarten mit DVB-H und Navigationsgeräte mit DVB-H-Empfänger geben, erfuhr ORF.at auf Anfrage. Zu den Preisen hielt sich Hutchison noch bedeckt.

Ob eine Förderung durch den österreichischen Digitalisierungsfonds für die erste Tranche der DVB-H-Geräte zustande kommen wird, steht laut Hutchison noch nicht fest.

One-Chef Krammer hatte zuletzt noch von "kundenfreundlichen" Preisen gesprochen, die jedenfalls im zweistelligen Bereich liegen sollen.

(futurezone | APA | Nayla Haddad)