Online-Fahndung: Ermittler machen Druck

kriminalistik
23.04.2008

Auf einer Tagung zur Online-Fahndung in Wien haben Kriminalisten und IT-Experten gegenüber der Regierung abermals die Gefahr aus dem Internet beschworen. Auch der deutsche BKA-Chef Jörg Ziercke plädierte erneut für die Einführung der verdeckten Online-Durchsuchung von Rechnern Verdächtiger.

Die in letzter Zeit heftig umstrittene Online-Fahndung solle für das Innenministerium lediglich "Ultima Ratio" für die Verfolgung Krimineller sein. Das beteuerte der Chef der Rechtssektion, Mathias Vogl, bei einer Tagung zum Thema am Mittwoch. Demnach soll der Zugriff auf fremde Systeme nur dann erfolgen, "wenn alles andere nicht geholfen hat". Vogl sprach auch davon, dass lediglich auf richterliche und staatsanwaltschaftliche Weisung gehandelt werden solle.

"Die Kriminellen sind den Strafverfolgungsbehörden meistens einen Schritt voraus", rechtfertigte Vogl die Notwendigkeit der geplanten Online-Fahndung, bei der es bereits ein Abkommen zwischen Justiz und Justizministerium gibt. Synchron zu der geplanten Maßnahme müssten auch umfangreiche Rechtsschutzmaßnahmen ausgebaut werden. Die Einbindung eines Rechtsschutzbeauftragten ist auch für Vogl dringend notwendig. Nach wie vor gilt auch im Ministerium der Standpunkt, dass die Online-Fahndung lediglich bei schweren Verbrechen angewandt werden solle. Vogl: "Ziel ist es nicht, digitale Eierdiebe zu fangen." Der Rechtsschutzbeauftragte ist allerdings dem Innenministerium zugeordnet und kann keine richterliche Kontrolle ersetzen.

Sicherheit und Freiheit

Befürchtungen, dass die Online-Fahndung auch zur Vorbeugung von Verbrechen eingesetzt werden könnte, versuchte Vogl zu entkräften: "Die Kriminalpolizei wird diese Maßnahmen niemals auf eigene Faust oder bei Gefahr in Verzug einsetzen können." Der Sektionschef setzt sich weiter für die Einführung der Maßnahme ein. "Der vielfach behauptete Gegensatz von Sicherheit und Freiheit ist ein scheinbarer."

Denn auch kriminelle Bedrohungen würden die Freiheit der Bürger einschränken. Zumindest müsse man mit Entwicklungen, durch die Kriminelle und terroristische Organisationen profitieren würden, "zumindest annähernd Schritt halten".

Rechtsstaat "intakt"

Michael Sika, Präsident des Kuratoriums Sicheres Österreich, hielt ebenfalls ein Plädoyer für die Online-Fahndung. Die organisierte Kriminalität könne man nur dann effektiv bekämpfen, wenn die notwendigen Mittel zur Verfügung stehen würden. Daher müsse man den Entwicklungsstand mit der Kriminalität "abstimmen". Sika kritisierte die Art und Weise, wie die Diskussion über die Online-Fahndung in Österreich ablaufe. "Diese wird leider nicht mit der gebotenen Sachlichkeit geführt." Er beruhigte: "Der Rechtsstaat ist nach wie vor intakt."

Einen Überblick über den Stand der Online-Durchsuchung in Deutschland lieferte der Präsident des deutschen Bundeskriminalamts, Ziercke. "Technische Innovationssprünge prägen die Kriminalität des 21. Jahrhunderts", stimmte er in den Tenor der Veranstaltung ein. Die Polizei habe einen erheblichen technischen Anpassungsbedarf.

Der Anpassungsbedarf

Technische Aspekte zur Online-Durchsuchung erläuterte Reinhard Posch, Chief Information Officer der Bundesregierung. Er sagte, dass es sich bei den installierten Programmen um keine Schadsoftware handeln werde und die Software eigens auf die zu überwachende Person zugeschnitten sein würde.

Im Bericht der interministeriellen Arbeitsgruppe zum Thema Online-Durchsuchung war bei den Fahndungsmethoden unter anderem vom Einsatz von Keyloggern und "Remote Forensic Software" die Rede, mit der die Rechner verdächtiger Personen verdeckt überwacht werden könnten. Computerforensik-Experten zweifeln an der Beweiskraft von Informationen, die über solche Systeme gewonnen wurden, da dazu ein Eingriff in das beobachtete Computersystem notwendig ist.

Mehr zum Thema:

Keine Analogie zur Hausdurchsuchung

Die von der Regierung geplante und heftig umstrittene Hausdurchsuchung ist für den Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk keine "digitale Hausdurchsuchung". Eine solche Analogie sei durch die geltende Gesetzeslage nicht möglich, sagte er bei der Tagung am Mittwoch. Aus diesem Grund könne man auch die rechtlichen Bedingungen der Hausdurchsuchung nicht für die Online-Fahndung heranziehen.

"Es hat auch solche Argumentationen geben", so Funk zum Vergleich von Online-Fahndung und Hausdurchsuchung. Von welcher Seite, verriet er nicht. Er argumentierte seinerseits mit dem vorherrschenden Analogieverbot bei Grundrechtseingriffen. Funk war Leiter der interministeriellen Arbeitsgruppe von Innen- und Justizressort zur Umsetzung der Online-Fahndung in Österreich.

Keylogging "derzeit nicht legal"

Dass noch zahlreiche rechtliche Bedenken bei der Einführung der Online-Fahndung zu klären seien, erklärte Wolfgang Bogensberger vom Justizministerium. Die Frage sei vor allem, welche Art der Observation rechtlich gedeckt sei und was nicht. So sei etwa das Keylogging, also das Ausspionieren von Passwörtern, indem man Tastatureingaben nachvollzieht, derzeit keine legale Ermittlungsmethode. Dementsprechend muss auch die Strafprozessordnung angepasst werden.

Im Raum steht auch, ob man das Schreibverhalten mittels hochauflösender Kamera beobachten solle. Derzeit auch nicht rechtlich gedeckt: eine heimliche Ferndurchsuchung der Festplatte. Bogensberger bemerkte wie seine Vorredner, dass es sich bei der Online-Fahndung um ein sehr sensibles Thema handle: "Die Besonderheit liegt zweifellos in ihrer hohen Eingriffsintensität und Reichweite."

(APA | futurezone)