EU-Passagierdatenpläne "bizarr"
Der oberste EU-Datenschützer Peter Hustinx hat sich am Montag in Wien für "proaktiven Datenschutz" ausgesprochen. Alle der EU vorliegenden Projekte, in denen sicherheitsrelevante, persönliche Daten verarbeitet werden, müssten künftig schon bei der Planung auf Datenschutzverträglichkeit geprüft werden, sagte Hustinx zu ORF.at.
"Je stärker wir von Technologie abhängig werden, desto stärker muss Technologie für Datenschutzzwecke eingesetzt werden." Das sagte der oberste EU-Datenschützer Peter Hustinx am Montag auf der international besetzten PRISE-Konferenz ["Privacy and Security"] in der Österreichischen Akademie der Wissenschaften [ÖAW].
In einem Grundsatzpapier, das am Montag veröffentlicht wurde, forderte der oberste EU-Datenschützer denn auch "Privacy by Design", also "eingebauten Datenschutz", für alle EU-Sicherheitsinitiativen ein. Besonders betreffe das alle Forschungsprogramme, die etwa zur Förderung eingereicht wurden.
"Proaktiver Datenschutz"
Datenschutzinstitutionen hätten nämlich nicht nur die Rolle, nachträglich Einspruch zu erheben, sondern sollten auch "proaktiv" tätig sein.
Das heißt, EU-Datenschützer sollten in alle Entscheidungen über Technologieentwicklung zu einem möglichst frühen Zeitpunkt konsultiert werden.
Peter Hustinx am Montag in der Akademie der Wissenschaften in Wien.
==Die "Datenschutz-Matrix"==
Im Rahmen der PRISE-Konferenzreihe wurde von den Beteiligten - acht europäische Datenschutzbehörden und Institutionen wie das Institut für Technikfolgenabschätzung der ÖAW - dann eine "Datenschutz-Matrix" vorgestellt.
Es handelt sich dabei um einen Fragenkatalog, der in Zukunft auf alle der EU vorgelegten Technologieprojekte angewendet werden soll. Kompatibilität mit den bestehenden Datenschutzgesetzen würde damit von vornherein ein Kriterium für EU-Förderungen sein.
Biometrie, Flugpassagiere
Und wie verhält sich das bei Projekten der EU-Kommission selbst? Wie lässt sich etwa Datenschutz in die EU-Vorhaben zur zentralen Erfassung von biometrischen Merkmalen oder in die ebenfalls geplante zentrale Datenbank aller Flugbewegungen einbauen?
Im Gespräch mit ORF.at am Rande der Konferenz betonte Hustinx, dass die geplante Passagierdatenbank ein "nicht völlig durchdachtes" Unternehmen sei.
"Das ist schon bizarr"
Vier Monate nachdem die Europäer von den USA zur Übermittlung der persönlichen Daten der Flugpassagiere gedrängt worden waren und dann diese wider Willen geliefert hätten, seien seitens der EU-Kommission eigene Pläne für eine noch weiter gehende Datensammlung vorgelegt worden.
"Das ist schon bizarr", bemerkte Hustinx, der betonte, dass sich seine Institution von Anfang an gegen das Projekt per se ausgesprochen habe. Auch die von Ex-Kommissar Franco Frattini vorgelegten "Visionen" für 2015 - immer mehr Datensammlungen, immer mehr Anwendungen für Biometrie - fielen in diese Kategorie, so Hustinx.
Biometrie im Pass "überhastet"
Ebenso sei die Aufnahme biometrischer Daten in die Reisepässe durch die EU unter "immensem Druck" gestanden und damit ein ziemlich "überhastetes Unterfangen" geworden. "Man sollte sich dafür die nötige Zeit nehmen. Sicherheit ist viel zu wichtig, um sie überhastet abzuhandeln", sagte Hustinx zu ORF.at.
Was die aktuelle Entwicklung angeht, so zeigte sich der oberste EU-Datenschützer optimistisch. Immer öfter höre man aus dem EU-Parlament: "Genug ist genug", wenn neue Pläne zur Intensivierung der Bürgerüberwachung aufs Tapet kämen.
"Genug ist genug"
Die im neuen EU-Vertrag erweiterten Entscheidungsbefugnisse des EU-Parlaments seien ein weiterer Faktor, der sich positiv auf die Anwendung der Datenschutzgesetze auswirken werde.
Immerhin habe eine der beiden großen Fraktionen öffentlich gemacht, in Hinkunft deutlich schärfere Datenschutzkriterien anzuwenden und alle neuen einschlägigen Überwachungsvorhaben besonders kritisch auf ihre Datenschutzverträglichkeit zu prüfen.
"Wir könnten bereits an einem Wendepunkt sein", meinte Hustinx abschließend.
(futurezone | Erich Moechel)