Der lange Abschied von Windows XP
Service Pack 3 für Windows XP ist seit Dienstag verfügbar. Damit könnte die Verbreitung von Windows Vista einen weiteren Rückschlag erleiden. Bisher hat Microsoft Probleme, sein jüngstes Betriebssystem unters Volk zu bringen - vor allem in Firmen.
Letzte Woche sorgte Microsoft-Chef Steve Ballmer mit einer Bemerkung am Rande einer Veranstaltung in Belgien für Aufsehen, als er in Aussicht stellte, dass der Verkauf von Windows XP vielleicht doch nicht per 30. Juni eingestellt werde, wenn die Kunden das wünschten.
Damit nährte Ballmer erneut die Hoffnung auf eine Verlängerung des Verkaufs von Windows XP, die bereits rund 160.000 XP-Anhänger dazu bewegt hat, das online zu fordern.
Kurze Zeit später wurde diese von einem Microsoft-Sprecher allerdings wieder zerstört: Der Verkauf von Windows XP werde zum 30. Juni 2008 eingestellt. Nur OEM-Hersteller können auf ihren Kleinstrechnern XP noch bis zum 30. Juni 2010 installieren.
Hersteller verkaufen XP statt Vista
Dell, Lenovo und Hewlett-Packard [HP] haben allerdings einen legalen Ausweg gefunden, ihren Kunden auch weiterhin XP anbieten zu können: Sie nutzen einfach die Vista-Lizenzbedingungen aus, die für Vista Ultimate und Vista Business ein Downgrade auf Windows XP Professional erlauben. Lenovo liefert dazu Recovery-CDs aus, Dell und HP installieren Windows XP auf Wunsch gleich ab Werk.
Bis 30. Jänner 2009 biete die geltende Lizenz den Hardware-Herstellern diese Möglichkeit, so HP Österreich gegenüber ORF.at. Solange die Kunden Windows XP nachfragen, werde HP das vorinstallierte XP auch anbieten. Der Kunde kann dabei jederzeit statt XP Vista installieren, wenn er das wünscht.
Firmen wollen kein Vista
Vor allem Geschäftskunden würden von Haus aus XP verlangen, je kleiner ein Kunde, desto eher nehme er Vista. In einem großen Netzwerk sei es aber nicht so einfach, bestehende Systeme und Infrastruktur auf ein neues Betriebssystem umzustellen, so HP.
Auch Lenovo will an seiner aktuellen Strategie festhalten, auf jeden Fall bis Ende Juni, der Rest hänge stark von Microsofts weiterer Entscheidung ab. "Das könnte auch sehr kurzfristig sein sein", so Lenovo Österreich gegenüber ORF.at.
Dell gab auf Anfrage von ORF.at an, bezüglich des Dauer des Programms in engem Kontakt mit Microsoft zu stehen. Solange es von Microsoft unterstützt werde, werde Dell es auch anbieten. Im Privatbereich seien vor allem die Gamer an XP interessiert, da viele Spiele und Peripheriegeräte speziell für XP gemacht worden sein.
Hersteller von Billig-PCs können Windows XP Home bis zum Juni 2010 oder bis zu ein Jahr nach der Vorstellung der kommenden Windows-Version 7 auf ihren Rechnern installieren.
Kein "Wow" für Vista
Für Microsoft ist das ein schwerer Schlag: Die letzten Quartalszahlen zeigen bereits deutlich, dass sich Vista nicht mit dem gewünschten "Wow"-Effekt verkauft und hinter den Erwartungen zurückbleibt.
Zwar zählen die von Dell, HP und Lenovo "modifizierten" Vista-XP-Rechner auch zu den Vista-Verkäufen, in der Realität kommt auf diesen Maschinen aber Windows XP zum Einsatz - Käufervertrauen sieht anders aus.
Linux statt Vista?
Microsoft argumentierte in einem Gespräch mit Analysten letzte Woche unter anderem damit, dass Vista auch unter einer neuen Welle von unrechtmäßig kopierter Software zu leiden habe, da vor allem in Asien mehr "unlizenzierte" PCs ausgeliefert worden seien - ob auf diesen nicht vielleicht etwa das freie Betriebssystem Linux zum Zug kam, erklärte Microsoft freilich nicht.
Totalumstiege sind schwierig
Der Administratorenspruch "Never change a running system" scheint gerade Vista, das zwar mit offenbar mehr Sicherheit, abseits davon aber kaum mit Argumenten für einen Totalumstieg aufwarten kann, zum Verhängnis zu werden. Oder wie es ein Marktbeobachter ausdrückte: "Wen oder was genau soll Vista ablösen?" Etwaige Sicherheitsprobleme früherer Windows-Versionen wurden meist durch andere Maßnahmen ausgeglichen, die Netzwerke sind stabil, ein Wechsel schlicht nicht notwendig.
Mit dem am Dienstag erschienenen Service Pack 3 für XP, das nun alle Patches und Updates für XP enthält und die Installation und Wartung von XP wieder vereinfacht, dürfte nun noch ein Argument hinzukommen, um bei XP zu bleiben.
Die Olympischen Sommerspiele in Peking werden jedenfalls nicht unter Microsofts neuestem Betriebssystem Vista, sondern mit dem Vorgänger XP betrieben. "Die höchste Priorität ist, dass es funktioniert", erklärt Hardware-Sponsor Lenovo die Entscheidung.
Auf den Spuren von Windows Millennium
Zwar hat Microsoft seit dem Start von Vista hart darum gekämpft, dass Vista als innovativ und unabdingbar für die optimale Computernutzung gilt, doch bisher haben die Bemühungen nur wenig Früchte getragen. Vielmehr rutscht die Bedeutung des zugrunde liegenden Betriebssystems, zumindest auf der Windows-Seite, immer mehr in den Hintergrund, bis auf die Tatsache, dass Vista mehr Anforderungen an die Hardware stellt.
Während Linux und das Mac OS immer mehr loyale Anhänger gewinnen, ist es den Microsoft-Kunden offenbar egal, welche Windows-Version nun hinter ihrem Mail-Client, ihrem Browser und ihrer Office-Suite arbeitet - Hauptsache, es funktioniert.
Großkunden könnten abspringen
Auf Microsoft könnte dabei noch ein weiteres Problem zukommen: Viele Großkunden haben vor Jahren ein Betriebssystem aus Redmond gekauft und im Rahmen von Enterprise Agreements monatlich Zahlungen an Microsoft geleistet, um jederzeit auf eine frisches Betriebssystem umsteigen zu können.
Zwischen XP und Vista haben sie nun aber deutlich mehr eingezahlt, als sie rausbekommen haben, da Vista mehrmals verschoben wurde. Sollte Windows 7 nun auch wieder auf sich warten lassen, könnten Microsoft eine Reihe Geschäftskunden wegfallen, die sich dann nach einer Alternative umschauen.
(futurezone | Nadja Igler)