Zwist um geplante Datenspeicherpflicht
Streit über die Speicherung von Telefon- und Internet-Daten [wer mit wem wann wo kommunziert] hat das informelle Treffen der europäischen Innen- und Justizminister am Donnerstag überschattet.
Der geplante EU-Beschluss [Data Retention Proposal] über Umfang und Dauer der Speicherung sei kaum noch zu schaffen, sagte die deutsche Justizministerin Brigitte Zypries im britischen Newcastle. Sie rechne nicht mit einem Minstererratsbeschluss bis Oktober.
Damit wird immer wahrscheinlicher, dass der Vorstoß Großbritanniens, Schwedens und anderer, die einen Beschluss unter Ausschaltung des EU-Parlaments im Ministerrat durchsetzen wollten, kein direkter Erfolg beschieden sein wird.
Zypries bekräftigte, die Daten sollten höchstens sechs Monate gespeichert werden, ihr deutscher Ministerkollege Otto Schily trat hingegen für mindestens ein Jahr Speicherzeit ein.
Telekoms und Internet-Provider hatten bereits mehrfach angekündigt, keinesfalls die zu erwartenden Mehrkosten für Lagerung, Wartung und Absicherung der enormen zu erwartenden Datenmengen im vielfachen Terabyte-Bereich tragen zu wollen.
Gastinger: "Lustiger" Debatten-Herbst steht bevorDie Delegation aus Österreich
Österreich, das sich ebenfalls offen für eine Verlängerung der Speicherzeiten von Telefon-Verbindungsdaten gezeigt hat, wird beim Treffen durch Justizministerin Karin Gastinger [BZÖ] und Innenministerin Liese Prokop [ÖVP] vertreten.
Geäußert hat sich bisher in Österreich SPÖ-Konsumentenschutzsprecher Johann Maier. Aus Sicht des SPÖ-Abgeordneten ist eine Speicherung von Telefon- und Internet-Daten unter noch zu definierenden Auflagen für einen Zeitraum von maximal sechs Monaten grundsätzlich vorstellbar.
Um die Kosten wird derzeit allerdings noch gestritten: In Österreich musste das Justizministerium laut Gastinger alleine 2004 rund sechs Mio. Euro für die insgesamt 3.700 gerichtlich angeordneten Telekom-Überwachungen bezahlen.
EU-weit laufen Datenschützer und Bürgerrechtsorganisationen Sturm gegen die geplante Speicherpflicht.
Eine im Juli gestarte Unterschriften-Kampagne hält bei mehr als 40.000 Unterzeichnern.Dauer + Umfang = Kosten
Die Telefonnetzbetreiber warnten die EU, keine Entscheidungen gegen sie zu treffen. Problematisch sei vor allem, wenn die EU Daten sammeln lasse, die bislang gar nicht erhoben werden.
Darunter fallen in einigen Ländern etwa Anrufe, bei denen niemand abnimmt, die Bewegungsprofile von Mobiltelefonierern und die Empfängeradressen von E-Mails. Zypries und Schily sprachen sich dagegen aus, die Telekom-Unternehmen auch zur Speicherung bisher nicht erhobener Daten zu verpflichten.
Das würde bedeuten, dass Internet-Provider, die ihre Kunden direkt ans Internet anbinden, nicht gezwungen sein werden, allein zu Zwecken der Protokollführung in Zukunft Proxy-Server einrichten müssen. Schily und Zypries wandten sich auch dagegen, alle versuchten Anrufe ohne erfolgreiche Verbindung aufzuzeichnen.
Großbritannien, das die EU-Ratspräsidentschaft innehat, strebt eine EU-weite Speicherung der Daten von mindestens einem Jahr an. Nach derzeit geltendem Recht ist die Vorratsspeicherung von personenbezogenen Daten EU-weit explizit untersagt.
Frontalangriff auf EU-DatenschutzStreit um Technik und Kosten
Dagegen hat sich nämlich die Deutsche Telekom ausgesprochen, die ihre Datenerfassungssysteme dafür stark verändern müsste. Da in dem Fall keine Gebühren anfallen, ist eine Speicherung dieser Art von Verbindungsdaten technisch einfach nicht vorgesehen. Allein die Deutsche Telekom erwartet dadurch Mehrkosten in dreistelliger Millionenhöhe.
Besondere Probleme bereiten die EU-Pläne den Unternehmen auch bei der Internet-Telefonie. Michael Rotert vom Verband der Europäischen Internetbetreiber sagte, dabei ließen sich Telefonnummern technisch nicht ohne den Inhalt der Gespräche speichern. "Das tut und will aber niemand", sagte er.
Der britische Innenminister Charles Clarke sagte, Kostanargumente seien fehl am Platz. Die britische Regierung entschädige ihre Telekomunternehmen in voller Höhe und zahle dafür rund acht Millionen Euro im Jahr, so ein Sprecher. Mobilfunkunternehmen hätten ihre Datenspeicherung gerade erst auf ein Jahr ausgedehnt und dafür maximal vier Millionen Euro bezahlt.