Glasfaser von den Kanalräumern
In Wien baut ein Tochterunternehmen der Gemeinde namens CableRunner Austria im Kanalsystem ein eigenes Glasfasernetz. Mit eigener Technik ist die Verlegung im Kanal pro Laufmeter rund um die Hälfte billiger als Grabungen. Die letzten paar Meter verlegt eine Robotermaus.
Es ist schon paradox. Gegenüber den skandinavischen Staaten, den Niederlanden, Italien, aber auch Slowenien und der Slowakei ist Österreich vom Angebot her nur als Glasfaser-Entwicklungsland zu bezeichnen.
Dabei ist Österreich seit jeher eines der Länder mit der höchsten Glasfaserdichte der Welt in Verhältnis zu Größe und Bevölkerungszahl, was die verlegten Kilometer angeht.
Leerrohre und Druckluft
ÖBB, Stromversorger, kommunale Dienstleister und andere legen seit den frühen 90er Jahren bei allen größeren Bauprojekten spezielle Leerrohre, in die Glasfaserkabel problemlos mit Druckluft eingeblasen werden können.
Seit mehr als zehn Jahren binden die Stadtwerke in Graz, Innsbruck oder Wien - teils über Tochterfirmen - Industriebetriebe an.
Herren der Ringe
Die Provider Telekom Austria, UPC-Telekabel, Tele2, Silver Server und Onstage sowie die Mobilfunker betreiben ebenfalls Glasfaserringe. Am fehlenden Glasfaser-Know-how liegt es jedenfalls nicht, dass Österreich so im Hintertreffen ist.
Wer hätte sich nämlich gedacht, dass auch die Kanalräumer - wie der Wiener etwas despektierlich sagt - über ein eigenes Glasfasernetz verfügen?
Genauer gesagt handelt es sich um eine Tocherfirma der Gemeinde Wien, die aus Beschäftigten der Magistratsabteilung 30 hervorgegangen ist.
"Technologie- und wettbewerbsneutral"
"Unser Credo ist, ein unabhängiges Netz herzustellen, das technologie- und wettbewerbsneutral ist", sagte Herbert Paller von der Cablerunner GmbH in Wien zu ORF.at.
Das heißt, man baut am eigenen Netz, das bereits 250 Kilometer quer durch Wien geht, praktisch ganz Wien liege "im Bereich von 500 Metern rechts und links unserer Trasse", so Paller.
Halbierte Verlegungskosten
Und da sind die "Kanalräumer", die sich selbst entwickelter Verlegetechnik bedienen aus zwei Gründen stark im Vorteil.
Da fast überhaupt nicht gegraben werden muss, weil die Glasfaserstrecken in die existierenden Abwasserkanälen eingezogen werden, komme man auf Laufmeterkosten von 80 bis 90 Euro, sagt Paller.
Das ist weit unter dem Preis, der für den gegrabenen Meter fällig wird. In Graz sind das etwa 180 Euro, In Wien ist die Graberei auch nicht viel billiger zu haben.
"Nagetierverbiss"
Der zweite Vorteil ist, dass ein Abwasserkanal bei praktisch jedem Bauobjekt in den Städten vorhanden ist.
Während die großen Verbindungsstrecken in übermannshohen Kanälen seitlich an der Wand mit speziellen Schutzhüllen gegen "Nagetierverbiss" führen, kriecht die "Cablerunner Mouse" in die Hausanschlussrohre.
An deren Scheitelpunkt montiert der Kanalroboter die schmalen Kabelschächte, die gegen "aggressive Abwasserinhaltsstoffe resistent" sein müssen.
Verbundene Objekte
Dazu stellt CableRunner Austria auch Strecken für Kunden her, vor allem solche aus der Wirtschaft, aber auch Ministerien und "besser situierte" Wohnobjekte.
Die ersten Hauseigentümer hätten nämlich bereits erkannt, dass sich ihre Objekte besser vermieten ließen, wenn sie an die schnelle Faser angeschlossen seien.
Kanalräumer in Madrid
Die GmbH, an der erst jüngst ein privater, nicht genannter Investor die Mehrheitsanteile erworben hat, verrichtet auch Auftragsarbeiten in anderen Städten und das nicht nur in Österreich.
Wer hätte sich wohl gedacht, dass Kanalräumer vom Wiener Magistrat zu Technologie-Entwicklern würden, die superschnelle Datenleitungen in Wien und Madrid verlegen, wo die CableRunner GmbH bereits eine Niederlassung hat?
Eigentlich ist es gar nicht paradox, zumal die Abwasserkanäle Wiens die allerersten kommunalen Netze waren, die unter Einsatz öffentlicher Mittel gegraben wurden.
(futurezone | Erich Moechel)