Parallel-Duell um Datenspeicherpflicht
Die EU-Kommission legte den Richtlinienentwurf vor, der Internet- und Telekom-Betreiber verpflichtet, Verkehrsdaten von Telefonaten und E-Mails sechs bzw. zwölf Monate lang zu speichern. Das gab Justizkommissar Franco Frattini am Vormittag bekannt.
Unter der britischen EU-Präsidentschaft ist derweil im Rat eine Parallel-Richtlinie in Vorbereitung, deren neueste Version vom 16. September europaweit Speicherpflichten zwischen einem und vier Jahren vorsieht ["Data Retention"].
Die britische EU-Präsidentschaft sei "fest entschlossen", bis zur nächsten Sitzung der EU-Innenminister eine "substanzielle Einigung" zur geplanten Rahmenrichtlinie zur Datenspeicherpflicht zu erreichen.
Zwei konkurrierende Entwürfe für eine Richtlinie
So heißt es in der Einleitung zum neuesten, noch geheimen Entwurf
zur Ratsrichtlinie, die mit der Richtlinie der EU-Kommission direkt
konkurriert [EU-Dokumentennummer 12236/05, COPEN 142].
Rat will EU-Parlament ausschließen
Die geplante Speicherpflicht für Telefonverkehrsdaten und Internet-Logfiles soll nach dem Willen Englands, Frankreichs, Irlands und Schwedens unbedingt im Rat verabschiedet werden, um das EU-Parlament aus dem Entscheidungsprozess auszuschließen.
Das kann der Ministerrat, wenn dabei interne Einstimmigkeit besteht. Danach sieht es freilich vorderhand nicht aus.
Der Ratsentwurf offenbart vielmehr starke Gegensätze unter den einzelnen Mitgliedsländern, welche Daten denn nun gespeichert werden sollen und wie lange das erlaubt bzw. verpflichtend ist.
Vorbehalte aus allen Mitgliedsstaaten
Im Entwurf des Rats sind nämlich auch die Einwände der nationalen
Delegationen vermerkt. Und die sind mehr als reichlich vorhanden,
das Dokument ist mit Einwänden und Prüfungsvorbehalten
["reservation, scrutiny reservation, general reservation"] aus allen
Mitgliedsstaaten geradezu gespickt.
Die Vorbehalte Österreichs
Eine ganze Reihe an Vorbehalten kommt dabei aus Österreich.
Zusammen mit Deutschland, Finnland und Tschechien hat sich die österreichische Ratsdelegation gegen das flächendeckende Tracking aller Handybenutzer im Zwölfstundenrhythmus ausgesprochen.
Desgleichen gibt es einen Generalvorbehalt Österreichs gegen Artikel fünf über "Datensicherheit und Datenschutz" der erhobenen Datensätze. Mit Deutschland wiederum sprach man sich dagegen aus, auch die Verkehrsdaten von Telefonaten abzuspeichern, bei denen keine Verbindung zu Stande kam.
Ein österreichisch-deutscher Vorstoß, kleine Internet-Provider von der allgemeinen Speicherpflicht auszunehmen, wurde von der Mehrheit der Delegierten hingegen abgelehnt.
ISPA Austria: Datenspeicherpflicht unnötig, dafür teuerChat, Web-Logfiles, FTP, P2P
Manch anderen Staaten geht der Ratsentwurf - der vom Ansatz her im Widerspruch zur EU-Richtlinie zum Datenschutz und zu bestehenden nationalen Datenschutzgesetzen steht - noch nicht weit genug.
Neben Verkehrsdaten von E-Mail - wer hat wann wem eine Mail geschickt bzw. eine erhalten - und VoIP-Telefonaten verlangt eine nordische Allianz von Dänemark, Schweden, Litauen und Estland sowie Belgien auch die Speicherpflicht von Web-Logfiles, Chat, FTP-Übertragungen und Peer-to-Peer-Verbindungen.
Nächste Tagung der Innenminister im Oktober
Die britische Präsidentschaft wird versuchen, die
Rahmenrichtlinie bis zur nächsten Tagung der Innen-und
Justizminister im Oktober zu finalisieren.
Kostenersatz für die Provider
Die Kommission schlägt in ihrem Entwurf zusätzlich vor, den Telekom-Betreibern die durch die Speicherung anfallenden Zusatzkosten zu erstatteten.
Wie dies genau geschehen und von welchen Geldern dies bezahlt werden soll, überlässt die Kommission den einzelnen EU-Staaten.
Dagegen wiederum hatte es im Rat starke Vorbehalte gegeben, im Ratsentwurf ist daher kein Kostenersatz für die Provider vorgesehen.