EU-Zwist um Datenspeicherpflicht
Die ungewöhnlich scharfe Ablehnung ihrer Pläne durch den Innen- und Justizausschuss des EU-Parlaments am vergangenen Dienstag hat die Hardliner unter den EU-Innenministern offenbar wenig beeindruckt.
Bereits am Donnerstag saß man in Brüssel wieder zusammen, um die harsch kritisierte Rahmenrichtlinie des Rats zur verpflichtenden Speicherung von Verkehrsdaten - wer mit wem wann wo telefonisch oder via Internet kommuniziert - weiter voranzutreiben.
Angeführt vom britischen Innenminster und Ratsvorsitzenden Charles Clarke versuchen derzeit die EU-Innenminister Englands, Frankreichs, Irlands und Schwedens eine EU-weite Entscheidung unter Ausschluss des Parlaments zu fällen.
Data Retention
Dazu ist im Ministerrat freilich Einstimmigkeit nötig, und die
besteht - wie futurezone.ORF.at berichtete - unter den
Mitgliedsländern derzeit nicht.
Das Timing der Richtlinie
Nationale Datenschutzgesetze in Österreich und Deutschland verbieten die "Vorratsspeicherung" von personenbezogenen Daten bis jetzt ausdrücklich. Die Rahmenrichtlinie des Rats sieht hingegen eine generelle Speicherverpflichtung von bis zu vier Jahren vor.
Nach Willen der britischen EU-Präsidentschaft sollte die Rahmenrichtlinie, die unter dem Titel "Data Retention" läuft, schon beim nächsten Treffen der Innen- und Justizminister am 12. Oktober verabschiedet werden.
Das EU-Parlament zur Rahmenrichtlinie des RatsKlassische Parallelaktion
Angesichts der sichtbar gewordenen tiefen Differenzen im Rat wird nun das Jahresende als absolute Deadline angestrebt. Dann endet nämlich die britische EU-Präsidentschaft - und die österreichische beginnt.
Auf diese könnte ein schweres Erbe zukommen, nämlich zwei rivalisierende Richtlinien als klassische "Parallelaktion" im Musilschen Sinne.
Diesmal halt nicht in Alt-Österreich angesiedelt, sondern in allen drei "Säulen" der EU: Ministerrat, Kommission sowie einem EU-Parlament, das dem Rat heuer schon einmal die Rechnung für Missachtung präsentiert hatte. Die vom Rat betriebene Software-Patentrichtlinie war zu Sommerbeginn mit überwältigender Mehrheit im Parlament abgeschmettert worden.
Die Ratsrichtlinie selbst ist derzeit noch nicht freigegeben, eine Version vom 16. September findet man allerdings bereits im Netz. Besonders interessant sind dabei die Fußnoten, die Vermerke enthalten, welches EU-Land zu welchem Punkte Vorbehalte hat.
Die Position Österreichs
Österreich und Deutschland haben mit die gewichtigsten Vorbehalte
geäußert und fanden bei der Mehrzahl auch Unterstützung von Holland,
den baltischen Staaten, Finnland und anderen.
"Cover Note" an Solana
Wie aus einem EU-internen Schreiben ["Cover Note" EU-Dok. Nr. 126671/05 ADD 1, "limite"] vom 27. September an Generalsekretär Javier Solana hervorgeht, stellen Mitgliedsstaaten, die Telekoms und Internet-Provider dazu verpflichten, Verkehrsdaten zu speichern, bis jetzt eine kleine Minderheit dar.
In 15 der 25 Staaten - darunter Deutschland und Österreich - gibt es keinerlei Datenpeicherpflicht für Ermittlungszwecke.
Die übrigen zehn Mitgliedsländer haben die nationalen Datenschutzgesetze nach 9/11 aufgeweicht und verpflichtende Speicherfristen für Verkehrsdaten eingeführt. Tatsächlich umgesetzt wird die Maßnahme allerdings nur in einem halben Dutzend Staaten, wobei die Fristen von drei Monaten bis zu vier Jahren reichen.
Die britische EU-Präsidentschaft