Mobilkom zeigt UMTS-Nachfolgesystem
Die mobilkom und Nokia Siemens Networks haben in Wien das Mobilfunknetz der nächsten Generation vorgestellt. Der Breitbanddienst Long Term Evolution [LTE] soll Datentransfers mit mehr als 100 MBit/s schaffen. Auf welchen Frequenzen er funken wird, steht noch nicht fest.
Am Mittwoch wurde Österreich seinem Ruf als Mobilfunktestmarkt gleich zweimal gerecht. Die mobilkom und Nokia Siemens Networks [NSN] demonstrierten erstmals nicht nur die neueste und schnellste UMTS-Version I-HSPA, es gab auch die erste Live-Demo von Datentransfer über das UMTS-Nachfolgesystem LTE zu sehen.
I-HSPA oder "Internet-High Speed Packet Access" erhöht die maximale Datenrate pro Funkzelle schon einmal auf ziemlich genau zehn MBit/s im Download, die Architektur entspricht dabei bereits weitgehend jener des Nachfolgers LTE.
Verflachte Netzwerkstruktur
Der Schlüssel für die höhere Bandbreite heißt dabei "Verflachung" der Netzwerkstruktur und Integration. Um kürzere Latenzzeiten zu erreichen, wurde - vereinfacht gesagt - die Anzahl der Komponenten ["Nodes"] zwischen Endgerät und Internet verringert.
So wurde der "Radio Network Controller", bisher ein eigenes Netzwerkelement, direkt in die Basisstation integriert, der nächste Schritt betrifft dann den Gateway.
Boris Nemsic mit 100 MBit/s
Der Kasten links [MIMO Demonstrator] enthält die Antennen, entspricht also einer drahtlosen Basisstation, das zugehörige "Handy" wiederum ist die schwarze Box rechts. Boris Nemsic, genauer gesagt ein Video mit dem TA-Chef, wird gerade live von links nach rechts via LTE über die Frequenz 2,1 GHz übertragen.
Über die beiden archaisch anmutenden Drehregler in der Mitte wird die Sendeleistung gedrosselt. Das wichtigste Element des neuen mobilen Breitbandsystems fehlt nämlich noch: Die Frequenzbänder für LTE sind noch nicht zugeteilt.
==GPRS adieu==
Der aus der GSM-Ära stammende Gateway "GPRS Support Node", der bis jetzt noch für die Datenverbindungen zu netzinternen Diensten und dem Internet zuständig ist, wird dann durch den "Service Architecture Evolution Gateway" abgelöst.
Mit LTE wird damit eine Evolution vollzogen, die man so beschreiben könnte: Aus einem typischen Telefonienetz mit zusätzlichem Datenkanal wird ein reines Datennetz, in dem auch Telefonie möglich ist, nämlich in Form von Voice over IP.
Der Sendeteil der Demonstrationsanlage mit Mobilkom-Vorstand Hannes Ametsreiter [l.] und einem Techniker.
==VoIP-Telefonie==
Das entspricht zwar gar nicht den Wünschen der Telekoms selbst, die sich wegen der unweigerlich weiter fallenden Margen bei Telefonaten lange gegen einen reinen Datendienst gesträubt hatten, dafür aber der technischen Entwicklung.
Mit der Einführung von LTE regiert das Internet-Protokoll auch in den Telefonienetzen, deren Architektur damit völlig verändert wird.
Stufen der Evolution
Klar ist, dass es die Telekoms nicht eilig haben werden, VoIP selbst einzuführen, denn der UMTS-Nachfolger wird in die bestehenden Netze integriert. Je nach Ausbaugrad wird dann noch längere Zeit über UMTS und GSM telefoniert werden, während der Datenverkehr über die verschiedensten UMTS-Evolutionsstufen I-HSPA und "HSPA evolved" oder eben LTE abgewickelt wird.
Die Netzbetreiber können allerdings verhindern, dass die Kunden nur noch via IP telefonieren. Wo die neue Technologie erstmals eingesetzt wird, ist ebenso deutlich abzusehen, nämlich in den Ballungszentren, wo auch die meisten Daten anfallen. LTE wird einfach als Bandbreiten-Upgrade in die bestehenden Netze integriert.
Die ITU, die Frequenzen
Die LTE-Frequenzzuweisung sei bei der Internationalen Telekommunikationsunion noch in Arbeit, sagte Dan Warren, technischer Direktor der GSM-Association [GSMA] am Mittwoch zu ORF.at.
Auch wenn noch kein endgültiges Ergebnis feststehe, sei damit zu rechnen, dass die ersten, zugeteilten Bänder in den Bereichen von 2,5 bzw. 3,5 GHz liegen werden.
Im letztgenannten Segment funkt bereits der konkurrierende WiMAX-Standard.
Erst am Dienstag hatte der drittgrößte US-Mobilfunker Sprint Nextel die Gründung eines Joint Ventures mit dem WiMAX-Betreibern Clearwire bekannt gegeben.
Die Konkurrenz
An dem fast 15 Milliarden Dollar schweren Unternehmen werden sich auch die beiden größten USKabelnetzanbieter Comcast und Time Warner Cable, Intel und Google mit insgesamt 3,2 Milliarden Dollar [2,06 Mrd. Euro] beteiligen.
Warren zeigt sich vom Aufmarsch dieser Schwergewichte wenig beeindruckt. Das Erfolgreichste an WiMAX sei bis jetzt alleine die Marketing-Campaign, sagte der technische Dirketor der GSMA zu ORF.at, die Konkurrenz sei neu im mobilen Geschäft und müsse erst einmal in einen Markt eindringen, der bereits besetzt sei.
"Google wird aufspringen"
Verizon, das zweitgrößte Mobilfunkunternehmen der USA habe zudem bereits erklärt, LTE statt WiMAX einzuführen, "auch Google wird aufspringen" gab sich Warren überzeugt.
Was den eigenen Standard angeht, dessen Branding "Long Term Evolution" wenig vermarktungsorientiert anmutet, so meinte Warren, den Kunden sei ziemlich egal, wie eine neue Technologie genau heißen würde: "Sie werden einfach 'mobiles Breitband' dazu sagen.
(futurezone | Erich Moechel)