Gesetz zu Internet-Sperren kommt später

11.05.2008

Die Pläne der französischen Regierung, Internet-Nutzern bei wiederholten Urheberrechtsverletzungen den Netzzugang zu kappen, geraten ins Stocken. Die Verabschiedung einer entsprechenden Gesetzesvorlage verzögert sich.

Im vergangenen November kündigte der französische Präsident Nicolas Sarkozy an, künftig drastisch gegen die unautorisierte Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Inhalte im Internet vorgehen zu wollen.

Einer damals von der französischen Regierung, der französischen Medienindustrie und französischen Internet-Anbietern unterzeichneten Vereinbarung gemäß sollte künftig Internet-Nutzern, die wiederholt nicht lizenzierte, urheberrechtlich geschützte Inhalte anbieten oder herunterladen, nach zweimaliger Verwarnung der Netzzugang gesperrt werden.

Erarbeitet wurde die "Three Strikes Out"-Vereinbarung von einer Arbeitsgruppe unter der Leitung von Denis Olivennes, dem Geschäftsführer der französischen Medienhandelskette FNAC.

Musikwirtschaft setzt Frist

Sechs Monate später wurde die für das neue System notwendige Gesetzesvorlage noch immer nicht verabschiedet. Ein Umstand, der für Nervosität bei der französischen Musikwirtschaft sorgt.

Vergangene Woche machte Herve Rony, Chef des französischen Musikindustrieverbandes SNEP, der Regierung deshalb seinem Ärger Luft und forderte eine Verabschiedung des Gesetzes noch vor der Sommerpause. Alles andere sei inakzeptabel, donnerte der Industielobbyist.

Nach Einschätzung der Internet-Bürgerrechtsbewegung Electronic Frontier Foundation [EFF] dürfte sich der Wunsch des Musikwirtschaftsverbandes nicht erfüllen. Derzeit werde das Gesetz von Verfassungsjuristen geprüft. Und die würden sich bei ihrer Analyse Zeit lassen, so die EFF in einer Aussendung.

Regierung im Popularitätstief

Eine Verabschiedung des Gesetzes vor der Sommerpause des französischen Parlaments sei auch deshalb unwahrscheinlich, weil die Zustimmung der französischen Bevölkerung zur Politik von Präsident und Regierung zuletzt neue Tiefstwerte erreicht hätte.

Die Umsetzung der umstrittenen Gesetzesvorlage, die lediglich der Medienindustrie nütze, sei nicht dazu angetan, die Popularitätswerte der Regierung und des Präsidenten zu heben, so die EFF.

Behörde mit weitreichenden Vollmachten

Der Gesetzesentwurf sieht die Schaffung einer Regierungsbehörde vor, die mit weitreichenden Vollmachten ausgestattet werden soll. Die HADOPI [La Haute Autorite pour la diffusion des oevres et la protection des droits sur Internet] genannte Regierungsstelle soll auf Zuruf der Rechteinhaber vermeintliche Urheberrechtsverletzer kontaktieren, verwarnen und gegebenenfalls die Sperre der Zugänge anordnen.

Die Behörde kann darüber hinaus Internet-Anbieter dazu verpflichten, Filtertechnologien zu implementieren und Strafen gegen Anbieter zu verhängen, die Nutzern, die sich auf der "schwarzen Liste" der Regierungsstelle befinden, Zugänge zur Verfügung stellen.

Auch Betreiber von privaten Netzwerken soll laut Gesetzestext dazu verpflichtet werden, gegen Urheberrechtsverletzungen vorzugehen.

Die jüngste Version der Gesetzesvorlage gelangte vor kurzem über die französiche Initiative "Squaring the Net" an die Öffentlichkeit.

Proteste von Internet-Unternehmen

Während die französische Musikwirtschaft auf die rasche Umsetzung der Gesetzesvorlage drängt, versuchen Internet-Unternehmen die französische Regierung zum Einlenken zu bewegen.

Vergangene Woche machte der Internet-Wirtschaftsverband ASIC, dem unter anderem Google, Yahoo und AOL angehören, gegen das im Gesetzestext vorgesehene Prozedere mobil. Die in der Gesetzesvorlage vorgesehenen Maßnahmen seien unangemessen und ungerecht, kritisierte die Interessensvertretung der Internet-Unternehmen in einem Brief an die französische Regierung.

Vor kurzem sprach sich auch das Europäische Parlament gegen Netzsperren nach Urheberrechtsverletzungen aus. Im Zuge der Abstimmung über ihren Bericht zur Kulturwirtschaft lehnten die EU-Parlamentarier mehrheitlich Maßnahmen ab, die "im Widerspruch zu den bürgerlichen Freiheiten und den Menschenrechten" stehen. "Unterbrechungen des Internet-Zugangs" wurden in dem Entschließungsantrag ausdrücklich als Beispiel genannt.

Unterdessen werden ähnliche Maßnahmen auch in anderen Ländern diskutiert. Zuletzt machte sich auch der deutsche Kulturstaatsminister Bernd Neumann [CDU] für Vereinbarungen zwischen Rechteinhabern und Internet-Anbietern "nach französischem Vorbild" stark. Auch in Großbritannien denkt die Regierung über entsprechende Regelungen nach.

Eine umfassende Übersicht über die Positionen der europäischen Institutionen und Verbände zu Netzsperren nach Urheberrechtsverletzungen bieten die Mitte März veröffentlichten Ergebnisse einer Konsultation der EU-Kommission zum Thema: