E-Voting: "Eine Frage des Vertrauens"

15.05.2008

Auf einer Diskussionsveranstaltung des Parlaments zum Thema E-Voting in Wien haben Experten aus Sozialwissenschaft und Innenministerium Daten und Fakten rund ums Wählen via Internet vorgestellt. Allein die Parlamentarier selbst fehlten.

Am Mittwoch hat der Zweite Präsident des Nationalrats, Michael Spindelegger [ÖVP], im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Forum Parlament" zu einer Diskussionsveranstaltung zum Thema E-Voting ins Palais Epstein geladen.

Sowohl Spindelegger als auch die Tiroler ÖVP-Abgeordnete Karin Hakl, die die Veranstaltung moderierte, zeigten sich in ihren Einführungsansprachen als Befürworter des Wählens via Internet. Hakl zeigte sich davon überzeugt, dass das E-Voting "den geänderten Lebenswelten" der Wählerschaft Rechnung tragen würde. Sie plädierte dafür, das E-Voting via Internet so schnell wie möglich einzuführen: "Die Zeit drängt."

Sie könne sich auch vorstellen, dass ein entsprechendes System über die reinen Wahlvorgänge hinaus eingesetzt werden könne, etwa könnte das Parlament den Bürgern eine Liste von Themen für Aktuelle Stunden zur Auswahl stellen.

Hakl bedauerte, dass außer ihr und Spindelegger kein weiterer Nationalratsabgeordneter den Weg in die Veranstaltung gefunden hatte.

Aktuelle Umfragezahlen

Meinungs- und Motivationsforscherin Sophie Karmasin stellte die Ergebnisse einer aktuellen repräsentativen Umfrage mit 250 österreichischen Teilnehmenden ab 14 Jahren vor, deren Auswertung ihr Institut erst am Dienstag abgeschlossen hatte.

Grundsätzlich zeigten sich 30 Prozent der Befragten dem E-Voting via Internet gegenüber positiv eingestellt. Etwa 60 Prozent gaben ein negatives Votum ab, der Rest hatte keine Meinung dazu.

Zu den Effekten des E-Votings meinten immerhin 42 Prozent der Befragten - Mehrfachnennungen waren möglich - dass es dabei helfen könne, die Wahlbeteiligung zu steigern. Jeweils 32 Prozent waren der Ansicht, dass E-Voting auch bisherige Nichtwähler wieder zum Wählen bringen könnte und dass E-Voting den Wahlprozess erleichtern würde. 14 Prozent vertraten den Standpunkt, dass der Staat mit dem Internet-Zeitgeist gehen solle. 30 Prozent der Befragten fanden gar keine Vorteile im E-Voting.

Immerhin 72 Prozent der Befragten sahen die Gefahr eines möglichen Datenmissbrauchs beim Wählen via Internet. 23 Prozent gaben sogar an, dem Medium Internet generell nicht zu vertrauen. elf Prozent äußerten die Befürchtung, der Wahlprozess im Netz wäre zu kompliziert. 14 Prozent sahen gar keine Probleme, sechs Prozent hatten gar keine Meinung dazu.

Sophie Karmasin attestierte dem E-Voting ein "hohes Potenzial" in Österreich, vorausgesetzt es gelinge, die Sicherheitsfrage zu klären - denn die Österreicher seien überdurchschnittlich sicherheitsbewusst, wie aus früheren Umfragen ihres Instituts hervorgegangen sei.

Position des Innenministeriums

Robert Stein, Leiter der Abteilung für Wahlangelegenheiten im Innenministerium und als Lokalpolitiker bei der SPÖ im Wiener Bezirk Währing engagiert, skizzierte den Stand der Dinge in Sachen E-Voting in Österreich.

Demnach denke man bisher nicht an den Einsatz von Wahlmaschinen in den Wahllokalen. E-Voting in Österreich bedeute Wählen über Internet. Die Grundlage dafür bestehe mit der Verfassungsänderung, die seit Anfang 2007 die Briefwahl möglich mache. Die Bundesverfassung müsse aber auf jeden Fall nochmals speziell auf die Anforderungen des E-Votings hin geändert werden.

Weiterhin, so Stein, sei eine E-Voting-taugliche Wählerevidenz einzuführen und die Ausstattung der Wähler mit der Bürgerkarte zur Identifikation im Wahlprozess zu befördern. Auch bei den Hochschülerschaftswahlen 2009, die als Generalprobe für Online-Wahlen in Österreich gesehen werden, werde die Identifikation über die aktivierte Bürgerkarte laufen. Diese sei sicherer als etwa das in einem Genfer Versuch verwendete TAN-System, allerdings auch teurer.

Auf Rückfrage von ORF.at mochte Stein allerdings nicht sagen, wieviel Geld die Republik für E-Voting bei Nationalratswahlen ausgeben müsse. Das hänge von den Vorgaben der Politik ab. Er sei gespannt auf die Kosten der Hochschülerschaftswahlen.

Stein sprach sich auch für eine E-Voting-Periode vor dem Papierwahltermin aus. Was die Möglichkeit betreffe, seine Stimme mehrmals vor dem Auszählungstermin online ändern zu können, wie das in Estland möglich sei, so lehne das BMI das ab, da man dieses Prinzip rückwirkend auch auf die Wahlkarten anwenden müsse, was sowohl rechtliche als auch logistische Probleme mit sich bringe.

Auch die Frage sei noch offen, ob das Wahlsystem zentral oder föderal organisiert sein solle. Ein zentrales Wahlrechenzentrum müsse auf die Bedürfnisse der Länder eingehen; entscheide man sich für ein dezentrales Modell, müsse es bei Nationalratswahlen eine Möglichkeit geben, die Daten aus den verschiedenen Systemen zu konsolidieren.

Seien diese Fragen gelöst, könne man auch vor 2018 schon Online-Wahlen in Österreich einführen.

Aus Schweizer Perspektive

Zahlen aus der Schweiz brachte Uwe Serdült, Vizedirektor des Instituts für direkte Demokratie der Universität Zürich mit. In drei Kantonen der Eidgenossenschaft laufen seit 2004 Pilotprojekte zum Internet-Voting: In Genf, Zürich und Neuenburg [Neuchatel], die mit jeweils eigenen Wahlsystemen Tests durchgeführt haben.

In der Schweiz freilich werden nicht nur alle vier Jahre bundesweite Parlamentswahlen veranstaltet, sondern es kommen auch die verschiedenen Abstimmungen auf den drei Verwaltungsebenen hinzu. Da in der Schweiz vorwiegend die Briefwahl bei den Abstimmungen genutzt werde, so Serdült, sei der Schritt ins Internet auch nicht so groß.

Serdült referierte die Ergebnisse einer Untersuchung, die sein Institut im Jahr 2005 mit einem Sample von 300 Teilnehmern zum Thema E-Voting im Kanton Zürich durchgeführt hat. Dort gingen gerade einmal elf Prozent ins Wahllokal, 65 Prozent bedienten sich der Briefwahl, 20 Prozent stimmten im Internet ab und vier Prozent via SMS - eine Option, die allerdings wegen geringer Akzeptanz und hoher technischer Komplexität nicht mehr angeboten werden soll.

Vor allem gut ausgebildete berufstätige Schweizerinnen und Schweizer im Alter von bis zu 45 Jahren hätten via Internet abgestimmt. Immerhin 37 Prozent der Internet-Wähler verfügten über ein hohes Einkommen. Nur zehn Prozent dieser Gruppe zählte man zu der niedrigen Einkommensgruppe. Nur fünf Prozent der Internet-Wähler hätten gar nicht abgestimmt, wenn es die E-Voting-Option nicht gegeben hätte.

Serdült zufolge hat sich in der Schweiz eine gesellschaftliche Gruppe herauskristallisiert, die möglichst viele Vorgänge zeitunabhängig direkt übers Internet abwickeln wolle. Auch die "Digital Natives" gelte es, an die Demokratie heranzuführen, also jene Generation, die gerade wie selbstverständlich mit dem Vorhandensein des Internets heranwachse. Der Sozialwissenschaftler zitierte eine Studie, nach der im Verlauf von zehn Jahren die Briefwahl dazu geführt habe, dass sich vier Prozent mehr Wähler an den Abstimmungen beteiligt hätten. Es sei noch zu früh, um eine Aussage darüber zu treffen, ob E-Voting zu einer Erhöhung der Wahlbeteiligung führen könne.

Serdült konnte aus den eigenen Daten zu zwei Abstimmungen im Kanton Zürich zeigen, dass bei keinem der beiden Referenden die Internet-Wähler entgegen dem allgemeinen Trend votiert hätten. Lediglich bei einer Abstimmung zum Thema Ladenöffnungszeiten hätten sich die Internet-Wähler wesentlich stärker für längere Öffnungszeiten ausgesprochen als die anderen Wählergruppen.

Empfehlungen für Grundlagen

Robert Krimmer, Leiter des Wiener Kompetenzzentrums e-voting, argumentierte, dass das Wählen via Internet der demokratischen Gesellschaft im Zeitalter der Globalisierung und der zunehmenden Mobilität der Wähler angemessen sei.

Als grundlegende Komponenten zur erfolgreichen Einführung eines Wahlsystems via Internet identifizierte Krimmer zunächst die rechtliche Verankerung der Online-Wahlmethode. Je wichtiger eine Wahl sei, desto wichtiger sei auch die Qualität der Identifikationsmethode. Krimmer sprach sich für den Einsatz der Bürgerkarte in einem Wahlsystem für Österreich aus.

Wichtig sei weiterhin der stufenweise Erfahrungsaufbau - etwa über Kammer- oder ÖH-Wahlen. Außerdem müsse es immer zusätzlich zum E-Voting-System noch die traditionelle Papierwahlmöglichkeit geben.

In der folgenden Diskussion wiesen Teilnehmende aus dem Publikum auf zahlreiche ungelöste Probleme beim E-Voting hin. So sei es den traditionellen Wahlkommissionen beim E-Voting nicht mehr möglich, ihren Kontrollfunktionen bei den verwendeten komplexen technischen Systemen nachzukommen.

Ein Diskutant machte auf die Widersprüchlichkeiten in den Signalen aufmerksam, die der Staat selbst im Hinblick auf das Internet aussende. Einerseits werbe man um Vertrauen in E-Voting-Systeme, andererseits forciere man gleichzeitig die verdeckte Online-Durchsuchung mittels Schadsoftware.

Robert Krimmer und Uwe Serdült plädierten dafür, dass der Staat mehr Zeit und Ressourcen in die politische Bildung rund um E-Voting investieren sollte. Serdült wies darauf hin, dass in der Schweiz das E-Voting ohne weitere Begleitinformation als einfacher technischer Kanal zur Stimmabgabe zur Verfügung gestellt wurde. Für Österreich wünsche er sich eine offene Diskussion darüber, welche Auswirkungen die Wahlen via Internet auf die Gesellschaft haben würden. Zur Skepsis gegenüber den verwendeten technischen Systemen sagte er: "Das ist eine Frage des Vertrauens."

Mehr zum Thema:

Wahlen via Internet werden sich als Teil der E-Government-Gesamtstrategie durchsetzen, glaubt Reinhard Posch, CIO der Bundesregierung, im Gespräch mit ORF.at. Das erste Internet-Voting zum Nationalrat erwartet der Informatiker frühestens im Jahr 2018.

Skepsis seitens der SPÖ

In einer Aussendung vom Donnerstagvormittag äußerte Johann Maier, SPÖ-Nationalratsabgeordneter und stellvertretender Vorsitzender des Datenschutrats, Skepsis gegenüber elektronischen Wahlverfahren.

"Es gibt kein Modell weltweit, das die These belegt, dass durch E-Voting die Wahlbeteiligung steigt", so Maier. "Wenn die ÖVP hier Druck zu machen versucht, kann man dieser Form der Stimmabgabe trotzdem keine Zustimmung geben - aus verfassungsrechtlichen Gründen, aus datenschutzrechtlichen Gründen und weil deshalb auch nicht mehr Menschen zur Stimmabgabe bewegt werden können."

Auch Peter Wittmann, Verfassungssprecher der SPÖ, ließ am Donnerstag in einer Aussendung "strikte Ablehnung" von E-Voting-Verfahren erkennen: "Das Wählen einer Regierung ist ein völlig anderer Vorgang, als einen Dancing Star zu wählen. Es gibt in Europa kein gesichertes E-Voting-Modell, daher kann es dafür keine Zustimmung geben."

ÖH gegen E-Voting

Ebenfalls am Donnerstag sprach sich die Österreichische HochschülerInnenschaft [ÖH] in einer Aussendung nachdrücklich gegen E-Voting aus.

"Die ÖH hat schon mehrmals ihre Bedenken betreffend E-Voting geäußert. Daran hat sich nach wie vor nichts geändert. Nichtsdestotrotz scheinen die politischen EntscheidungsträgerInnen hier aber erneut diejenigen zu übergehen, die davon betroffen sind, und zwar uns Studierende", schreibt Lisa Schindler, Mitglied des ÖH-Vorsitzteams.

Schindlers Vorstandskollege Hartwig Brandl gibt zu bedenken: "Einer Wahlmanipulation wird Tür und Tor geöffnet, da nicht gewährleistet werden kann, dass jeder seine Stimme unbeobachtet und unbeeinflusst abgeben kann."

"Die Sicherheitsbedenken der Menschen zu übergehen ist untragbar", schreibt ÖH-Vorsitzteammitglied Verena Czaby. Die Ergebnisse der Karmasin-Umfrage zeigten, dass die österreichische Gesellschaft die Bedenken der ÖH teilten.

(futurezone | Günter Hack)