Grüne Kampagne gegen Biometriepässe

16.05.2008

Die Grünen haben sich den Fingerabdruck von Innenminister Günther Platter [ÖVP] besorgt und zum Download ins Internet gestellt. Sicherheitssprecher Peter Pilz und die Wiener Landtagsabgeordnete Marie Ringler wollen damit auf die Gefahren der biometrischen Sicherungstechnologien aufmerksam machen.

Die Grünen stellten am Freitag in Wien auf einer Pressekonferenz eine neue Kampagne vor, mit der sie auf die Problematik der zunehmenden Erfassung biometrischer Merkmale durch staatliche Stellen hinweisen.

Speziell die Aufrüstung der österreichischen Pässe durch Speicherung von Fingerabdrücken der Inhaber, die Platter ab Frühjahr 2009 auf Grundlage einer EU-Richtlinie umsetzen will, missfällt Ringler und Pilz.

Fingerabdruck im Internet bestellen

In Anlehnung an eine Kampagne der deutschen Bürgerrechtsorganisation Chaos Computer Club [CCC] haben sie sich die Fingerabdrücke Platters besorgt und einen davon als Vorlage ins Internet gestellt.

Interessierte Nutzer können sich auch Aufkleber mit dem Fingerabdruck auf der Aktionswebsite "Platterwatch" bestellen. Pilz wies darauf hin, dass die Fingerabdrücke von der Aktion Platterwatch der Grünen im Rahmen eines öffentlichen Auftritts Platters in seiner Funktion als Innenminister abgenommen worden seien.

Pilz habe nichts dagegen, von Platter deswegen geklagt zu werden. Eine entsprechende Klage könne dazu führen, dass die Gerichte die Abnahme von Fingerabdrücken als unzulässigen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte werten würden, was dann wiederum ein Hindernis für die entsprechenden staatlichen Fingerabdruck-Sammelpläne darstellen würde. Ringler führte ein Video des CCC vor, in dem ein Mitglied des Clubs demonstriert, wie einfach es ist, einen Fingerabdruck abzunehmen und mit billigen Mitteln aus dem Baumarkt zu fälschen.

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Platter hatte am 20. April angekündigt, dass Österreich Anfang 2009 nur noch Reisepässe ausgeben werde, auf deren Chips zwei Fingerabdrücke [flach] als zusätzliche Identifikationsmerkmale gespeichert sein sollen. Ein Pass soll 69,90 Euro kosten, produziert werden die Dokumente zentral in der Staatsdruckerei.

Marie Ringler und Peter Pilz mit Aufklebern, auf denen der Fingerabdruck von Innenminister Günther Platter zu sehen ist.

==Zehn gefälschte Reisepässe==

Pilz wies darauf hin, dass laut offizieller Statistik des Innenministeriums im Jahr 2007 hierzulande zehn gefälschte österreichische Pässe sichergestellt worden seien. "Deswegen die Fingerabdrücke aller Österreicher erfassen zu wollen, wäre derart unverhältnismäßig, dass es dabei nicht nur um die Reisepässe gehen kann", so der Nationalratsabgeordnete.

Platter hatte seit Vorstellung der Biometriepass-Pläne wiederholt zu Protokoll gegeben, dass es keine zentrale Datenbank geben werde, in der die Fingerabdrücke aller österreichischen Passinhaber gespeichert werden würden. Der gespeicherte Fingerabdruck auf dem Chip werde nur lokal daraufhin geprüft werden, ob er mit dem Fingerprint des Trägers übereinstimme.

Streitfall Speicherung

Pilz bezweifelt das. Es ergebe keinen Sinn, ein solches System ohne zentrale Speicherung einzuführen, schließlich müssten die Daten ja auch dezentral abgenommen und an die zentrale Produktionsstätte der Pässe, die Staatsdruckerei, übermittelt werden. Die EU würde auf eine zentrale Speicherung der Fingerabdrücke drängen. Gäbe es diese zentrale Speicherung, so existiere auch ein sehr breiter Kreis von Nutzern, die auf das System Zugriff hätten.

Fingerabdruckscanner mit Anschluss an das System, die von einer deutschen Firma bestellt worden seien, müssten in jedem Passamt und an allen Grenzposten bereitstehen. Pilz sagte, dass er aus dem Innenministerium erfahren habe, dass die Zugriffrichtlinien für die Polizei identisch mit jenen für das Polizeiinformationssystem EKIS seien. EKIS wiederum habe sich als unsicher erweisen, wie die zahlreichen Polizeiskandale in jüngster Zeit zeigten. Die Sicherheits- und Zugriffsprüfungen im EKIS würden nach dem Zufallsprinzip durchgeführt.

Dadurch seien einzelne gezielte Missbrauchsfälle kaum zu erkennen, so Pilz, der sich dafür einsetzen will, dass sich im Nationalrat "eine gemeinsame, am Persönlichkeitsschutz orientierte Haltung" etablieren könne. Ringler und Pilz fordern auch eine Verfassungsbestimmung, nach der biometrische Daten nicht elektronisch miteinander oder mit anderen Daten verknüpft werden dürfen. Außerdem solle die Republik ein Moratorium der EU-Richtlinie zu biometrischen Reisepässen und der entsprechenden Entscheidung der EU-Kommission erwirken und diese auf höchstrichterlicher Ebene bekämpfen.

Aktionsplakate der Grünen in der Wiener Innenstadt.

Die deutsche Hacker- und Bürgerrechtsvereinigung Chaos Computer Club [CCC] hatte bereits im März eine Vorlagenfolie mit dem Fingerabdruck des deutschen Bundesinnenministers Wolfgang Schäuble [CDU] als Beilage zu seiner Vereinszeitschrift "Datenschleuder" verteilt und damit großes Aufsehen erregt.

Der CCC war in den Besitz eines Trinkglases gelangt, an dem Schäuble seine Fingerabdrücke hinterlassen hatte. Danach war es einfach, diese zu sichern. Ebenso einfach ist es, von dieser Vorlage dann Nachbildungen von Fingerabdrücken herzustellen, mit denen biometrische Lesegeräte getäuscht werden können. Der CCC hat sich in der Vergangenheit mehrmals gegen die Integration von biometrischen Merkmalen in Ausweisdokumente ausgesprochen, das Verfahren sei teuer, ineffizient und vor allem ein substanzieller Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Bürger.

Reaktion des Innenministeriums

In einer ersten Reaktion vom Freitag warf Innenministeriumssprecherin Iris Müller-Guttenbrunn Pilz "durchschaubaren Aktionismus" vor. Man reagiere "mehr als gelassen" auf die Veröffentlichung des Fingerabdrucks des Innenministers.

ÖVP-Sicherheitssprecher Günter Kössl bezeichnete Pilz in einer Aussendung vom Freitag als "Politik-Kasperl", die Fingerabdruckaktion sei "ein neuer Höhepunkt der grünen Polemik".

(futurezone | Günter Hack | APA)