Siemens-Schmiergeldprozess gestartet
Vor dem Münchner Landgericht hat die Verhandlung über den Korruptionsskandal bei Siemens begonnen. Manager des Konzerns unterhielten ein komplexes System schwarzer Kassen, um Bestechungsgelder an Entscheidungsträger bei Telekomprojekten fließen zu lassen.
Dem angeklagten früheren Manager der Telekommunikationssparte Com wird vorgeworfen, über ein weit verzweigtes System schwarzer Kassen rund 53 Millionen Euro von Siemens abgezweigt zu haben. Die Staatsanwaltschaft legt Reinhard S. Untreue in 58 Fällen zur Last.
System der Verschleierung
Laut Anklage soll der Ex-Manager ein bestehendes Schmiergeldsystem Ende der 1990er Jahre übernommen und zusammen mit einigen Kollegen und unter Wissen seines Chefs weiterentwickelt haben. Nachdem der Konzern 1998, als die Bestechung im Ausland strafbar wurde, seine Manager per Unterschrift zur Einhaltung der Gesetze verpflichtete, hatten der Beschuldigte und seine Komplizen laut Anklageschrift das System lediglich noch stärker verschleiert.
Drei Kollegen hätten im Rechnungswesen und in der Revision dafür gesorgt, dass Scheinrechnungen, Überweisungen und Bargeldzahlungen nicht aufflogen.
Der Angeklagte habe mit einem zweiten Haupttäter ein Geflecht von Tarnfirmen im Mittleren Osten, den Kanalinseln und der Karibik aufgezogen. Über schwarze Kassen und Scheinberaterverträge seien dann Millionenbeträge im Zusammenhang mit Telekommunikationsprojekten unter anderem in Ägypten, Saudi-Arabien, Indonesien, Vietnam und den Olympischen Spielen in Athen geflossen.
Der Angeklagte zeigte sich während der Ermittlungen geständig. In dem auf 15 Verhandlungstage angesetzten Prozess sollen neben zahlreichen Managern auch der frühere Siemens-Chef Heinrich von Pierer und Finanzchef Joe Kaeser als Zeugen gehört werden.
"Bereichsvorstand war informiert"
Auch zu Prozessbeginn räumte der Angeklagte die Existenz schwarzer Kassen ein. Grundsätzlich träfen die in der Klageschrift genannten Vorwürfe zu, sagte S.
Der Angeklagte muss sich wegen des Verdachts der Untreue in 58 Fällen verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, ein System schwarzer Kassen im früheren Telekommunikationsbereich von Siemens aufgebaut zu haben, um dem Konzern so Vorteile bei der Auftragsvergabe zu verschaffen.
Seine Vorgesetzen seien über seine Aktivitäten aber im Bilde gewesen, sagte der Angeklagte. "Der komplette Bereichsvorstand war natürlich darüber informiert, dass diese Tätigkeit von mir wahrgenommen wurde."
Korruption von oben
Der erste Strafprozess um den Schmiergeldskandal hat nach Ansicht des deutschen Korruptionsbekämpfers und Rechtsanwalts Edgar Joussen keine Signalwirkung für andere Unternehmen.
Der Fall Siemens sei anders gelagert als viele andere Fälle, sagte Joussen am Montag im Deutschlandradio Kultur. Bei Siemens hätten Manager nicht zum Schaden des Unternehmens in die eigene Tasche gewirtschaftet, sondern die Korruption sei "von oben her gesteuert" worden. Das sei sonst nicht so. Der Rechtsanwalt ist unter anderem Ombudsmann gegen Korruption bei der Deutschen Bahn AG.
Es sei aber ganz wichtig, dass es diesen Prozess gebe. "Es gibt sehr große Unternehmen, die haben genau dieselben Probleme. Die sehen jetzt vielleicht auch, dass man gut beraten ist, seine Geschäftspolitik zu ändern." Die Zeiten, in denen Siemens die Korruption organisiert habe, seien seit fünf oder zehn Jahren vorbei. Der heutige Managertyp sei ein anderer. Der sage, Korruption sei nicht mehr sein Modell.
(APA | Reuters | dpa)