Zentrale der DT durchsucht
Die Staatsanwaltschaft Bonn sieht eine "missbräuchliche Verwendung von Daten" seitens der Führung der Deutschen Telekom [DT]. Unterdessen kündigten Gewerkschafter an, wegen der Bespitzelungen Strafanzeige gegen den Konzern und unbekannt zu erstatten.
Die Staatsanwaltschaft Bonn hat in der Spitzelaffäre Ermittlungen eingeleitet. Es gehe um eine "missbräuchliche Verwendung von Daten", sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft am Donnerstag.
Es liefen Ermittlungsmaßnahmen. Der Sprecher wollte nicht sagen, gegen welche Personen ermittelt werde. In Sicherheitskreisen hieß es, die DT-Zentrale sei durchsucht worden.
Gewerkschaften erstatten Anzeige
Unterdessen holen auch die Gewerkschaften zum Gegenschlag aus: Die Vertreter der Arbeitnehmer im DT-Aufsichtsrat kündigten am Donnerstag in Berlin eine Strafanzeige gegen das Unternehmen und unbekannt an. Die Gewerkschaften begründeten den für einen DAX-Konzern spektakulären Schritt mit "eklatanten Angriffen" auf die Rechte der Aufsichtsräte bei Europas größtem Telekomkonzern.
"Ich habe den begründeten Verdacht, dass wir vor einem Abgrund von Bruch von Grundrechten in unserem Land stehen", sagte DGB-Chef Michael Sommer als Mitglied des DT-Kontrollgremiums. Die juristische Schritte richteten sich aber nicht gegen DT-Chef Rene Obermann, dessen Aufklärungskurs unterstützt werde, betonten Sommer und Aufsichtsratsvize Lothar Schröder von ver.di.
Verstoß gegen Grundrechte
Sommer sagte, es gehe um Verstöße gegen das Fernmeldegeheimnis, die Pressefreiheit und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Die Gewerkschaften werden sich im Verfahren gegen die DT von der früheren Bundesjustizministerin Hertha Däubler-Gmelin [SPD] und Ex-Bundesinnenminister Gerhart Baum [FDP] vertreten lassen.
Baum hatte Anfang 2008 auch eine Verfassungsklage gegen die deutsche Umsetzung der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung eingebracht, mit der die staatliche Überwachung des Kommunikationsverhaltens der Bürger mittels Verbindungsdaten EU-weit institutionalisiert wird.
Nach bisherigen Kenntnissen der Gewerkschaften sind offensichtlich Arbeitnehmervertreter gezielt ausgeforscht worden. "Wir wissen nicht, wie viele Aufsichtsratsmitglieder tatsächlich betroffen sind. Diese Ausforschung ist ein eklatanter Angriff auch auf unsere Rechte als Organmitglieder in einem Aufsichtsrat in einem DAX-Unternehmen", sagte Sommer.
Verbindungsdaten ausgewertet
Die DT hatte eingeräumt, dass Verbindungsdaten von Gesprächen zwischen Aufsichtsräten und Journalisten ausgewertet wurden, um herauszufinden, wer vertrauliche Informationen an die Medien weitergab.
Sommer sagte dazu: "Es handelt sich hierbei nicht nur um einen politischen Vorgang, sondern auch um einen strafwürdigen." Es sei aber Sache von Polizei, Staatsanwaltschaft und letztlich der Gerichte festzustellen, ob sich jemand strafbar gemacht habe.
Bespitzelung von Gewerkschaftern vermutet
Die Gewerkschaften hegen offenbar die Vermutung, dass nur ihre Mitglieder im Aufsichtsrat und nicht die der Anteilseigner ausgespäht worden seien. "Im deutschen Unternehmensrecht gibt es keine Aufsichtsratsmitglieder 1. und 2. Klasse", sagte Sommer mit Blick auf diesen Verdacht.
Der Aufsichtsrat überwache den Vorstand und nicht umgekehrt. Die Gewerkschaften hätten aber keine eigenen Erkenntnisse, seit wann und wie umfangreich Gesprächsdaten ausgewertet worden seien. Laut Schröder sind den Arbeitnehmervertretern die Bespitzelungsvorgänge erst seit wenigen Tagen bekannt.
(Reuters | dpa | futurezone)