Google und das Mittelwellenmonster
Am gerüchteweise kolportierten neuen Standort für ein Google-Datencenter in Kronstorf an der Enns OÖ stand einst der mit 100 Kilowatt stärkste Mittelwellensender der Republik. Analoge AM-Sender wie auch digitale Datencenter brauchen viel Strom, permanente Kühlung, Hochwasser- und Erdbebensicherheit.
Was haben analoge Mittelwellensender und Datencenter miteinander gemeinsam?
Erstens benötigen beide jede Menge Strom für den Betrieb, weshalb sowohl die alten 100.000-Watt-Monster der analogen Radioära wie die Netzwerkcenter des digitalen Informationszeitalters in der Regel dort anzutreffen sind, wo Strom erzeugt wird: nahe Kraftwerken.
Wasser, aber nicht zu viel
Zweitens bedürfen beide Technologien- wenn auch in unterschiedlichem Umfang - unbedingt der Kühlung, bei Überhitzung fallen Rechenzentren wie Sender gleichermaßen aus.
Ausreichende Wasservorkommen in der Umgebung sind dafür die beste und kostengünstigste Voraussetzung, zumal für den Betrieb selbst ohnehin gewaltige Mengen an Strom verbraten werden.
Andererseits müssen derartige Standorte vor zu viel Wasser geschützt sein, also außerhalb eines potenziellen Überschwemmungsgebiets liegen, das zudem erdbebensicher sein muss.
274 Meter, Sendemast
Die oberösterreichische Gemeinde Kronstorf, die auf der Gerüchtebörse als neuer Standort für ein Großrechenzentrum des Suchmaschinenriesen Google gehandelt wird, war jahrelang Standort des stärksten Mittelwellensenders Österreichs.
Erster Betreiber: Die US-Armee, die über Kronstorf die Österreicher in der russischen Besatzungszone mit Musik und Information versorgte.
Der mittlere von drei Sendemasten war mit 274 Metern der höchste in Europa, als im März 1952 auf 773 kHz der Sendebetrieb mit Hardware des US-Herstellers Westinghouse aufgenommen wurde, die Leistung betrug 100 Kilowatt.
Auf dem Bisamberg
Nach Abzug der US-Armee führten Rechtsstreitigkeiten mit den Grundstückseigentümern dazu, dass zwei der drei Kronstorfer Sendemasten abgebaut wurden, die jeder aus Wien und Umgebung kennt.
Seit 1959 stehen die beiden Masten auf dem Bisamberg, zu ihrer besten Zeit wurden sie mit mehr als einer halben Million Watt Sendeleistung beheizt.
Schrebergarten, beleuchtet
Bewohner teils "wilder" Schrebergartensiedlungen der näheren Umgebung, die nicht an das Stromnetz angeschlossen waren, beleuchteten ihre Hütten mit 20-Watt-Birnen.
Ein Pol der Glühbirne war geerdet, der andere mit einer einfachen Drahtantenne verbunden, die in einem "harmonischen" Verhältnis zur Wellenlänge stand. Angeblich wurde das als "Stromdiebstahl" damals gesetzlich geahndet.
Der verbliebene Kronstorfer Sender war bis 1994 aktiv, im Jahr darauf wurde der baufällig gewordene Sendemast gefällt.
Die Kraftwerke
Was die hartnäckigen Gerüchte angeht, Google werde in Kronstorf eines seiner etwa dreißig weltweiten Datencenter errichten, so kursieren die nicht ohne Grund.
Alleine flussabwärts befinden sich innerhalb weniger Kilometer drei Laufkraftwerke, eines sogar direkt in Kronstorf. Flussaufwärts ist auf der oberösterreichischen Seite ein weiteres halbes Dutzend Kraftwerke an der Enns in Betrieb.
500 Millionen Kilowattstunden
Auf Anfrage von ORF.at konnte man seitens des Betreibers Ennskraftwerke nichts dazu sagen, ein Sprecher tat sich sogar schwer dabei, zu bestätigen, was ohnehin auf der Website der Ennskraftwerke zu lesen ist.
Die Kraftwerke Mühlrading [Kronstorf], Staning und St. Pantaleon sind quasi an Ort und Stelle und haben ein "Regeljahresarbeitsvermögen", also eine Durchschnittsleistung von 111,8 bzw. 203,2 sowie 261 Millionen Kilowattstunden pro Jahr.
Dazu kommen die nahen und noch leistungsstärkeren Donaukraftwerke. Passenderweise gehören die Ennskraftwerke zu 50 Prozent dem Kraftwerksbetreiber Verbund, der eines der größten österreichweiten Glasfasernetze betreibt.
Glasfaser in Kronstorf
Die andere Hälfte hält die oberösterreichische Energie AG. Und die hat seit 2006 alle 444 oberösterreichischen Gemeinden mit Glasfaser vernetzt.
Damit natürlich auch die Gemeinde Kronstorf, über die sich Unternehmenssprecher Wolfgang Denk nicht weiter äußern wollte.
Viel lieber sprach er darüber, dass an dieses landeseigene Glasfasernetz alle Bezirkshauptmannschaften, Bürgermeisterämter, Krankenhäuser usw. bereits angeschlossen sind.
Dazu kommen gerade alle Filialen der Raiffeisen-Landesbank, die bisher "auf Telekom-Kupfer angebunden waren".
"Weder bestätigen noch dementieren"
Die oberösterreichische Technologie- und Marketinggesellschaft m.b.H., die Standort- und Innovationsagentur des Landes Oberösterreich:
"Zum jetzigen Zeitpunkt" habe man zur Fama von der Errichtung eines Datencenters von Google zu Kronstorf "nichts zu sagen" und könne derartige Meldungen "weder bestätigen noch dementieren".
Google "blitzegal"
Mindestens einem Einwohner der Gemeinde Kronstorf ist der gesamte Rummel um eine mögliche Ansiedelung des weltgrößten Suchmaschinen-Betreibers Google gleich.
Ihm sei es "blitzegal", an wen die Gemeinde das Industriegebiet vergebe, sagte Klaus Latschbacher, Geschäftsführer der gleichnamigen im Orte ansässigen GmbH.
Herr Latschbacher ist nämlich selber Weltmarktführer, zwar nicht bei Internet-Suchmaschinen, dafür aber bei Datenbank-basierten mobilen "Forest Logistic Solutions".
"Rundholzlagerverwaltung"
Zu einem seit 1967 entwickelten Kennzeichnungssystem für Rundholz kommen Handhelds [Windows-Mobile], auf denen von Latschbacher entwickelte Software installiert ist.
Dahinter läuft das ebenfalls selbst entwickelte WinforstPro, ein System für "Rundholzlagerverwaltung, Holzvermarktung und Kostenrechnung". Wahlweise als Client-Server-Lösung oder auch Web-basiert.
Zu den Großkunden gehören die Eszterhazy'sche Forstverwaltung, die bayrischen Staats- und die österreichischen Bundesforste - wer halt bedeutende Mengen an zu indizierenden Rundhölzern im Walde herumstehen oder -liegen hat.
(futurezone | Erich Moechel)