Schlag gegen Linux in Wien

03.06.2008

Die Stadt Wien wird ihre Open-Source-Vorzeigeinstallation 2008 auf Windows Vista migrieren. Insgesamt wird Wien rund acht Millionen Euro für die Migration seiner Systeme auf Windows Vista zahlen. Ein entsprechender Beschluss soll am Mittwoch im Gemeinderat gefasst werden.

"Das ist ein schwerer Rückschlag für die Linux-Umstellung der Stadt", sagte Marie Ringler, Gemeinderätin und Technologiesprecherin der Wiener Grünen, zu ORF.at. In seiner Sitzung am Mittwoch wird der Wiener Gemeinderat beschließen, die wichtigste Linux-Großinstallation der Stadtverwaltung, nämlich 720 Rechner, die in den Kindergärten der Stadt im Einsatz sind, auf Windows Vista zu migrieren. Der entsprechende Antrag liegt ORF.at vor. Bisher wurden in Wien nur 1.000 von 32.000 PCs auf Linux migriert.

Acht Millionen Euro für Microsoft

Die MA 14, die für die EDV-Systeme der Stadt zuständig ist, hat demnach für den Kauf von Software-Lizenzen im Jahr 2008 insgesamt rund acht Millionen Euro budgetiert. Die Kosten werden der MA 14 von den MAs 10 [Kindergärten] und 56 [Schulverwaltung] erstattet werden.

Die Migration der Verwaltungsrechner von Windows 2000 und Office 2000 auf Vista und Office 2007 schlägt demnach mit 7,6 Millionen Euro zu Buche, die Beschaffung von 2.600 Lizenzen für Windows, Office und Server-Software im Wiener Bildungsnetz kostet 324.000 Euro. Die Umstellung der 720 Kindergartenrechner von der stadteigenen Linux-Distribution Wienux auf Vista wird rund 105.000 Euro kosten.

Laut Aussagen der für die Kindergärten zuständigen Magistratsabteilung wird Linux weiterhin im Einsatz bleiben. Angestrebt werde ein Einsatz von Dual-Boot-Systemen, die sowohl unter Vista als auch unter Wienux betrieben werden können.

Sprachtests für Kinder

Hintergrund ist, dass eine Software zur Durchführung von Sprachtests für Kindergartenkinder nur im Internet Explorer läuft. Der Hersteller der Software werde, so Ringler, eine Firefox-Version seines Produkts erst 2009 zur Verfügung stellen.

"Mit einem Bruchteil des Geldes, das die Umstellung auf Windows kostet, hätte die Stadt diesen Hersteller wohl dazu bringen können, seine Software schneller für Firefox bereitzustellen", so Ringler, die der Stadt vorwirft, das Open-Source-Konzept nicht konsequent genug zu verfolgen und keine Anreize zum Umstieg von Windows auf Wienux zu schaffen. Die Stadt habe es auch versäumt, die 1.000 Unternehmen in der Region Wien zu fördern, die selbst Open-Source-Software herstellten.

Im Herbst 2008 wird die von der Stadt initiierte Studie STOSS2 über Kosten und Nutzen von Open-Source-Software im Einsatz bei der Stadtverwaltung erscheinen.

MA14 pflegt Wienux weiter

Klaus Rohr, Sprecher der MA 14, bestätigte am Dienstagnachmittag gegenüber ORF.at die Rückmigration. Diese werde noch 2008 durchgeführt werden. Wichtigster Grund für die Umstellung von Linux auf Windows sei die Verfügbarkeit besagter Software nur für Windows und Internet Explorer. Es habe aber auch Probleme mit der Hardware-Erkennung unter Linux gegeben.

Das Aus für Wienux bedeute die Rückmigration der Kindergartenrechner allerdings nicht. Die Distribution werde weiterentwickelt und weiterhin angeboten, so Rohr.

SPÖ: "Wienux ist nicht weg vom Fenster"

Auch SPÖ-Gemeinderat Siegfried Lindenmayr sieht Wienux noch nicht am Ende. "Wienux ist nicht weg vom Fenster. Die Stadt Wien setzt seit 20 Jahren Open-Source-Software ein und wird das auch weiterhin tun", so Lindenmayr zu ORF.at. "Der Einsatz von Software ist für uns aber keine Ideologiefrage. Die beste pädagogische Software läuft unter Windows, also werden wir Windows im Kindergarten einsetzen."

Die generelle Strategie der Stadt im Open-Source-Bereich habe sich nicht geändert. Die MA 14 werde weiterhin auch Linux anbieten und dort installieren, wo das von den Abteilungen gewünscht werde.