Bild: Yamaha

Ein Instrument der dritten Art

14.06.2008

Bleep-Symphonien auf Knopfdruck: Anatol "Blinkenlights" Locker betritt die 16-mal-16-Matrix und testet das Tenori-On, ein japanisches "Musikinstrument für das 21. Jahrhundert".

Eigentlich gibt es nur drei Arten von Musikinstrumenten. In der ersten Gattung bringt man es unter qualvollem Üben zur Meisterschaft, zum Beispiel an Violine und Klavier.

Die zweite Sorte Instrument klingt von sich aus immer "richtig" [z. B. Schlagzeug], man kann sich maximal als arhythmischer Verlierer outen.

Erst die dritte, computergesteuerte Art von Instrumenten macht es Autodidakten möglich, Musik zu machen, die sich hören lässt. Viele Software-Instrumente spielen "wie von selbst", während man korrigiert, formt und Sounddesign betreibt. Solche Instrumente erfordern konsequenterweise neue Ansätze bei Interface und Design, um nicht in alten Konzepten stecken zu bleiben.

Tenori-On-Erfinder Toshio Iwai mit seiner Erfindung.

==Prominente Nutzer==

In diese Richtung leistet sich Yamaha ein Prestigeobjekt, das jetzt im deutschsprachigen Raum für rund 890 Euro erscheint. Die Liste der Musiker, die Yamaha zu Statements bewegen konnte, liest sich für Electronica-Freunde imposant: Kraftwerk, Yellow Magic Orchestra, Mouse on Mars, To Rococo Rot, Jim O’Rourke, Taylor Dupree und Björk, die das Gerät bereits auf Tour einsetzt.

Für Konzeption und Entwicklung heuerte Yamaha den Medienkünstler Toshio Iwai an. Iwai bewies schon mit dem Nintendo-Modul "Elektroplankton", dass man Musikmachen spielerisch-leicht angehen kann.

Sein Tenori-On besteht aus einem quadratischen 20-Zentimeter-Alurahmen, in dessen Vorder- und Rückseite eine 16-mal-16-LED-Matrix eingearbeitet ist. Die technischen Daten lesen sich verlockend. 16 Spuren, sechs Performance-Modi, Lauflichtprogrammierung wie bei Vintage-Drumcomputern, MIDI-Ein- und -Ausgang, eingebaute Lautsprecher, batteriebetrieben mit fünf Stunden Betriebszeit - für viele Musiker klingt das wie ein feuchter Traum.

Und da 256 "Blinkenlights2" computeraffine Musiker magisch anziehen, war das Tenori-On auf der diesjährigen Frankfurter Musikmesse entsprechend umlagert.

Einfacher Start

Viele Versprechen löst das Tenori-On sofort ein. So ist die Bedienung extrem einfach. Tippt man eine LED an, ertönt ein Ton, gleichzeitig blinken die benachbarten LEDs wie bei einer "Game of Life"-Simulation. Drückt man länger, "rastet" die Note ein und wird im Loop wiederholt. Damit man sich nicht mit falschen Tönen herumplagen muss, presst das Tenori-On die Eingaben in eine von neun Skalen, die immer "richtig" klingen.

Das macht es auch Einsteigern leicht, in wenigen Minuten hörbare Ergebnisse zu erzeugen. Im Rahmen sitzen 13 Taster und ein Rad. Damit bedient man, was nicht direkt mit der aktuellen Komposition zu tun hat: Dateizugriffsmenü, Tempo, Lautstärke der Spuren, Panning etc. Simpler geht's kaum.

Ping-Pong-Musik

Neben der klassischen Drumcomputer-Lauflicht-Programmierung stehen neun Spielmodi zur Verfügung. "Zufällige Notenwiedergabe" und "Zeichenmodus" sorgen für eine spielerische Komponente. Lustig ist der "Bounce"-Modus, in dem die Noten zwischen Druckpunkt und Gehäuse hin- und herpendeln.

Das Gerät macht einen stabilen Eindruck und liegt gut in der Hand. Alle Bedienelemente sind gut zu erreichen, lediglich die LEDs fühlen sich wie eine überdimensionierte Tablettenpackung an. Das wiegen die "Blinkenlights" wieder auf: Die weißen LEDs sorgen auf Vorder- und Rückseite für eine atemberaubende Lightshow während jedes Gigs. Und für zu Hause hat das Tenori allen Ernstes einen Modus, der das Gerät in eine futuristische Uhr mit Alarmfunktion verwandelt.

Monotonie

Doch es ist nicht alles Silber, was beim Tenori-On glänzt.

Denn ob die Sounds "Electron", "Proton" oder "Slowflux" heißen, sie klingen alle nach altem Soundblaster. Das ist für zwei, drei Songs spaßig, doch dann will man mehr. Geradezu grausam ist, dass man nicht in die Klänge "krabbeln" kann: Bis auf Reverb- und Chorus-Effekte kann man die Sounds nicht verändern. Dabei hätte Yamaha genügend erstklassige Plug-in-Boards, die sich verbauen ließen: vom DX7-Klassiker bis zu Analog-Soundboards.

Immerhin lassen sich drei 1-Sekunden-Usersamples per SD-Karte laden. Eine weitere Alternative besteht darin, externe Geräte über MIDI anzuschließen, um frische Sounds zu bekommen. Ein weiterer Schwachpunkt ist das gänzliche Fehlen von Dynamik, weshalb Tenori-Patterns recht statisch klingen.

Fazit: Für gadgetverliebte Musiker und kaufkräftige Elektronica-Freunde ist das Tenori-On eine Überlegung wert. Konzept und Design gehen in die richtige Richtung, aber an den Sounds muss Yamaha noch feilen. Vielleicht wird ja das Tenori-On 2 das Instrument des 21. Jahrhunderts.

Die vielfältigen Möglichkeiten mobiler Musiktechnologien lotete Mitte Mai in Wien der Mobile Music Workshop aus: vom mobilen Musiktausch über das Handy als Musikinstrument bis hin zur Stadt als musikalisches Interface.

(Anatol Locker)