Data-Retention: Verhandlung am 1. Juli

09.06.2008

Der EU-Gerichtshof hat den Termin für die Verhandlung der Klage Irlands gegen die umstrittene EG-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung festgesetzt.

Knapp zwei Jahre nachdem die Republik Irland beim EU-Gerichtshof Klage gegen die EG-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung eingereicht hat, wird nun die mündliche Verhandlung vor der Großen Kammer des höchsten Gerichts der Union stattfinden. Der Gerichtshof hat den Termin für Dienstag, den 1. Juli 2008 festgesetzt.

"Das Gericht kann schon zu diesem Termin die Entscheidung fällen", sagte der Salzburger Richter und Experte für Internet-Recht, Franz Schmidbauer, auf Anfrage von ORF.at.

Die am 15. März 2006 erlassene EG-Richtlinie zur Data-Retention verpflichtet alle Mitgliedsstaaten der Union dazu, Gesetze zu erlassen, welche die Telefon- und Internet-Provider dazu verpflichten, verdachtsunabhängig alle Verbindungs- und Standortdaten ihrer Kunden zu speichern. Damit wollen die EU-Innenminister Kommunikations- und Bewegungsprofile von Terroristen und Mitgliedern von kriminellen Organisationen erstellen.

Falsche Rechtsgrundlage

Die Klage Irlands richtet sich allerdings keineswegs gegen den Inhalt der Data-Retention-Richtlinie. Die Iren werfen vielmehr dem EU-Ministerrat und dem Parlament vor, die Richtlinie nicht auf der korrekten Rechtsgrundlage erlassen zu haben. Die Data-Retention-Richtlinie ist nämlich auf Grundlage eines Mechanismus verabschiedet worden, der eigentlich das Funktionieren des EU-Binnenmarkts sichern soll [Artikel 95 EG].

Die Data-Retention aber sei zur Bekämpfung des Terrorismus und schwerer Verbrechen verordnet worden - das sei, so die Klageschrift Irlands, "das einzige Ziel" der Richtlinie.

Restriktive Maßnahmen in Irland

Die irische Regierung ist keineswegs gegen die Vorratsdatenspeicherung an sich eingestellt. Bereits seit 2002 gibt es dort eine Verfügung, die Telefonie-Provider dazu zwingt, die Verbindungsdaten ihrer Kunden für drei Jahre zu speichern. Die EG-Richtlinie sieht eine Speicherdauer von mindestens sechs Monaten vor.

Laut einem Bericht der Irish Times vom 4. Juni 2008 will die dortige Regierung auch eine zwölfmonatige Speicherfrist für Internet-Verbindungsdaten durchsetzen. Das Justizministerium beabsichtigt demnach, eine entsprechende Verordnung am Parlament vorbei durchzusetzen.

Bedeutung für Österreich

Im Gegensatz zu Deutschland hat Österreich die Data-Retention-Richtlinie noch nicht umgesetzt. Aus dem Haus des zuständigen Verkehrsministers Werner Faymann [SPÖ] hieß es zuletzt, man wolle die Entscheidung des EU-Gerichtshofs abwarten.

"Wir sehen der Entscheidung des Gerichts mit Spannung entgegen", sagt Faymann-Sprecher Marcin Kotlowski auf Anfrage von ORF.at. "Die Entscheidung ist sicherlich offen, aber es gibt heute auch aufgrund der Vorgänge in Deutschland andere Rahmenbedingungen, auch wenn die Klage ja nicht den Inhalt der Richtlinie betrifft."

Franz Schmidbauer sieht eine Chance darauf, dass die österreichische Zurückhaltung bei der Umsetzung der Richtlinie belohnt werden könnte: "Kippt das Gericht die Data-Retention-Richtlinie, so wird Österreich ein Vertragsverletzungsverfahren erspart bleiben." Die Kommission müsse dann einen Vorschlag für eine neue Richtlinie bringen. "Die Skeptiker hätten dann auf jeden Fall Zeit gewonnen", sagt Schmidbauer, "es ist auch nach den heftigen Kontroversen um die Vorratsdatenspeicherung nicht sicher, ob die Kommission nochmals derartige Regeln erlassen würde."

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In Deutschland, wo die Richtlinie bereits zum 1. Jänner umgesetzt wurde, sind mehrere Verfassungsklagen gegen die verdachtsunabhängige Massenspeicherung der Telefoniedaten anhängig.

Am 19. März hat das deutsche Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, dass die Informationen aus der Data-Retention nur zur Verfolgung besonders schwerer Straftaten verwendet werden dürften. Im Rahmen einer Aktion der Bürgerrechtsorganisation Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung haben über 30.000 Bürger gegen die Data-Retention geklagt.

In Sachen Vorratsdatenspeicherung - wer mit wem wann wo telefoniert oder E-Mails austauscht - wurde im April 2008 von der EU-Kommission eine Expertenarbeitsgruppe einberufen. Auf Datenschutz bezieht sich die Verordnung nur betreffend Identität und Tätigkeit der "Experten".

(futurezone | Günter Hack)