Der bessere Internet-Präsident
Die beiden US-Präsidentschaftskandidaten John McCain und Barack Obama hoffen auf Unterstützung von Internet-Nutzern und Web-Arbeitern. Doch was sind ihre Positionen zu Themen wie Urheberrecht, Netzneutralität und Datenschutz? Wer für Netizens der bessere Kandidat ist, steht dabei keineswegs fest.
"In Bezug auf Computer bin ich ein Analphabet", gab der republikanische Präsidentschaftskandidat McCain Ende letzten Jahres in einem Interview mit dem bekannten IT-Fachweblog Techcrunch zu. Gegenüber Yahoo erklärte der 72-Jährige wenig später, dass er beim Nutzen neuer Technologien voll und ganz auf die Hilfe seiner Frau angewiesen sei.
Seitdem bemüht sich McCains Kampagne um Schadensbegrenzung. Der Kandidat reiste für einen Wahlkampfauftritt zu Google und erklärte dort vor laufender Kamera, ein großer Fan von YouTube zu sein. Er outete sich als iPod-Nutzer und machte jüngst sogar Witze darüber, bei der Suche nach einem geeigneten Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten auf Google zurückzugreifen.
Silicon Valley als Geldgeber
McCains plötzliche Technikliebe kommt nicht von ungefähr. Internet-Nutzer haben sich im US-Präsidentschaftswahlkampf als wichtigste Spendenquelle etabliert. Der Demokrat Obama hat dabei bisher die Nase vorn. Obama bekam 265 Millionen US-Dollar von mehr als 1,5 Millionen einzelnen Spendern. San Francisco und das Silicon Valley steuerten mehr als 18 Millionen Dollar zu seiner Kampagne bei.
Ein Grund dafür ist Obamas aggressive Online-Organisation. Sein Wahlkampfteam ist auf zahlreichen Sozialen Netzwerken präsent und nutzt beliebte Kommunikationswerkzeuge wie Twitter, um mit seinen Unterstützern in Kontakt zu bleiben. Rund 940.000 Facebook-Nutzer haben sich bisher zu Obama bekannt. McCain kommt lediglich auf 140.000 Facebook-Unterstützer.
Doch der republikanische Kandidat konnte ebenfalls einige Hightech-Erfolge für sich verbuchen. So wird seine Kandidatur unter anderen von der ehemaligen eBay-Chefin Meg Whitman unterstützt. Auch die vormalige HP-Chefin Carly Fiorina beteiligt sich an McCains Wahlkampagne. Das Meinungsforschungsinstitut Rasmussen befand im Frühjahr zudem, dass die beiden Kontrahenten unter IT-Arbeitern etwa gleichauf liegen.
MPAA unterstützt Obama
Ein Grund dafür ist, dass Technologiepolitik selten in klassische politische Raster passt. Bei keinem Thema wird das deutlicher als beim Urheberrecht. Hollywood gilt traditionsgemäß als einer der wichtigsten Geldgeber der Demokraten, und auch Obama kann auf Gelder von Schauspielern und Studiomitarbeitern vertrauen.
Laut Opensecrets.org bekamen die demokratischen Kandidaten in diesem Wahlkampf mehr als 80 Prozent aller Spenden der Entertainment-Industrie. Vertreter von TV, Film und Musik gaben demnach Obama mehr als sechsmal so viel Geld wie McCain. Es überrascht deshalb nicht, dass sich in Obamas IT-Positionspapier Statistiken des US-Filmindustrieverbands MPAA wiederfinden.
Schutz des "geistigen Eigentums"
Der demokratische Spitzenkandidat verspricht denn auch, sich für einen stärkeren Schutz des geistigen Eigentums auf dem Weltmarkt einzusetzen. Gleichzeitig betont er jedoch, dass Innovationen und der gesamtgesellschaftliche Diskurs nicht durch Copyright und Patentrechte behindert werden dürfen. Im Falle seiner Wahl will er sich deshalb an eine Reform des Patentrechts machen.
McCain ließ im Techcrunch-Interview durchblicken, dass Freihandelsabkommen in seinen Augen wichtiger sind als der weltweite Kampf für striktere Urheberrechte. McCain witzelte in diesem Interview zudem, dass P2P-Nutzer nur dann ins Gefängnis geschickt werden sollen, wenn sie "die abscheuliche Musik hören, die heute die Charts dominiert".
Obama hat seine IT-politischen Positionen in einem Grundsatzpapier zusammengefasst. Von McCains Kampagne gibt es kein derartiges Dokument.
McCain gegen Net Neutrality
Punkten kann Obama dagegen unter Netznutzern für sein Bekenntnis zu einem offenen und nicht von Telekommunikationsanbietern kontrollierten Internet, auch als Netzneutralität [engl.: Net Neutrality] bekannt. In einer Fernsehdiskussion des Musiksenders MTV erklärte er den Zuschauern detailliert, warum er es für nötig hält, Net Neutrality mit Regulierungen und Gesetzen zu verteidigen. "Ich will dieses Grundprinzip des Internets bewahren", so Obama gegenüber MTV.
Sein republikanischer Konkurrent will das Problem dagegen lieber dem freien Markt überlassen. Während der "All Things Digital"-Konferenz des "Wall Street Journal" erklärte McCain dazu im Mai: "Wer die Leitungen kontrolliert, sollte auch die Chance haben, damit Geld zu verdienen."
An dem Thema zeigt sich, dass politische Positionen nicht zwangsläufig an Spendengelder gebunden sind. Ralph Roberts, Gründer und vormaliger CEO des US-Internet-Anbieters Comcast, spendete freigiebig für McCain. Obama bekam jedoch insgesamt mehr Spendengelder von Comcasts Managern. Der Netzanbieter geriet letztes Jahr wegen seines Vorgehens gegen BitTorrent-Nutzer in die Schlagzeilen und gilt als ausgemachter Net-Neutrality-Gegner.
Yahoos China-Politik "inakzeptabel"
In einigen Fällen hat der Wahlkampf die Kandidaten offenbar zu einem Überdenken ihrer Positionen gebracht. So galt McCain lange Zeit als ausgemachter Verteidiger des Datenschutzes. Bereits im Jahr 2000 setzte er sich für striktere Datenschutzgesetze für Online-Unternehmen ein. Gegenüber Techcrunch erklärte er zudem, Yahoos Umgang mit den Daten seiner Nutzer in China sei inakzeptabel und "frustrierend".
Im Frühjahr stimmte McCain jedoch gemeinsam mit seinen republikanischen Kollegen im US-Senat für die Immunität von Telekomunternehmen, die E-Mails und Telefongespräche von US-Amerikanern im Kampf gegen den Terrorismus ohne richterliche Anweisung überwachen - und das, obwohl er sich noch zwei Monate zuvor gegen eine solche Regelung ausgesprochen hatte. Obama stimmte dagegen.
Der demokratische Senator hat zudem generell gegen Abhörmaßnahmen ohne richterliche Anordnung und gegen eine Vorratsdatenspeicherung Stellung bezogen. McCain erklärte zur Erfassung von Vorratsdaten, dass es gute Argumente dafür und dagegen gebe. Er habe sich bisher noch keine Meinung dazu gebildet und werde das Thema weiter verfolgen.
(Janko Röttgers)