G8-Staaten auf "Hacker"-Jagd
Heute beginnt in Paris das "Cybercrime"-Treffen der G8-Staaten. An der dreitägigen Konferenz nehmen aus jedem Land je 15 Industrie- und 15 Behördenvertreter teil, dazu kommen Experten von Polizei, Justiz und privaten Organisationen.
Vor allem durch das enorme Medienecho auf den "ILOVEYOU"-Virus dürften die Zielsetzungen des - schon lange geplanten - Treffens auf eine wohlwollende öffentliche Meingung stoßen.
Im Vorfeld getätigte Äußerungen und Forderungen von Politikern und sowohl staatlichen als auch privaten Sicherheitsexperten zielen auf eine international einheitliche und koodinierte Verfolgung und Bestrafung jeglicher "Computer-Kriminalität" ab.
Das dreitägige "Cybercrime"-Treffen soll nach dem Willen der Organisatoren eine Art Weltgipfel
gegen die Kriminalität im Internet werden.Wie schwammig Begriffe wie "Computer-" oder "Internet-Kriminalität" allerdings verwendet werden, wurde in den letzten zwei Wochen allein dadurch deutlich, dass Virenschreiber, Cracker und Straftäter wie Kreditkartenbetrüger einheitlich als "Hacker" bezeichnet werden, sobald das Internet ins Spiel kommt.
Die Prägung des Wortes "Hacker" in der Öffentlichkeit und die Instrumentalisierung von außergewöhnlichen Ereignissen - im aktuellen Fall des Liebesvirus - zur Durchsetzung von Maßnahmen gegen die freie Verwendung von Informationstechnik können dabei als bewährte Tradition gelten.
Vor allem die erste große Anti-Hacker-Kampagne, die in den USA in den Jahren 1990 bis 92 stattfand, weist erstaunliche Parallelen mit den derzeitigen Ereignissen auf.
Damals wurde ein Zusammenbruch des AT&T-Ferngesprächsnetzes zum Anlass für eine massive Medienkampagne und anschließende Strafverfolgung gegen Publikationen und Strukturen von Hackern, Crackern und Phreakern genommen - der Zusammenbruch hatte allerdings einen simplen Programmierfehler als Ursache.
Bruce Sterling beschreibt diese erste große Kampagne in seinem Buch "The Hacker Crackdown: Law and Disorder on the Electronic Frontier", Mass Market Paperback, ISBN: 055356370X.
Das Buch ist auch komplett im Netz nachzulesen.Passend zur aktuellen Konferenz, deren Ergebnisse Ende Juli den Staats- und Regierungschefs der G8-Gruppe bei ihrer Konferenz auf der japanischen Insel Okinawa vorgelegt werden sollen, und anlässlich des Liebes-Virus, werden zurzeit von einer Vielzahl von "Sicherheitsexperten" Horrorszenarien über die Gefährlichkeit von "Hackern" verbreitet.
"Was wir gerade mit dem Liebes-Virus erlebt haben, ist wie ein Attentat aus dem fahrenden Auto mit einer Wasserpistole", sagte der US-Sicherheitsberater Arnaud de Borchgrave in einem aktuellen Interview. Mittlerweile gebe es 30.000 Hacker-Sites im Internet, davon seien 2.000 "außerordentlich fortgeschritten", fügte Borchgrave als Beleg seiner These hinzu.
"Die totale Datensicherheit ist in der vernetzten Welt kaum mehr möglich", meinte der Netzwerke-Chef der US-Softwarefirma Sun Microsystems, Geoffrey Baehr, im "Spiegel". Künftig werde es neben den meist jungen Computerfreaks, die aus Spaß Viren bastelten, "professionelle Hacker" als "Cyber-Söldner" geben. Diese spionierten gegen Bezahlung Regierungen oder Firmen aus.
Bruce Sterlings "Hacker Crackdown" beschreibt die Netzwelt vor dem WWW, als in vielen Bereichen noch einzeln anzurufende "Message Boards" vorherrschten und Schlafzimmer-Bastler sich vor allem mit der Struktur der Telefonnetze beschäftigten. Das Buch beschreibt dazu auch in einer sehr unterhaltsamen und detailreichen Weise die Geschichte der modernen Datenentze von der Erfindung des Telefons bis 1990.
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